FS Arzneimittelindustrie e.V.

Dr. Uwe Broch – Geschäftsführer
Daniela von Arnim – Assistentin

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§20 Abs.3 und 5 FSA-Kodex Fachkreise:
Die Insel Borkum als Veranstaltungsort einer Fortbildungsveranstaltung der Akademie für medizinische Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe
Zur Anwendung der Vorstandsleitlinie Nr. 12 a bezüglich der Auswahl des Tagungsortes.

Az.: 2024.4-706

Zur Anwendung der Vorstandsleitlinie Nr. 12a bezüglich der Auswahl des Tagungsortes (Lage und Erreichbarkeit).

Leitsätze

  1.  Nach der Leitlinie Nr.12 a i.V.m. §20 Abs.3 FSA-Kodex Fachkreise wird die Vorgabe „allein nach sachlichen Gesichtspunkten“ dahingehend konkretisiert, dass vom Tagungsort keine seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung ausgeht. Die Leitlinie Nr. 12 a enthält zudem noch ergänzende Kriterien, wann in der Regel von einem kodexkonformen Tagungsort ausgegangen werden kann. Zugleich wird festgelegt, unter welchen Umständen eine solche prägende Anreizwirkung in der Regel ausscheidet. Dies ist dann der Fall, wenn der Tagungsort Veranstaltungsstätten und Übernachtungsmöglichkeiten aufweist, die üblicherweise für fachlich-wissenschaftliche Veranstaltungen genutzt werden, von seiner Infrastruktur her nicht schwerpunktmäßig touristisch geprägt ist und zusätzlich über eine sehr gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz verfügt.
  2. Im Hinblick auf das Kriterium der „sehr guten Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz“ setzt die Schiedsstelle die bisherige Spruchpraxis fort, wonach die Auswahl des Tagungsortes voraussetzt, dass dieser zentral gelegen und gut beziehungsweise einfach zu erreichen ist.
  3. Die Auswahl eines Tagungsortes „allein nach sachlichen Gesichtspunkten“ kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände bewertet werden. Eine Bezugnahme auf vorherige Entscheidungen der Schiedsstelle ist in der Regel nur möglich, wenn die verschiedenen Sachverhaltsaspekte vergleichbar sind.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens ist die finanzielle Unterstützung der 78. Fort- und Weiterbildungswoche der Akademie für medizinische Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Die Veranstaltung fand vom 27. April bis 5. Mai 2024 auf der Insel Borkum statt. Das Mitgliedsunternehmen Takeda hat eingeräumt, diese Veranstaltung finanziell unterstützt zu haben, jedoch die Auffassung vertreten, dass das Sponsoring der Fort- und Weiterbildungswoche nicht gegen den FSA-Kodex Fachkreise verstößt, sondern den Vorgaben zur Auswahl des Tagungsortes entspricht. Dabei bezieht sich das Mitgliedsunternehmen auf die Entscheidung des Spruchkörpers 1. Instanz in der Sache Warnemünde vom 26. Oktober 2023 (Az.:2023.9-691). Ausgehend von den in dieser Entscheidung dargelegten Kriterien vertrat das Mitgliedsunternehmen die Auffassung, dass der Tagungsort im Sinne der Vorgaben des FSA-Kodex Fachkreise geeignet ist. Bezüglich der Entscheidungsgründe im Falle Warnemünde wird auf diese Entscheidung der Schiedsstelle vom 26. Oktober 2023 verwiesen.

