FS Arzneimittelindustrie e.V.

Dr. Uwe Broch – Geschäftsführer
Daniela von Arnim – Assistentin

Grolmanstr. 44-45
10623 Berlin

d.arnim@fsa-pharma.de
Tel.: 030 88728-1700
Fax: 030 88728-1705

 

Leitlinie 14.4 gem. § 6 Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise i. V. m. § 22 Abs. 2 zur Auslegung des Begriffs „angemessen“ (§ 22 Abs. 1 Satz 1)

AZ.: 2014.10-439 – 441 (1. Instanz)

Leitsätze

  1. Die Aufzählung von Speisen und Getränken in der Leitlinie 14.4 ist nur beispielhaft, aber nicht abschließend; auch andere Speisen und Getränke können zulässig sein.
  2. Bei der Bewirtung aus Anlass von Fachgesprächen, die neben dem Fachprogramm des Kongresses bzw. in den Pausen stattfinden, ist der Maßstab, an dem sich die Zulässigkeit bestimmter Speisen und Getränke bemisst, der Rahmen, der üblicherweise bei kürzeren Besprechungen geschäftlicher Art praktiziert wird.

Sachverhalt

In der Zeit vom 1.-4. Oktober 2014 fand in Düsseldorf der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) statt, bei dem zahlreiche pharmazeutische Unternehmen Kongressstände unterhielten, u.a. drei Mitgliedsfirmen. An diesen Ständen konnten die Kongressteilnehmer Fachgespräche mit den ausstellenden Firmen führen. Die Firmen boten dazu eine Bewirtung an.

Beim FSA ging dazu eine anonyme Beanstandung ein, mit der der Umfang der Bewirtung gerügt wurde. Unter Bezugnahme auf eine Reihe von Fotos vertrat der Beanstandende die Auffassung, dass die auf den Bildern gezeigten Kaffeemaschinen über das noch zulässige Maß hinausgingen.

Die Schiedsstelle hat die Unternehmen angehört und Informationen zu Art und Umfang der abgegebenen Getränke und Speisen sowie zu den dabei von den Caterern abgerechneten Kosten angefordert.

Die Unternehmen haben diese Informationen detailliert zur Verfügung gestellt. Daraus ergab sich, dass das Angebot an den Ständen diverse Kaffeespezialitäten wie Kaffee, Cappuccino, Café Latte, Espresso, die auf professionellen Geräten (Barista, FAEMA usw.) am Stand frisch zubereitet wurden, und nicht-alkoholische Getränke wie Softdrinks, Wasser sowie schließlich alkoholfreies Weizenbier umfasste.

Dazu wurden Kleingebäck, Kompott, Handobst, Nüsse, kleine Joghurts, Laugenbrezeln, „Nürnberger Semmeln“ (Bratwurst mit Brötchen), Chicken Wings, Mini-Blätterteigtaschen mit Käse oder Schinken, Yakitori-Spieße, Mini-Frühlingsrollen, Chillipopper, Käsewürfel, kleine Schweineschnitzel, Mini-Bifteki mit Fetafüllung, Mini-Pizza, Geflügelspieße, Mini-Flammkuchen, Blechkuchen, Waffeln u.ä. gereicht.

Die gegenüber den Mitgliedsfirmen berechneten Kosten lagen bei den Kaffeespezialitäten bei bis zu 1,00 EUR, bei den Speisen bei bis zu 4,00 EUR. Hinzukamen die Personalkosten der Caterer und die Gerätemieten.

Insgesamt besuchten den Kongress 7.000 bis 8.000 Teilnehmer. An den Kongressständen der Mitgliedsfirmen wurden jeweils Gespräche mit mind. 700 Teilnehmern dokumentiert.

Die Unternehmen halten die Bewirtung für angemessen und verweisen insoweit auf die Leitlinie 14.4. gem. § 6 Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 2 zur Auslegung des Begriffs „angemessen“ (§ 22 Abs. 1 Satz 1):

Eine Bewirtung an Kongressständen ist dann zulässig und angemessen, wenn diese den allgemein anerkannten Regeln der Höflichkeit entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn etwa Kaffee, Tee und nicht alkoholische Getränke sowie belegte Brote/Brötchen, Kleingebäck oder Süßwaren angeboten werden. Unangemessen dagegen sind Bewirtungen, die einer vollwertigen Hauptmahlzeit entsprechen.

Sie sind der Ansicht, dass die Aufzählung in der Leitlinie nicht abschließend sei. Eine Beschränkung auf z.B. Filterkaffee sei heute nicht zeitgemäß und der Leitlinie nicht zu entnehmen. Ein Unternehmen verweist insoweit auf den Rahmen, den die Schiedsstelle im Zusammenhang mit Arbeitsessen beschrieben hat (Az. 2013.10-363, 2010.10-293).

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Schiedsstelle teilt die Auffassung der Mitgliedsunternehmen, dass die Aufzählung von Speisen und Getränken in der zitierten Leitlinie nur beispielhaft, aber nicht abschließend ist; auch andere Speisen und Getränke können zulässig sein, soweit dies den allgemein anerkannten Regeln der Höflichkeit entspricht.

