§ 12 Abs. 1 FSA-Kodex Patientenorganisationen (Fassung vom 13.06.2008) – Verwendung des Logos einer Patientenorganisation im Rahmen einer von einem Unternehmen getragenen Aufklärungskampagne zu Krebserkrankung
AZ.: 2010.9-292 (1. Instanz)
Leitsatz
- Aus der systematischen Stellung des § 12 Abs. 1 im 3. Abschnitt des FSA-Kodex Patientenorganisationen folgt, dass die Verwendung des Logos einer Patientenorganisation durch ein Unternehmen im Rahmen einer Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 3 FSA-Kodex Patientenorganisationen erfolgen muss.
- Eine „Zusammenarbeit“ gemäß § 2 Abs. 3 FSA-Kodex Patientenorganisationen liegt auch dann vor, wenn einer Patientenorganisation im Rahmen einer vom Unternehmen getragenen Informationsveranstaltung über eine Erkrankung die Möglichkeit der Selbstdarstellung eingeräumt wird.
Sachverhalt
Ein Unternehmen (FSA-Mitglied) ist finanzieller Träger einer Informationskampagne zum Bauchspeicheldrüsenkrebs (nachfolgend „Kampagne“), die sich an Patienten, deren Angehörige und sonstige interessierte Laien wendet. Mit einem Internetauftritt und öffentlichen Veranstaltungen wird über Diagnose, Behandlung, soziale und familiäre Auswirkungen und allgemeinen Umgang mit der Erkrankung informiert. Der Internetauftritt enthält eine Vielzahl von Informationen, darunter auch über medikamentöse Therapien, und weiteres Informationsmaterial wie Filme und Broschüren zum Herunterladen. Die öffentlichen Veranstaltungen werden durch eine ehemalige Fernsehsprecherin moderiert, wobei zu den jeweils behandelten Themen diverse Fachärzte als Referenten oder Interviewpartner Stellung nehmen. Im Internetauftritt, in Einladungen zu den Veranstaltungen und auf diesen selbst wurde zunächst (nur) auf die „freundliche Unterstützung“ durch das Unternehmen verwiesen. Im Impressum des Internetauftritts und auf den Einladungen zur Veranstaltung fungierte eine vom Unternehmen beauftragte PR-Agentur als Durchführende und Verantwortliche. Inzwischen tritt das Unternehmen selbst als Veranstalter und Verantwortlicher auf. Das Unternehmen finanziert die Kampagne überwiegend und nimmt darüber hinaus organisatorisch und inhaltlich Einfluss, indem es medizinische Experten anspricht, die als Referenten bzw. Interviewpartner in Betracht kommen, den Interviewleitfaden für die Moderatorin erstellt und sich die Endfreigabe zu Texten im Internetauftritt, welche die Therapie der Erkrankung betreffen, vorbehält.
Eine Patientenorganisation, die auf dem Gebiet der Krebserkrankung tätig ist, erhält bei den öffentlichen Veranstaltungen Gelegenheit zur Selbstdarstellung durch einen Ausstellungsstand bzw. durch ein kurzes Interview über ihre Aufgaben und Tätigkeiten im Rahmen der Veranstaltung selbst. Auf den Einladungen zu der Veranstaltung ist der Name und das Logo der Patientenorganisation mit dem Zusatz „In Kooperation mit …“ aufgedruckt. Auch im Internetauftritt erfolgt ein Hinweis auf die Patientenorganisation unter der Rubrik „Partner – In Kooperation mit …“, verbunden mit einem Link, der auf das Logo und die Homepage der Organisation führt.
Weder die vom Unternehmen beauftragte Agentur noch das Unternehmen selbst haben einen schriftlichen Vertrag über eine Zusammenarbeit bzw. Verwendung des Logos mit der Patientenorganisation vorgelegt.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Unternehmen hat im Rahmen der Zusammenarbeit mit einer Organisation der Patientenselbsthilfe im Sinne des § 2 Abs. 1 FSA-Kodex Patientenorganisationen („PORG“) bei der Kampagne gegen § 12 Abs. 1 FSA-Kodex PORG verstoßen, weil es das Logo der Organisation verwendet hat, ohne darüber einen schriftlichen Vertrag mit dieser zu schließen. Die Notwendigkeit einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und der Organisation nach § 11 FSA-Kodex PORG ergab sich nicht, weil der Patientenorganisation weder finanzielle noch nicht finanzielle noch indirekte Zuwendungen gewährt wurden.
