§ 18 Abs. 3 des Kodex – Vergütung nur in Geld und Ausnahme bei der Durchführung von Forschungsvorhaben; „Beistellung“ von Geräten
AZ.: 2006.1-109 (1. Instanz)
AZ.: 2006.1-109 (1. Instanz)
Leitsatz
Die vertragliche Überlassung eines Messgerätes an eine Ärztin/ Arzt durch ein Mitgliedsunternehmen verstößt gegen den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex, wenn die Gegenleistung nicht in Geld erfolgt und die Überlassung nicht der Durchführung eines Forschungsvorhabens (sog. „Beistellung“) dient.
Sachverhalt
Ein Mitgliedsunternehmen hatte im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung mit einer Augenärztin vereinbart, dass durch den Außendienst des Mitgliedsunternehmens ein Augenmessgerät für einen fest vorgegebenen Zeitraum zur Verfügung gestellt wird und durch einen Mitarbeiter des Unternehmens Messungen an Patienten, die die Ärztin ausgewählt hat, durchgeführt werden. Im Gegenzug schuldete die Ärztin den sorgsamen und pfleglichen Umgang mit dem Gerät und die Überlassung der anonymisierten Daten aus den Messungen. Eine eigenständige Nutzungsmöglichkeit des Gerätes durch die Ärztin bestand nicht.
Die Ärztin konnte von den an der Messung beteiligten Patienten eine übliche Gebühr verlangen, die nach der zugrunde liegenden Gebührenordnung 39,00 EUR betrug. Die Geltendmachung dieses Betrages war nicht Vertragsbestandteil der Vereinbarung zwischen den Beteiligten.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Gemäß § 18 Abs. 3 des Kodex hat die Vergütung für die Zusammenarbeit mit Ärzten nur in Geld zu erfolgen und muss zu der erbrachten Leistung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dabei müssen Leistung und Gegenleistung eindeutig in einer zugrunde liegenden Vereinbarung geregelt sein. Selbst wenn die fachliche Leistung des Arztes/der Ärztin vorliegend im Ausfüllen eines Datenbogens bestand und damit keinen hohen fachlichen Kenntnisstand vorausgesetzt hat, reicht es für das Tatbestandsmerkmal der vertraglichen Zusammenarbeit aus, dass die vereinbarten Tätigkeiten sachlich nachvollziehbar und im Interesse der Vertragspartner erforderlich waren. Dem Transparenzgedanken folgend (Dieners Kap. 9, Rdnr. 47) soll die Vergütung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nur in Geld erfolgen. Dies ist hier nicht geschehen, denn während die Ärztin durch das Ausfüllen der Datenbögen ihre Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt hat, stellte das Mitgliedsunternehmen im Gegenzug die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters, der die Messungen an den Patienten durchgeführt hat, sowie die leihweise Überlassung des Messgerätes zur Verfügung. Die Vergütung erfolgte also nicht als Geldleistung, sondern in Form einer Sachleistung durch die leihweise Gestellung des Gerätes und den Arbeitseinsatz eines Mitarbeiters des Mitgliedsunternehmens.
Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Vergütungen nur in Geld erfolgen dürfen, wird in der Literatur in der Form der „Beistellung“ von Geräten gesehen, die für die Durchführung einer Forschungskooperation notwendig sind, um bestimmte Forschungsvorhaben von ärztlicher Seite durchführen zu können. Dafür können bestimmte Diagnosegeräte überlassen werden, um eine einheitliche Diagnostik und damit eine Vergleichbarkeit der erhobenen medizinischen Daten sicherzustellen (Dieners Kap. 9, Rdnr. 48, S. 194). Bei der vorübergehenden Überlassung solcher Diagnosegeräte handelt es sich nicht um einen Vergütungsbestandteil.Eine solche kodexkonforme Beistellung ist vorliegend aber nicht gegeben. Die Durchbrechung des Grundsatzes, dass die Vergütung nur in Geld zu erfolgen hat, basiert auf der Idee, dass ohne diese Form der finanziell nicht zu bewertenden Beistellung Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung von Medikamenten oder Verfahrensweisen gar nicht darstellbar wären, da oftmals die Zurverfügungstellung von Geräten Voraussetzung für eine solche Kooperation ist.
Es bedarf aber klarer Abgrenzungskriterien (Dieners Kap. 9, Rdnr. 48), die zulässige „Beistellung“ von unzulässigen Vergütungen durch Überlassung von Gegenständen zu unterscheiden. Als Abgrenzungskriterium kommen u. a. deutliche Hinweise in der Vereinbarung in Frage, welche sich auf ein Forschungsvorhaben beziehen. Hierbei kommt es nicht darauf an, welcher Vertragspartner den hauptsächlichen Nutzen aus der Vereinbarung zieht. In der hier zugrunde liegenden Vereinbarung findet sich jedoch kein Hinweis auf den Forschungscharakter der Zusammenarbeit. Zwar können die Handlungsweisen der Beteiligten möglicherweise auf eine Forschungskooperation hindeuten, dies allein reicht aber nicht aus, sofern der Vertrag keine Hinweise enthält, die auch die Absicht der Zusammenarbeit im Rahmen eines Forschungsvorhabens erkennen lassen.
Der Spruchkörper hatte vorliegend nicht zu entscheiden, welche Kriterien einer Forschungskooperation zugrunde liegen müssen, um eine „Beistellung“ zu bejahen, die nicht Vergütungsbestandteil zwischen Unternehmen und Arzt war.
Die erbrachte Leistung muss in einem angemessenen Verhältnis zur Gegenleistung der Ärztin stehen. Dies war im vorliegenden Fall nicht zu bejahen, denn die Unangemessenheit der Vergütung ergab sich hier insbesondere aus der Tatsache, dass durch den persönlichen Einsatz des Mitarbeiters des Mitgliedsunternehmens der Ärztin die Möglichkeit eröffnet wurde, eine private Abrechnung durchzuführen und EUR 39,00 zu vereinnahmen. Für die Feststellung der Unangemessenheit ist es unerheblich, ob das Unternehmen die Ärztin darauf hingewiesen hat, die ihr möglicherweise zustehenden gesetzlichen Gebühren auch abzurechnen oder nicht. Allein ausschlaggebend ist die Tatsache, dass die Möglichkeit zur Berechnung bestanden hat und somit für die Ärztin eine zusätzliche Einnahmequelle gegeben war.
Ergebnis
Ergebnis
Das Unternehmen wurde durch erstinstanzliches Urteil zur strafbewehrten Unterlassung verpflichtet. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Das Verfahren ist damit abgeschlossen.
Berlin, im August 2006