Dabei ist von Bedeutung, aus welchem Anlass dieses Angebot erfolgt. Wenn, wie hier, lediglich eine Bewirtung aus Anlass von Fachgesprächen erfolgt, die neben dem Fachprogramm des Kongresses bzw. in den Pausen stattfinden, ist der Maßstab, an dem sich die Zulässigkeit bestimmter Speisen und Getränken bemisst, enger als bei Arbeitsessen, wie sie in den Verfahren zu 2013.10-363, 2010.10-293 bewertet wurden. Die hier zulässige Bewirtung orientiert sich an dem Rahmen, der üblicherweise bei kürzeren Besprechungen aus geschäftlichem Anlass praktiziert wird.

Die Schiedsstelle teilt auch die Auffassung der Mitgliedsunternehmen, dass eine Beschränkung von „Kaffee“ auf Filterkaffee in Thermoskannen heute nicht mehr angemessen ist; bei einer Vielzahl vergleichbarer Veranstaltungen ist die Abgabe von frisch zubereitetem Café Latte, Espresso, Cappuccino nicht unüblich. Infolgedessen hält sich das Angebot von Kaffee, Cappuccino, Café Latte, Espresso, auch wenn diese Getränke auf professionellen Geräten (Barista, FAEMA usw.) am Stand frisch zubereitet werden, nach Auffassung der Schiedsstelle noch im angemessenen Rahmen. Dies gilt jedoch nicht für das Angebot von Bier, auch wenn es sich um alkoholfreie Getränke handelt.

Die Schiedsstelle beurteilt die Abgabe der hier angebotenen Speisen unterschiedlich. Kleingebäck, Handobst, Nüsse, kleine Laugenbrezeln oder Käsewürfel hält die Schiedsstelle für unproblematisch. Angebot und Abgabe von Blechkuchen, Waffeln, „Nürnberger Semmeln“ (Bratwurst mit Brötchen), Chicken Wings, Mini-Blätterteigtaschen mit Käse oder Schinken, Yakitori-Spieße, Mini-Frühlingsrollen, Chillipopper, kleine Schweineschnitzel, Mini-Bifteki mit Fetafüllung, Mini-Pizza, Geflügelspieße, Mini-Flammkuchen sieht die Schiedsstelle kritisch. Zwar mag der Wert dieser Artikel, insbesondere wenn es sich um eher kleine Portionen handelt, im Einzelfall noch gering sein, sie überschreiten ihrer Art nach aber deutlich jene Bewirtung, die üblicherweise bei Besprechungen kürzerer Art angeboten wird.

Die Klarstellung in der Leitlinie, der zufolge „unangemessene Bewirtungen [sind], die einer vollwertigen Hauptmahlzeit entsprechen“, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass jede Bewirtung, die dieses Maß unterschreitet, deshalb als zulässig und angemessen betrachtet werden kann. Vielmehr ist der Maßstab der Sozialadäquanz entscheidend, der – zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – keine Bewirtung durch Chicken Wings, Mini-Blätterteigtaschen, Yakitori-Spieße, Mini-Frühlingsrollen, Chillipopper, kleine Schweineschnitzel, „Nürnberger Semmeln“ u.ä. beinhaltet. In diesem Zusammenhang sei im Übrigen daran erinnert, dass auch bei firmeninternen Besprechungen das Angebot an Speisen bei der Bewirtung in den letzten Jahren häufig reduziert und nicht erweitert wurde; entsprechend beeinflusst dies den hier relevanten Maßstab.

Daraus folgt, dass ein Teil der hier angebotenen Artikel aus Sicht der Schiedsstelle den durch die Leitlinie vorgegebenen Rahmen überschreitet.

Ergebnis

Die Schiedsstelle hat die Verfahren eingestellt. In einem Fall hielt sich das vom Mitgliedsunternehmen angebotene Sortiment an Speisen und Getränken in dem o.g. Rahmen.

Bei zwei weiteren Unternehmen wurde dieser Rahmen überschritten; gleichwohl war in diesen Fällen das Verschulden der Mitgliedsunternehmen ausnahmsweise zu verneinen. Art und Umfang der „angemessenen Bewirtung“ war nach Erlass der o.g. Leitlinie von den Unternehmen sehr kontrovers interpretiert worden und Gegenstand zahlreicher Anfragen beim FSA und auf seinen Veranstaltungen. Daher kann – wie in den Verfahren zu FS II 1/14/2013.2-346; FS II 2/14/2013.2-349; FS II 3/14/2013.2-352 vom 30. Juni 2014 festgestellt wurde – zugunsten der Mitgliedsunternehmen ausnahmsweise eine noch ungeklärte Rechtslage bejaht werden, die verschiedene Möglichkeiten der Interpretation erlaubte. Wenn sich ein Mitgliedsunternehmen für eine der möglichen Auslegungen entscheidet, die von der Schiedsstelle im Streitfall nicht bestätigt wird, kann dies ausnahmsweise – wie hier – als Verbotsirrtum bewertet werden, der das Verschulden ausschließt.

Berlin, im Januar 2015