Auch wenn die Kampagne nach außen von der PR-Agentur vertreten und das Unternehmen bei den Veranstaltungen und im Internetauftritt zum Zeitpunkt der Beanstandung (nur) als „Unterstützer“ erwähnt wurde, ist das Unternehmen dennoch im Sinne des § 3 Abs. 1 FSA-Kodex PORG als Verantwortlicher und damit auch als „Verwender“ des Logos der Patientenorganisation im Sinne des § 12 Abs. 1 FSA-Kodex PORG anzusehen. Das Unternehmen hat die PR-Agentur mit Planung und Durchführung der Veranstaltungen beauftragt, diese und den Internetauftritt überwiegend finanziert und auch sonst durch Ansprache und Auswahl medizinischer Experten und durch die Abfassung des Interviewleitfadens für die Veranstaltungen und den Vorbehalt der Textfreigabe im Internet wesentlichen Einfluss ausgeübt. Handlungen oder Unterlassungen der PR-Agentur mit Bezug auf Verpflichtungen nach dem FSA-Kodex PORG sind dem Unternehmen daher nach § 3 Abs.1 FSA-Kodex PORG zuzuordnen, somit auch das Unterlassen der PR-Agentur, mit der Organisation der Patientenselbsthilfe einen schriftlichen Vertrag über die Verwendung des Logos abzuschließen.
Aus der systematischen Stellung des § 12 im 3. Abschnitt des FSA-Kodex PORG ergibt sich, dass die durch einen schriftlichen Vertrag abzusichernde Verwendung des Logos im Rahmen einer „Zusammenarbeit“ zwischen Unternehmen und Patientenorganisation erfolgen muss. Das Schriftform-Erfordernis ist Ausdruck des Unabhängigkeits- und Trennungsprinzips (vgl. §§ 6, 7 FSA-Kodex PORG), das im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Patientenorganisation gewahrt werden muss (s. Dieners, Handbuch Compliance im Gesundheitswesen, 3. A., Kap. 12 Rnr. 106). Dabei ist der Begriff „Zusammenarbeit“ im Sinne des § 2 Abs. 3 FSA-Kodex PORG weit auszulegen. Er umfasst jegliches Zusammenwirken im Rahmen einer bestimmten Zielsetzung, ohne dass es auf Inhalte und Intensität dieser Kooperation weiter ankäme (s. Dieners aaO. Kap. 12, Rnr. 50).
Ein derartiges „gemeinsames Zusammenwirken“ (s. Dieners aaO. Kap. 12 Rnr. 50) lag hier vor, wie sich bereits aus der beabsichtigten Außenwirkung des Kooperationshinweises auf Einladungen zu den Informationsveranstaltungen und im Internetauftritt ergab. Die vom Unternehmen geförderte Kampagne konnte durch den ermöglichten Auftritt der Patientenorganisation bei deren Mitgliedern und bei anderen Patienten und deren Angehörigen an Ansehen gewinnen, die Patientenorganisation konnte ihr Renommee auf ihrem Tätigkeitgebiet durch die Ermöglichung der Präsentation bei einer professionell durchgeführten Kampagne steigern. Insofern war der Argumentation des Unternehmens nicht zu folgen, eine Zusammenarbeit im Sinne eines „Zusammenwirkens“ sei deshalb nicht gegeben, weil der Organisation durch das Unternehmen (lediglich) einseitig Präsentationsmöglichkeiten im Rahmen der Veranstaltungen eingeräumt würden. Gleichermaßen nicht überzeugend war der Einwand des Unternehmens, die Ermöglichung des Auftritts der Patientenorganisation und die Anbringung des Logos auf den Einladungsschreiben diene ausschließlich der Verfolgung der kommunikativen Zwecke dieser Organisation.
Im Übrigen ergab die Prüfung des Sachverhalts keine Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen der Behandlungshinweise für die Krebserkrankung produktspezifische Absatzwerbung betrieben bzw. gegen das Publikumswerbeverbot nach § 10 HWG verstoßen wurde, weshalb ein Verstoß gegen § 12 Abs.1 Satz 2 FSA-Kodex PORG ausschied.
Ergebnis
Nach Abmahnung durch den FSA hat das Unternehmen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Berlin, im April 2011