Rechtliche Beurteilung und wesentliche Entscheidungsgründe

Nach §20 Abs.5 FSA-Kodex Fachkreise gelten für die finanzielle Unterstützung von externen Fortbildungsveranstaltungen bezüglich der Auswahl des Veranstaltungsortes die Vorgaben gemäß §20 Abs.3 FSA-Kodex Fachkreise für interne Fortbildungsveranstaltungen entsprechend. Danach hat die Auswahl des Tagungsortes allein nach sachlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Hierzu hat der Vorstand des FSA entsprechende Leitlinien erlassen, welche die Kodexvorgaben näher konkretisieren. Die gemäß §6 Abs.2 in Verbindung mit §20 Abs.3 FSA-Kodex Fachkreise zur Auswahl des Tagungsortes „allein nach sachlichen Gesichtspunkten“ erlassene Leitlinie Nr.12 a konkretisiert nicht nur die Auswahl des Tagungsortes, sondern enthält noch ergänzende Kriterien, wann in der Regel von einem kodexkonformen Tagungsort ausgegangen werden kann. Entscheidend ist hierfür, dass neben den ausschließlich sachlichen Gesichtspunkten, die für die Auswahl des Tagungsortes maßgeblich sind, von dem Tagungsort keine, seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung ausgeht. Diese den Charakter des Tagungsortes entscheidend prägende Anreizwirkung wird von der Leitlinie Nummer 12 a näher präzisiert und zugleich festgelegt, unter welchen Umständen eine solche „prägende Anreizwirkung“ in der Regel ausscheidet. Gemäß der Leitlinie Nr.12 a Abs.1(i) ist dies in der Regel der Fall, wenn der Tagungsort Veranstaltungsstätten und Übernachtungsmöglichkeiten aufweist, die üblicherweise für fachlich-wissenschaftliche Veranstaltungen genutzt werden (1. Spiegelstrich), von seiner Infrastruktur her nicht schwerpunktmäßig touristisch geprägt ist (2. Spiegelstrich) und zusätzlich auch über eine sehr gute Anbin-dung an das öffentliche Verkehrsnetz verfügt (3. Spiegelstrich), also einfach und gut zu erreichen ist. Im Hinblick auf letztgenannte Anforderung und unter Fortführung der durch die „Prien am Chiemsee“ Entscheidung (Az.: FS II -2/17/2017.6-522) sowie durch die „Lindau“ Entscheidung (Az.: FS II 1/23/ 2022.6-664) vorgegebenen Spruchpraxis, wonach die Auswahl des Tagungsortes voraussetzt, dass der Tagungsort zentral gelegen und gut zu erreichen ist, kommt die Schiedsstelle zu dem Ergebnis, dass die Insel Borkum für die Mehrzahl der Teilnehmer nicht gut und einfach zu erreichen ist und Borkum nicht über eine sehr gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz verfügt. Daher ist der Tagungsort nach Einschätzung der Schiedsstelle nicht kodexkonform. Nach Auskunft der Geschäftsstelle der Akademie für medizinische Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe in Münster kommt die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer der vorliegenden Veranstaltungen aus Nordrhein-Westfalen. Die Entfernung von Münster nach Borkum beträgt ca. 245 Kilometer, wobei aufgrund der Insellage, Borkum nur entweder mit einer Fähre oder alternativ mit einem kleinen Flugzeug von Emden aus zu erreichen ist. Die Fahrzeit von Emden nach Borkum beträgt mit der Fähre in der Regel ca.130 Minuten. Hinzu kommen die Fahrpreise, die sich inklusive PKW für die Hin- und Rückfahrt mit der Fähre mindestens auf 48,50 Euro belaufen. Unter diesen Umständen sieht die Schiedsstelle die vorliegende Veranstaltung als nicht gut erreichbar für die Teilnehmer an.
Nach Auffassung der Schiedsstelle verfügt die Insel Borkum auch nicht über eine sehr gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz im Sinne des FSA-Kodex Fachkreise, da es weder über eine Straße noch über eine Bahnverbindung verfügt, die mit dem Festland direkt verbunden ist.

Soweit sich das Mitgliedsunternehmen auf die Entscheidung zu Warnemünde bezieht, ist die Schiedsstelle der Auffassung, dass dieses Verfahren nicht gleich zu bewerten ist.

Wann die Auswahl eines Tagungsortes „allein nach sachlichen Gesichtspunkten“ erfolgt und damit kodexkonform ist, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände bewertet werden.
Ebenso wie in der „Warnemünde“ Entscheidung geht die Schiedsstelle vorliegend davon aus, dass die Insel Borkum über einen hohen Freizeitwert verfügt und es sich um einen touristisch geprägten und damit attraktiven Ort handelt, so dass Borkum in der Regel nicht als Tagungsort in Betracht kommt. Vergleicht man die Veranstaltungen in Warnemünde und auf Borkum miteinander, ist folgendes festzuhalten: Bei der Beurteilung der Veranstaltung in Warnemünde kam zum Tragen, dass diese letztendlich zu einem Zeitpunkt stattfand, der außerhalb jeder Saison lag, was sich auf die Frage der Anreizwirkung auswirkte. Bei der Beurteilung von Borkum ist hingegen mit einzubeziehen, dass die Veranstaltung zu einem Zeitpunkt stattfand (vom 27. April bis 5. Mai 2024), in dem auch schon die offizielle Nebensaison begonnen hat (Beginn am 4. April 2024). Darüber hinaus gibt es weitere Sachverhaltsaspekte, die die Verfahren nicht vergleichbar machen (Die Mehrzahl der Teilnehmer im Falle Warnemünde kamen aus der Umgebung des Tagungsortes. Hinzu kommt, dass Warnemünde für alle Teilnehmer verkehrstechnisch sehr gut zu erreichen war. Schließlich liegt die Universitätsklinik Rostock, die als Mitveranstalter auftrat und die meisten Referenten stellte, lediglich 12 Kilometer von dem Kongresszentrum in Warnemünde entfernt.).
Dagegen suggeriert schon die Einladung zur der hier in Rede stehenden Veranstaltung, dass Borkum touristisch attraktiv ist.
Hinzu kommt, dass im Internet und auch in Reiseführern Borkum überaus attraktiv dargestellt wird. Nach Auffassung der Schiedsstelle geht von diesem Tagungsort eine seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung aus. Denn es werden nicht nur die vielfältigen Freizeitangebote hervorgehoben, sondern es wird insbesondere auf den langen Sandstrand so wie die vielen Wanderwege und die abwechslungsreiche Natur mit Dünen, Watt sowie einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt hingewiesen.

Entscheidung

Unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände kommt die Schiedsstelle zu dem Ergebnis, dass die finanzielle Unterstützung der vorliegenden Veranstaltung auf Borkum gegen §20 Abs.3,5 FSA-Kodex Fachkreise verstößt. Die Beanstandung ist somit begründet.

Die Takeda Pharma Vertrieb GmbH und Co. KG wurde daher gemäß §20 Abs.4 der FSA-Verfahrensordnung abgemahnt, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen.

Das Mitgliedsunternehmen hat eine Unterlassungs-und Verpflichtungserklärung abgegeben.
Für den begangenen Verstoß wurde eine Geldstrafe in Höhe von 12.000,- Euro festgesetzt.

Als die begünstigten gemeinnützigen Organisationen wurden bestimmt:
DESWOS e.V., Helden gesucht gGmbH, Berliner helfen e.V.

Berlin, im Juni 2024