§ 19 Abs.1 und 3 des Kodex – Anwendungsbeobachtungen
AZ.: 2006.11-152 (1. Instanz)
Leitsatz
Die Durchführung einer Anwendungsbeobachtung im Zusammenhang mit der zugelassenen Indikation eines seit mehreren Jahren auf dem Markt befindlichen Arzneimittels ist unzulässig, wenn aus der Anwendungsbeobachtung aufgrund unvollständiger Angaben zum Studienplan, zur Gruppenbildung, Datenerhebung und Maßnahmen zur Qualitätssicherung konkrete wissenschaftliche Informationen über die Wirksamkeit nicht gewonnen werden können.
Sachverhalt
Ein Mitgliedsunternehmen hatte eine Anwendungsbeobachtung mit einem seit fünf Jahren auf dem Markt vertriebenen Arzneimittel unter Einbeziehung von über 17.000 Ärzten durchgeführt. Die Ergebnisse der zum 31.12.2005 durchgeführten Anwendungsbeobachtung wurden bis heute nicht veröffentlicht. Die Anwendungsbeobachtung verfolgte das Ziel, den Einsatz des Medikaments in der Praxis unter therapeutischen Gesichtspunkten als Zusatzmedikation im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete bei Patienten zu dokumentieren. So sollten „Praxis-Alltagsbedingungen im Rahmen dieser AWB zu Wirksamkeit und Verträglichkeit sowie zu den Indikationen zwischen dem Medikament und verschiedenen NSAR-Therapien und zum aktuellen Therapieverhalten bzgl. des Medikaments gesammelt werden.
Die Vorwürfe wurden durch die ZDF-Sendung Frontal 21 erhoben, aufgrund der der FSA-Vorstand ein Beanstandungsverfahren gegen das Mitgliedsunternehmen eingeleitet hat.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Gemäß § 19 Abs. 1 sind Anwendungsbeobachtungen wissenschaftliche Untersuchungen nach der Zulassung oder Registrierung eines Arzneimittels, die der Gewinnung neuer Erkenntnisse über die Anwendung eines Arzneimittels und dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit in der Praxis dienen.
In Ziff. 2 der Empfehlungen des BfArM zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen vom 12.11.1998 werden die generellen Anforderungen an eine AWB wie folgt formuliert:
„AWB erfordern eine Planung, Durchführung, Aus- und Bewertung nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der beteiligten Disziplinen. Sie müssen eine medizinisch-wissenschaftliche Zielsetzung (Abschnitt 4) verfolgen, die als präzise Fragestellung vorab formuliert sein muss. Das gewählte Design (Basis eines Vergleichs, zeitlicher Umfang und Untersuchungsumfang beim einzelnen Patienten, Patientenzahl) und die geplanten Methoden (Datenerhebung und Auswertung) müssen zur Beantwortung dieser Fragen geeignet sein. …“
Diesen Anforderungen wurde die AWB zur Indikationserweiterung des Medikaments an Patienten, die einer kontinuierlichen Therapie mit Schmerz- bzw. Rheumamitteln bedürfen, nicht gerecht.
Zwar kann gem. Ziff. 4 der Empfehlungen des BfArM das Erweitern von Erkenntnissen zur Wirksamkeit eines Medikamentes auch ein mögliches Ziel einer AWB sein. Das vom Unternehmen gewählte Design und die geplanten Methoden waren jedoch nicht geeignet, unter Praxis-Alltagsbedingungen Informationen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit sowie zu den Interaktionen zwischen dem Medikament und den verschiedenen NSAR-Therapien und zum aktuellen Therapieverhalten zu erhalten.
Dazu muss in der AWB eine biometrische Grundüberlegung zur Frage, wie viele Patienten zu rekrutieren sind, um valide Ergebnisse zu erzielen, feststellbar sein. Auch Maßnahmen zur Qualitätssicherung müssen in der AWB erkennbar sein.
Ein zur Fragestellung herangezogener Gutachter kam daher zu folgendem Ergebnis:
„Vom Grundsatz her wäre eine AWB für die Gewinnung von Informationen nach der Zuerkennung einer neuen Indikation oder einer bedeutungsvollen Indikationserweiterung ein richtiger wissenschaftlicher Ansatz. Besonders vor dem Hintergrund der teilweise unbefriedigenden Datenlage zur PPI-Protektion bei NSAR-Therapie, aber auch zur ADR-Situation für die neue Patientengruppe wäre dies vertretbar. Allerdings sind die dafür erforderlichen Überlegungen zum Studienplan, Gruppenbildung, Datenerhebung usw. aus meiner Sicht völlig unzureichend erfolgt.“
Daher war festzustellen, dass das Unternehmen das selbst formulierte Ziel mit dieser AWB nicht erreichen konnte.
Gemäß § 19 Abs. 3 des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex sind bei der Planung, Gestaltung und Durchführung von Anwendungsbeobachtungen die durch das BfArM veröffentlichten Empfehlungen und Leitlinien zu beachten. Dabei sind insbesondere die ausgefüllten Beobachtungsbögen fachlich auszuwerten.
In Ziff. 14 der Empfehlungen des BfArM vom 12.11.1998 ist geregelt:
„Über die Durchführung und Ergebnisse einer AWB ist innerhalb angemessener Frist ein Abschlussbericht zu erstellen, der eine biometrische Auswertung und eine Bewertung aus medizinischer Sicht enthält. Die Ergebnisse der AWB sollen nach wissenschaftlichen Kriterien publiziert werden. …“
Die AWB war zum 31.12.2005 beendet. Bis heute wurde ein Abschlussbericht, der eine biometrische Auswertung und eine Bewertung aus medizinischer Sicht enthält, nicht erstellt. Auch eine Publikation ist nicht erfolgt. Selbst wenn die Auswertung und Veröffentlichung – wie vorgetragen – noch bis Ende diesen Jahres erfolgen würde, kann von einer „angemessenen Frist“ i.S.v. Ziff. 14 der Empfehlungen nicht mehr gesprochen werden. Hieran ändert auch nichts der Vortrag des Unternehmens, die interne Abteilung in Deutschland sei aufgelöst worden, denn die Auswertung durch ein externes Dienstleistungsunternehmen hätte bereits erfolgen können.
Ergebnis
Das Mitgliedsunternehmen hat die geforderte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben.
Das Verfahren ist damit abgeschlossen.
Berlin, im September 2007