FS Arzneimittelindustrie e.V.

Dr. Uwe Broch – Geschäftsführer
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§ 2 FSA-Kodex Fachkreise – Medizinische Fachangestellte („Arzthelfer/innen“)

AZ.: 2009.10-272 (1. Instanz)

Leitsatz

Medizinische Fachangestellte („Arzthelfer/innen“) gehören nicht zu den „Angehörigen der Fachkreise“ i.S.d § 2 FSA-Kodex Fachkreise, weshalb eine Zusammenarbeit mit ihnen nicht dem Anwendungsbereich des Kodex unterliegt (vgl. § 1 Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise).

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen hatte über seinen Außendienst an „Arzthelfer/innen und sonstiges Praxispersonal“ Klappkarten verteilt. Unter dem Motto „Richtig tippen mit 18 Glückszahlen“ wurden die Adressaten angeregt, insgesamt 18 Pharmazentralnummern der verschiedenen Packungsgrößen von 3 neu eingeführten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln des Unternehmens in die Praxissoftware einzugeben, dies auf einer Karte unter Angabe des Namens mit Praxisstempel und Unterschrift zu bestätigen und diese Karte an den Außendienstmitarbeiter des Unternehmens zurückzugeben. Die Karte berechtigte zur Teilnahme an einer Verlosung von insgesamt 1.000 Gutscheinen zum Einkauf bei einer Drogeriekette im Wert von jeweils 10,00 €.

