§ 21 FSA-Kodex Fachkreise – Ermöglichung eines preisgünstigen Einkaufs von Einmalartikeln (Medizinprodukten) durch Ärzte aufgrund einer Vereinbarung des Unternehmens mit dem Anbieter über Absatzmengen
AZ.: Az.: 2012.2-320 (1. Instanz)
Leitsatz
Ein Geschenk an Ärzte liegt nicht vor, wenn ein Unternehmen einem Hersteller von Medizinprodukten eine Gesamtabnahmemenge von Produkten, die Ärzte bei diesem Hersteller beziehen, für einen bestimmten Zeitraum in der Weise zusichert, dass es einen am Ende des Zeitraums durch Bestellungen der Ärzte beim Hersteller eventuell nicht verbrauchten Rest der Gesamtmenge zum vereinbarten Abgabepreis übernimmt, mit der Folge, dass die Ärzte die Produkte zu einem reduzierten Preis erwerben können.
Sachverhalt
Das Mitgliedsunternehmen verteilte ab Oktober 2011 über seinen Außendienst in Lungenarztpraxen Verkaufsprospekte eines Medizinprodukte-Herstellers, in denen im Rahmen einer Sonderaktion Einmalartikel zur Verwendung pro Patient in der Spirometrie (Messung der Lungenfunktion) angeboten wurden. Dabei handelte es sich um Bakterien- und Virenfilter („Filter“), jeweils einzeln oder in Kombinationspackungen mit Plastikmundstücken und Nasenklemmen. Durch die Verwendung der Filter soll der Infektionsschutz erhöht und der Desinfektionsaufwand für die Messgeräte verringert werden. Die Filter wurden bei einer Mindestabnahmemenge von 100 Stück zum Preis von 0,46 € o. MwSt. pro Stück zuzüglich Versandkosten angeboten.
Hintergrund der Aktion war eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem Anbieter der Filter, wonach das Unternehmen für jeweils 2 Jahres–Zeiträume (November bis Ende Oktober 2011/12 und 2012/13) die Abnahme einer Gesamtmenge von 225.000 Filtern zum o.g. Preis zusicherte. Alle mit in diesen Zeiträumen von Ärzten oder vom Unternehmen für dessen Eigenbedarf (z.B. als geringwertige Artikel zur kostenlosen Abgabe an Fachkreisangehörige) beim Anbieter bestellten Filter werden auf die Gesamtmenge angerechnet. Restbestände der Gesamtmenge aus dem Zeitraum 2011/12 werden auf den Folgezeitraum vorgetragen. Das Unternehmen verpflichtete sich, einen am 31.10.2013 etwa noch vorhandenen Restbestand der Gesamtmenge zum vereinbarten Stückpreis zu übernehmen. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgen ausschließlich durch den Anbieter, bei dem die Ärzte mit einem den Prospekten beigefügten Telefax-Formular die Filter bestellen konnten. Nach Angaben des Unternehmens waren bis Mitte März 2012 bereits ca. 78% der für den Zeitraum bis 31.10.2012 vereinbarten Abnahmemenge von den Ärzten bestellt worden.
Die Marktpreise für Bakterien- und Virenfilter weisen eine große Spannbreite auf. Die Angebotssituation ist durch preisgünstige „Sonderaktionen“ gekennzeichnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Preise von Mindestbestellmengen abhängen und Versandkosten teilweise inbegriffen, teilweise hinzuzurechnen sind. Die Preise zweier marktführender Anbieter bewegen sich bei Mindestabnahme von 6.000 Stück von 0,88 € bis zu 0,57 € pro Stück. Lungenarztpraxen haben je nach Größe einen potentiellen Bedarf von ca. 6.000 – 20.000 Stück pro Jahr. Das ermittelte preisgünstigste Vergleichsangebot eines Dritten von 0,57 € pro Stück ist versandkostenfrei bei einer Mindestabnahme von 6.000 Stück. Ein außerhalb der vorliegenden Sonderaktion abgegebenes Angebot des Medizinprodukte-Herstellers zum Stückpreis von 0.57 € incl. Versandkosten lag dem Spruchkörper 1. Instanz vor.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Unternehmen hat durch seine Vereinbarung mit dem Medizinprodukte-Hersteller und die dadurch den Ärzten eröffnete und ihnen gegenüber propagierte Möglichkeit, preisgünstige Filter des Herstellers zu beziehen, nicht gegen § 21 FSA-Kodex Fachkreise verstoßen.
Ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise i.V.m. § 7 HWG kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil das Verteilen der Prospekte über die Filter und Zusatzartikel nicht im Rahmen einer produktbezogenen Werbung für Arzneimittel des Unternehmens erfolgte. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Außendienst des Unternehmens die Verkaufsunterlagen des Herstellers lediglich verteilt, ohne diese Aktion mit Werbung für sein eigenes Arzneimittelangebot zu verbinden oder gar den preisgünstigen Bezug der Filter an den Bezug oder die Verordnung von Arzneimitteln des Unternehmens zu knüpfen. Das Unternehmen hat sich mit seinem Hinweis auf die preisgünstige Bezugsmöglichkeit von Medizinprodukten eines Dritten den Lungenärzten im Rahmen einer typischen Imagewerbung präsentiert.
Darüber hinaus ist auch ein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise nicht gegeben.
Nach dieser Vorschrift dürfen an Angehörige der Fachkreise Geschenke auch außerhalb einer produktbezogenen Werbung, also auch im Rahmen einer Imagewerbung, nicht abgegeben werden, es sei denn zu besonderen personenbezogenen Anlässen und in den genannten Wertgrenzen. Unter „Geschenk“ i.S.d. § 21 Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise ist, ebenso wie unter dem Begriff der „Werbegabe“ i.S.d. § 7 HWG, jede tatsächlich oder vorgeblich unentgeltlich gewährte geldwerte Vergünstigung zu verstehen (grundlegend s. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. A. Rn. 22 zu § 7; auch Dieners, Handbuch Compliance im Gesundheitswesen, 3. A. Kap. 11 Rnrn. 292 u. 305). Ärzte, die das Angebot der Sonderaktion annehmen, beziehen die Filter nicht unentgeltlich, jedoch zu einem Preis, der um ca. 19% niedriger liegt als der Stückpreis des ermittelten günstigsten Konkurrenzangebots (0,46 € vs. 0,57 €), wobei sich allerdings die Differenz dadurch verringert, dass im Gegensatz zum Konkurrenzangebot Versandkosten hinzukommen. Wenn auch ein Marktpreis für Filter wegen der festgestellten Preisbewegungen schwer zu bestimmen ist, bleibt festzuhalten, dass die Ärzte Filter zu einem Preis kaufen können, den sie allein aufgrund ihres individuellen Nachfragepotentials nicht erzielen könnten, ein Preis, der durch die Vereinbarung einer garantierten Absatzmenge zwischen dem Unternehmen und dem Anbieter ermöglicht wird.
Eine „geldwerte Vergünstigung“ kann auch dann vorliegen, wenn das vom Begünstigten verlangte Entgelt in einem derart krassen Missverhältnis zum Marktwert der Ware oder Dienstleistung steht, dass es nur als Scheinentgelt angesehen werden kann und dieser Charakter für den Abnehmer offenbar wird (Doepner a.a.O., Rn. 25 zu § 7; Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG , § 7 Rn. 17; OLG Nürnberg, WRP 2009, S. 106). Dies trifft jedoch hier nicht zu. Den Ärzten mag bewusst sein, dass sie einen vergleichsweise „günstigen“ Kaufpreis zahlen. Sie mögen vermuten, dass das Unternehmen am Zustandekommen dieser Sonderaktion mitgewirkt hat. Der Kaufpreis von 0,46 € pro Stück kann jedoch nicht als rein symbolisch und der Preisvorteil auch nicht als „Geschenk“ des Unternehmens empfunden werden.
Ein solches „Geschenk“ liegt auch objektiv nicht vor. Das Unternehmen „subventioniert“ den Kaufpreis nicht etwa durch direkte Zahlungen an den Anbieter, die eventuell als indirekte Zuwendungen an die Ärzte angesehen werden könnten, sondern tritt gleichsam als Vermittler einer gebündelten Nachfrage der Ärzte auf. Im Ergebnis können die Ärzte auch individuell Filter zu einem Preis beziehen, der einer kollektiv vereinbarten Gesamtabsatzmenge entspricht. Sie genießen damit die Vorzugskonditionen eines „Großeinkaufs“. Die „Mengenabsatzgarantie“ für den Anbieter ist keine „Subvention“, sondern eine Zusage des Unternehmens zum Kauf einer eventuell am Ende des Bestellzeitraums vorhandenen Restmenge von Filtern zur Deckung seines Eigenbedarfs. Die Situation wäre nicht anders zu beurteilen, wenn das Unternehmen die Gesamtmenge gekauft und selbst zum Einkaufspreis an die Ärzte verkauft hätte. Ein „Geschenk“ i.S.d. § 21 Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise, etwa in Höhe einer Differenz zum nächst günstigen Preis, ist in beiden Fällen nicht zu sehen.
Ergebnis
Da sich die Beanstandung als unbegründet erwies, wurde das Verfahren eingestellt.
Berlin, im Dezember 2012