Kodex + § 1 UWG; § 20 Abs. 3 – Fortbildung deutscher Ärzte im Ausland
AZ.: 2004.7-14 (1. Instanz)
Leitsätze
- Lädt ein Pharmaunternehmen Ärzte zu einer mehrtägigen wissenschaftlichen produktbezogenen Fortbildungsveranstaltung verbunden mit einem Ausflugsprogramm mit kulinarischen Höhepunkten (wie z.B. Besichtigung einer Käserei und Schinkenmanufaktur, Abendessen in einem anerkannten Restaurant, Stadtbesichtigung, Wellness-Programm) in eine oberitalienische Mittelstadt ein, so liegt ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vor.
- Lädt ein Pharmaunternehmen (Nichtmitglied) zu einer mehrtägigen wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung ein und findet die wissenschaftliche Fortbildung nur an einem Tag mit einem Zeitanteil von lediglich vier Stunden gegenüber dem Zeitanteil des Unterhaltungsprogramms mit mindestens 17 Stunden statt, so liegt ein Wettbewerbsverstoß vor.
Sachverhalt
Von einem Mitgliedsunternehmen wurde beanstandet, dass ein deutsches Pharmaunternehmen (Nichtmitglied) zur Bewerbung eines konkreten Produktes eine Einladung an Ärzte zu einem Symposium über drei Tage in eine oberitalienische Mittelstadt ausgesprochen hatte. In der oberitalienischen Mittelstadt befindet sich der Sitz der ausländischen Muttergesellschaft.
Neben einem wissenschaftlichen Programm von rund vier Stunden wurde für die restliche Zeit ein „Interessantes Ausflugsprogramm mit kulinarischen Höhepunkten“ angeboten. Dazu gehörten die Besichtigung einer Käserei und einer Schinkenmanufaktur sowie ein Abendessen in einem anerkannten Restaurant im Zentrum der italienischen Stadt sowie eine Stadtbesichtigung und Wellness-Programm. Die Einladung umfasste sowohl die Flug- als auch die Zubringerkosten nach und ab Abflughafen in Deutschland.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der FS Arzneimittelindustrie hat das Verhalten beanstandet und Unterlassungs- und Verpflichtungs-
serklärung verlangt und mit Vertragsstrafe bewehrt für jeden Fall der Zuwiderhandlung, da er einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG (Heilmittelwerbegesetz) sieht.
Es wurden konkrete Produkte beworben. Da die Relation zwischen dem fachlich wissenschaftlichenProgramm und dem Beiprogramm in einem deutlichen Missverhältnis stand, waren die Grenzen derZuwendungen im Sinne des § 7 HWG überschritten und eine Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit von Personen, die Heilmittel verschreiben, empfehlen oder anwenden, nicht auszuschließen.
Auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 HWG wurde bejaht, da die Zuwendungen den vertretbaren Rahmen im Sinne der Vorschrift deutlich überschritten und nicht im untergeordneten Verhältnis zum wissenschaftlichen Teil der Veranstaltung standen.
Da das Nichtmitglied auch im Verband des BAH (Bundesverband der Arzneimittelhersteller) Mitglied ist, hat der FS Arzneimittelindustrie die Anwendung des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex über die Branchenüblichkeit des § 1 UWG bejaht und vor dem Hintergrund der gemeinsamen Verhaltensempfehlungen der großen Phamaverbände einen Verstoß gegen § 20 Abs. 2 und Abs. 3 des Kodex angenommen. Zudem war die Marktdurchdringung des Nichtmitglieds geeignet, die getroffenen Verhaltenskodices zu unterlaufen und auszuhöhlen, worin der FS Arzneimittelindustrie einen Verstoß im Sinne des § 1 UWG sah, wonach sich wettbewerbswidrig verhält, wer bewusst und planmäßig gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, um sich dadurch einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerben zu verschaffen.
Da die Veranstaltung abgesagt wurde, musste die Frage, ob Einladungen deutscher Ärzte an den ausländischen Sitz der Muttergesellschaft konform durchgeführt werden, nicht entschieden werden.
Ergebnis
Die vom FS Arzneimittelindustrie geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung wurde akzeptiert. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, es unter „..Festlegung einer Vertragsstrafe im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Veranstaltungen, wie in dem oben geschilderten Programm beschrieben, durchzuführen und/oder durchführen zu lassen“.
Berlin, im September 2004