FS Arzneimittelindustrie e.V.

Dr. Uwe Broch – Geschäftsführer
Daniela von Arnim – Assistentin

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§ 21 Abs. 1 des Kodex – Ermöglichung der Teilnahme an einem Zertifikatslehrgang der IHK

AZ.: 2007.9-193 (1. Instanz)

Leitsätze

1. Wird einer medizinischen Fachkraft im Rahmen einer produktbezogenen Werbung die Teilnahme an einem Zertifikatslehrgang „Praxismanager/in im Gesundheitswesen (IHK)“ bei einer Selbstbeteiligung in Höhe von EUR 200,00 ermöglicht, wobei die übliche Teilnahmegebühr EUR 2.000,00 beträgt, so verstößt die Finanzierung dieser arzneimittelfremden Fortbildungsleistung sowie die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten gegen § 21 Abs. 1 des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex.

2. Ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 des FSA-Kodex liegt auch dann vor, wenn im Rahmen einer produktbezogenen Werbung die Kosten einer medizinischen Fachkraft für die Teilnahme an einem Zertifikatslehrgang der IHK im Rahmen des Mitvertriebs eines verschreibungspflichtigen Medikaments nicht vom Zulassungsinhaber und Vertragspartner der IHK, sondern als Erstattung von Marketingkosten vom Mitvertriebsunternehmen übernommen werden.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen vertreibt gemeinsam mit einem Nichtmitgliedsunternehmen ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Zulassungsinhaber ist das Nichtmitglied. Im Rahmen dieses Mitvertriebs hat sich das Mitgliedsunternehmen gegenüber dem Nichtmitgliedsunternehmen zur Erstattung von Marketingkosten dergestalt verpflichtet, dass beide Vertragspartner zu Beginn des Kalenderjahres ein Marketingbudget aufstellen, das alle Marketingmaßnahmen im laufenden Kalenderjahr umfasst und das vom Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellt wird.

Im Zusammenhang mit der Bewerbung des verschreibungspflichtigen Arzneimittels hat das Mitgliedsunternehmen medizinische Fachkräfte, die in neurologischen Praxen / Krankenhäusern / Ambulanzen mit einer Berufserfahrung von mindestens einem Jahr tätig sind und MS-Patienten bei der Anwendung der Selbstinjektion der erforderlichen Arzneimittel trainieren und betreuen, eingeladen, am Zertifikatslehrgang „Praxismanager/in im Gesundheitswesen (IHK)“ (im Folgenden: Zertifikatslehrgang) und einer Fortbildungsveranstaltung der beiden Unternehmen zum Thema „AKTIV Fortbildung Fachwissen MS und Krankheitsbewältigung“ (im Folgenden AKTIV Fortbildung) teilzunehmen. Nach den vorgelegten Unterlagen ist der Zertifikatslehrgang der einzige IHK-zertifizierte Lehrgang in Deutschland für medizinische Fachkräfte. Lerninhalte des Kurses sind betriebswirtschaftliche Grundlagen, Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement. Auch Themen wie die integrierte Versorgung, Arbeitsrecht oder Personalauswahl stehen auf dem Programm. Ziel ist es, der medizinischen Fachkraft mit praktischen Beispielen Alternativen zum bisherigen Praxisalltag aufzuzeigen.

Nach den vorgelegten Veranstaltungsunterlagen erfolgte die Durchführung des Zertifikatslehrgangs der IHK in vier Blöcken jeweils von Freitag bis Montag im Zeitraum vom 24.08.2007 bis 09.12.2007. Die AKTIV Fortbildung ist für einen Zeitraum vom 11.01.2008 bis einschließlich 13.04.2008 in drei Blöcken jeweils von Freitag bis Sonntag vorgesehen. Im Anschluss an den Zertifikatslehrgang erfolgt eine schriftliche und mündliche Prüfung.

Für die Teilnahme an der gesamten Fortbildung zahlen die Teilnehmer/innen EUR 200,00. Nach Angaben des Mitgliedsunternehmens wurden Reise- und Übernachtungskosten i.H.v. ca. EUR 34,00 pro Person und Fortbildungstag übernommen. Von der IHK wird der Zertifikatslehrgang zu einem Preis von EUR 2.000,00 angeboten.

Die zur Durchführung des Zertifikatslehrgangs erforderlichen finanziellen Mittel wurden durch das Nichtmitglied der IHK bereitgestellt. Das Nichtmitglied ist Vertragspartner der IHK. Für 75 Teilnehmer und 3 Zusatzteilnehmer wurden seitens des Nichtmitglieds an die IHK insgesamt EUR 156.000,00, mithin EUR 2.000,00 pro Teilnehmer, gezahlt. Die Zahlungen durch das Nichtmitglied erfolgten mit Mitteln aus dem vom Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellten Marketingbudget.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Spruchkörper 1. Instanz hat das Mitgliedsunternehmen wegen Verstoß gegen § 21 Abs. 1 des FSA-Kodex abgemahnt.

1. Die Ermöglichung der Teilnahme am Zertifikatslehrgang und der AKTIV Fortbildung gegen Zahlung eines Betrages von EUR 200,00 durch die teilnehmende medizinische Fachkraft, stellt eine Werbegabe i.S.d. § 21 Abs. 1 des FSA-Kodex dar. Der Begriff der Werbegabe ist weit zu verstehen. Werbegaben sind danach alle tatsächlich oder unentgeltlich gewährten geldwerten Vergünstigungen, insbesondere auch Leistungen sowie alle sonstigen Zuwendungen, die akzessorisch oder abstrakt zum Zwecke der Absatzförderung von Heilmitteln werblich eingesetzt werden.

