§ 20 Abs. 3 Satz 2 des Kodex – Auswahl des Tagungsortes
AZ.: 2006.3-118 (1. Instanz)
Leitsatz
Die Auswahl eines Tagungsortes ist dann nicht allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt, wenn Ärzte und Ärztinnen zu einer Fortbildungsveranstaltung in eine europäische Großstadt eingeladen werden und der Fortbildungsanteil des Tagesprogramms lediglich 4,5 Stunden beträgt und ein gleicher Zeitanteil zur freien Verfügung für die Teilnehmer vorgesehen ist.
Sachverhalt
Ein Mitgliedsunternehmen hatte anlässlich eines internationalen Kongresses nach Barcelona eingeladen. Die Fortbildung begann um 09:00 Uhr morgens bis 15:30 Uhr, wovon 1 Stunde und 45 Minuten für Lunch und Kaffeepausen vorgesehen waren. Die anschließende Zeit bis zum Dinner um 20:00 Uhr stand den Teilnehmern zur freien Verfügung. Von Seiten des Mitgliedsunternehmens wurden keine Aktivitäten während der Freizeit angeboten.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Ob die Auswahl des Tagungsortes allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgte, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Durch die Auswahl des Tagungsortes und den zeitlichen Ablauf der Veranstaltung darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass nicht allein der Fortbildungscharakter der Veranstaltung maßgebend, sondern auch der Freizeitwert des Tagungsortes von Bedeutung ist. Entscheidend ist, ob das Programm derart straff organisiert ist, dass kaum oder nur wenig Freizeit verbleibt. Ferner ist zu berücksichtigen, ob der Freizeitwert des Ortes so bedeutend ist, dass die Teilnehmer geneigt sind, dessen Freizeitmöglichkeiten wahrzunehmen und dafür die Teilnahme an der Tagung zu vernachlässigen.
Vorliegend war der Kodexverstoß darin zu sehen, dass die Veranstaltung die Möglichkeit bot, zwischen 15:30 Uhr und 20:00 Uhr die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erkunden. Eine straffe Agenda im Sinne der Entscheidung des Spruchkörpers 2. Instanz (s. Berichterstattung FS II 7/05/2005.9-89) lag damit nicht vor, denn bei einem Verhältnis von 4,45 Stunden Fortbildung zu in etwa demselben Anteil gewährter Freizeitgestaltung kann von einer straffen Programmorganisation nicht mehr gesprochen werden. Die für Lunch und Kaffeepausen vorgesehenen Zeitanteile sind bei der Prüfung der Frage, ob eine Fortbildungsveranstaltung straff organisiert ist, nicht zu berücksichtigen.
Die Teilnehmer konnten bereits aus der Einladung ersehen, dass sie die Möglichkeit hatten, den Tagungsort während der Fortbildungsveranstaltung durch Eigeninitiative kennen zu lernen. Dies stellt auch dann einen Kodexverstoß dar, wenn die Einladung nicht explizit auf die Freizeitmöglichkeiten des Tagungsortes hinweist oder diese besonders herausstellt, die Agenda jedoch eigene Aktivitäten der Ärzte und Ärztinnen – auch ohne mitwirkende Organisation des Veranstalters – zulässt.
Ergebnis
Das Unternehmen hat die geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unterzeichnet und sich für den Wiederholungsfall zur Zahlung eines Ordnungsgeldes verpflichtet. Das Verfahren ist damit abgeschlossen.
Berlin, im Juli 2006