Mit dieser Aktion verknüpfte das Unternehmen das Ziel, die Aufnahme ihrer neu eingeführten Arzneimittel ggf. zu beschleunigen, da die Praxissoftware der unterschiedlichen Anbieter, die diese neu eingeführten Präparate enthielt, erst mit einer gewissen Verzögerung zur Verfügung stand.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Adressaten der Auslobungsaktion des Unternehmens gehören nicht zu den „Angehörigen der Fachkreise“ i.S.d. § 2 FSA-Kodex Fachkreise, womit die Anwendung des FSA-Kodex Fachkreise entfällt (vgl. § 1 Abs. 2 des Kodex).
Die Definition des § 2 Fachkreise-Kodex ist zwar nicht wortlautidentisch mit der des § 2 HWG, entspricht diesem jedoch inhaltlich (so auch Dieners, Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit Ärzten, 2. A., Kap. 9 Rdnr. 47). Der in beiden Definitionen verwendete Begriff der Angehörigen der „Heilberufe“ wird in einem weiten Sinne verstanden und umfasst nicht nur die Berufsangehörigen, deren Tätigkeit die Ausübung der Heilkunde unmittelbar zum Gegenstand hat und somit der Approbation bedarf, sondern auch die sogenannten Heil-Hilfsberufe wie Krankenpfleger/Krankenschwestern, Krankengymnasten und medizinisch-technischen Assistenten (s. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. A., Rdnr. 6 zu § 2; Bülow/Ring, Heilmittel­werbegesetz, 3. A., Rdnr. 6 zu § 2).
Einigkeit besteht darin, dass Berufe, deren Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich der Büro-/Praxisorganisation bzw. Gesundheitsverwaltung liegt, wie bei medizinisch-kaufmännischen Arztsekretärinnen, nicht den Heilberufen, auch nicht dem weiten Begriff der Heil-Hilfsberufe zuzuordnen sind, da ihre Tätigkeit keinen unmittelbaren oder assistierenden Dienst an der Gesundheit des Menschen darstellt (vgl. Doepner aaO. Rdnr. 6 zu § 2; Bülow/Ring aaO. Rdnr. 8 zu § 2).
Adressaten der Unternehmensaktion sind zum einen „Arzthelfer/innen“, wobei dieser Begriff vom Unternehmen umgangssprachlich verwandt wird. Berufsrechtlich ist diese Bezeichnung jedoch seit Inkrafttreten der Verordnung über die Berufsausbildung zum /zur Medizinischen Fachangestellten vom 26.04.2006 (BGBl. I Nr. 22 vom 05.05.2006, S. 1097) überholt, weshalb im Folgenden ausschließlich der Begriff des/der Medizinischen Fachangestellten („MFA“) verwandt wird. Das Berufsbild der MFA ist geprägt durch die beiden Ausbildungsschwerpunkte in den Bereichen Behandlungs­assistenz und Betriebsorganisation bzw. –verwaltung. Während man im Hinblick auf die Ausbildung der MFA zu Recht von zwei „gleichgewichtigen Standbeinen“ sprechen kann (vgl. Rosemarie Bristrup, in „Medizinische Fachangestellte: Umstellung in den Arztpraxen“, www.bundesaerztekammer.de), mag die Gewichtung innerhalb der praktischen Berufsausübung der MFA in den Arztpraxen unterschiedlich sein. Das Assistieren bei medizinischen Untersuchungen und Behandlungen mag häufiger zugunsten der büro- und verwaltungstechnischen Tätigkeiten zurücktreten. Der umgekehrte Fall, das Überwiegen der Behandlungsassistenz, mag seltener sein.
Entsprechend dem Tätigkeitsmerkmal „Behandlungsassistenz“ sieht der Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung der MFA (s. Anlage 1 zu § 5 der Verordnung über die Berufsausbildung … s. Bundesgesetzblatt I Nr. 22 vom 05.05.2006, aaO) verschiedene Ausbildungsabschnitte im Hinblick auf assistierende Tätigkeiten bei der ärztlichen Diagnostik und Therapie vor. Dieses Ausbildungs- und Tätigkeitsmerkmal rechtfertigt es jedoch nicht, die MFA auf eine Stufe mit Krankenpflegern/Krankenschwestern (berufsrechtlich: „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“) zu stellen und somit den Heilberufen im weitesten Sinne („Heilhilfsberufe“, s. Doepner aaO. und Bülow/ Ring aaO.) zuzuordnen. Die Ausbildungsgegenstände im Bereich „Behandlungsassistenz“ der MFA beziehen sich auf dokumentierende, vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten bei ärztlicher Diagnostik und Therapie. Im Unterschied dazu gehört zur Ausbildung und zum Tätigkeitsbild des/der Gesundheits- und Krankenpflegers/in auch die – durch die ärztliche Therapiehoheit begrenzte – eigenständige Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen und damit auch eine begrenzte Selbstständigkeit der Tätigkeit im Rahmen von medizinischer Diagnostik, Therapie und Rehabilitation (vgl. § 3 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege vom 16.07.2003, BGBl. I S. 1990 sowie Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege vom 10.11.2003, BGBl. I S. 2263).
Das Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Berufsbild des/der MFA und des/der Gesundheits- und Krankenpflegers/in liegt in der größeren Selbstständigkeit der Mitwirkungsbefugnis im Rahmen der ärztlichen Diagnostik und Therapie, die den Aufgaben des/der Gesundheits- und Krankenpflegers/in gegenüber denen der MFA zukommt. Wegen ihres, wenn auch begrenzten, Entscheidungsspielraums bei der Krankenpflege können die Gesundheits- und Krankenpfleger/innen auch Adressaten von Maßnahmen sein, die nach der Wertung des 3. oder 4. Abschnitts des FSA-Kodex Fachkreise untersagt sind. Hingegen erfordert auch eine Interpretation nach Sinn und Zweck der Vorschriften des FSA-Kodex Fachkreise keine Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs auf den Personenkreis der Medizinischen Fachangestellten, die, abgesehen von ihren büro- und verwaltungstechnischen Aufgaben, im Rahmen der Behandlungsassistenz ohne Entscheidungsspielraum tätig sind.
Die MFA sind auch nicht den „anderen Personen“ i.S.d. § 2 Fachkreise-Kodex zuzuordnen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Humanarzneimittel anwenden. Auch für das Merkmal „Anwenden“, das neben dem „Verschreiben“ aufgezählt wird, bedarf es einer Auswahl- bzw. Entscheidungsbefugnis. Es ist der Zweck der Vorschriften des 3. und 4. Abschnitts des Fachkreise-Kodex, bestimmte Formen der Einfluss­nahme auf derartige Verschreibungs-/ und Anwendungsentscheidungen auszuschließen.
Den MFA kommt eine derartige Entscheidungsbefugnis im Rahmen der „Anwendung“ von Arzneimitteln nicht zu. Ihre Tätigkeit beschränkt sich allenfalls auf Mitwirkung/Assistenz bei der medikamentösen Therapie, auf bürotechnische Vorbereitung und Abwicklung der Verordnung von Arzneimitteln.
Mit dem durch die Auslobungsaktion außerdem adressierten Personenkreis des „sonstigen Praxispersonals“ will das Unternehmen jene Personen verstanden wissen, die in der Arztpraxis reine Büro- und Verwaltungstätigkeiten ausführen. Dieser Personenkreis entspräche dem Berufsbild der „Kaufmännischen Arztsekretärin“. In der Praxis der Arbeitswelt kann eine solche Tätigkeit durch unterschiedlich ausgebildete Personen ausgeübt werden, neben MFA auch durch eine Kauffrau / einen Kaufmann für Bürokommunikation („KFB“). Der hiermit adressierte erweiterte Personenkreis gehört eindeutig ebenfalls nicht zu den „Angehörigen der Fachkreise“, da er ausschließlich verwaltend und kaufmännisch tätig ist (vgl. Doepner aaO., Bülow/Ring aaO.).

Ergebnis

Das Beanstandungsverfahren wurde eingestellt.
Berlin, im März 2010