Soweit das Mitgliedsunternehmen medizinischen Fachkräften die Teilnahme am Zertifikatslehrgang gegen Zahlung eines Betrages von EUR 200,00 und der AKTIV Fortbildung ermöglicht hat, liegt darin eine Zuwendung arzneimittelfremder Fortbildungsleistungen an die medizinischen Fachkräfte ohne angemessene Beteiligung an den Kosten des Zertifikatslehrgangs. Den medizinischen Fachkräften werden durch die Teilnahme Kenntnisse im Bereich Praxismanagement, Organisation, betriebswirtschaftliche Grundlagen, Arbeitsrecht, Qualitätsmanagement, Gesundheits- und Sozialwesen, integrierte Versorgung, Präsentationen, Personalwesen, Kommunikation, Praxismarketing und Persönlichkeitsmarketing vermittelt, für die die medizinischen Fachkräfte, würden sie sich diese Kenntnisse am freien Markt verschaffen müssen, Aufwendungen i.H.v. EUR 2.000,00 hätten.

Die Fortbildungsleistungen des Zertifikatslehrgangs haben arzneimittelfremden Charakter. Die Lerninhalte und Ziele des Zertifikatslehrgangs stehen mit der Vermittlung von Informationen über Arzneimittel oder deren sachgerechter Auswahl und Anwendung nicht in einem Zusammenhang, sondern betreffen ärztliche Fragen der Praxisorganisation. Der Zertifikatslehrgang weist keinen direkten Zusammenhang mit dem Mitgliedsunternehmen oder dessen Produkten auf. Die Teilnahme an solchen arzneimittelfremden Fortbildungsveranstaltungen darf nur gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts ermöglicht werden.

Dass die AKTIV Fortbildung einen Zusammenhang mit dem Mitgliedsunternehmen und dessen Produktbereich aufweist und das Mitgliedsunternehmen der medizinischen Fachkraft die Teilnahme am IHK-Zertifikatslehrgang nur in Kombination mit der AKTIV Fortbildung gegen Zahlung eines Betrages von EUR 200,00 ermöglicht hat, ist insoweit nicht von Bedeutung. Nach den vorgelegten Unterlagen handelt es sich ausdrücklich um zwei unterschiedliche Qualifizierungsmaßnahmen.

Die beiden Qualifizierungsmaßnahmen sind nicht als einheitliche Fortbildungsveranstaltung i.S.d. § 20 Abs. 4 des Kodex zu werten.

Die Aufwendungsersparnis in Höhe von EUR 1.800,00 (Kursgebühren EUR 2.000,00 abzüglich Eigenanteil EUR 200,00) ist sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht eine Zuwendung des Mitgliedsunternehmens. Objektiv resultiert die Vergünstigung für die medizinische Fachkraft daraus, dass aus dem von dem Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellten Marketingbudget EUR 2.000,00 an die IHK für die Teilnahme je Fachkraft geleistet wurden. Subjektiv wird aus Sicht der medizinischen Fachkraft die günstige Teilnahme am IHK-Zertifikatslehrgang durch das Mitgliedsunternehmen ermöglicht. Der Außendienst des Mitgliedsunternehmens hatte zur Teilnahme an den kombinierten Qualifizierungsmaßnahmen eingeladen. Die medizinische Fachkraft verdankt insoweit dem Mitgliedsunternehmen die Ersparnis erheblicher Aufwendungen gegenüber den Aufwendungen bei einer Teilnahme am Zertifikatslehrgang der IHK zu den üblichen Konditionen. Die Aufwendungsersparnis von EUR 1.800,00 ist nicht geringwertig i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 2 des FSA-Kodex.

Dass das Mitgliedsunternehmen nicht Zulassungsinhaber des verschreibungspflichtigen Arzneimittels ist und von dem Nichtmitglied lediglich einen Mitvertrieb für das Produkt eingeräumt erhielt, ist vor dem Hintergrund des Vorstehenden ebenso wenig beachtlich wie der Umstand, dass alleiniger Vertragspartner der IHK das Nichtmitglied ist, welches auf Grund der vertraglichen Beziehung zur IHK die Kosten von EUR 2.000,00 je Teilnehmer an die IHK zu zahlen hatte.

2. Das Mitgliedsunternehmen hat weiter gegen § 21 Abs. 1 des Kodex verstoßen, soweit für die am Zertifikatslehrgang teilnehmenden medizinischen Fachkräfte Reise- und Übernachtungskosten von ca. EUR 34,00 pro Person und Fortbildungstag übernommen wurden.

Auch wenn die Zahlungen von dem Nichtmitgliedsunternehmen geleistet wurden, hat die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Zertifikatslehrgang für die teilnehmenden medizinischen Fachkräfte eine Aufwendungsersparnis i.H.v. EUR 34,00 je Fortbildungstag gegenüber einer nicht vom Mitgliedsunternehmen initiierten Teilnahme zur Folge.

Die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten im Zusammenhang mit der arzneimittelfremden Fortbildungsleistung des IHK-Zertifikatslehrgangs ist auf Grund der damit einhergehenden Aufwendungsersparnis der medizinischen Fachkräfte gleichfalls eine geldwerte Vergünstigung und damit eine Werbegabe i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 1 des Kodex.

Ergebnis

Das Mitgliedsunternehmen hat eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gegenüber dem FS Arzneimittelindustrie e.V. abgegeben. Das Verfahren ist damit abgeschlossen.

Berlin, im März 2008