Kodex § 23 Abs. 2 – Angemessene Vergütung für Preisausschreiben
AZ.: FS II 1/05/2004.9-26; FS II 2/05/2004.10-28 (2. Instanz)
Leitsätze
1. Bei Preisausschreiben hat der ausgelobte Preis – und nicht die Gewinnchance des einzelnen Teilnehmers – in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des einzelnen Teilnehmers zu stehen.
2. Der Gewinn bei einem Preisausschreiben darf die übliche Vergütung der erbrachten fachlichen Leistung um den fünffachen Wert der in der GOÄ genannten Gebührensätze übersteigen.
3. Wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 erfüllt sind, ist ein Gewinn bis zu € 30,00 als „angemessenes Verhältnis“ im Sinne der Vorschrift immer gegeben.
Eine analoge Anwendung der Zuwendungsgrenzen der § 21 Abs. 2 des Kodex und § 33. Abs.3 MBO-Ä scheiden für Preisausschreiben aus.
Sachverhalt
Ein Unternehmen führte eine Sommeraktion „Urlaubsgrüße á la Card“ durch. Die Aktion bestand aus zwei Stufen.
In der ersten Stufe sollten Ärzte auf die Frage „Was ist Ihnen am Wichtigsten?“ zu vier vorformulierten Vorteilen Stellung nehmen, nämlich mit 1 (am wichtigsten) bis 4 bewerten. An der Befragung nahmen 11.500 Ärzte teil, was 38 % der Zielgruppe entsprach. Unter den Teilnehmern wurden 8.624 Telefonkarten im Wert von 10,00 € verlost, die mit einer Werbekarte für die zweite Stufe der Sommeraktion übergeben wurden.
Für die 2. Stufe der Sommeraktion ging die Firma von einer Teilnehmerzahl von 2.500 Ärzten aus. Tatsächlich nahmen 863 Ärzte teil. Aus dem Urlaub sollten sie telefonisch einen dem Teleagenten vorgegebenen Katalog von Fragen beantworten. Durch die Antworten wollte die Firma Erkenntnisse darüber erhalten, nach welchen Kriterien sich Ärzte zwischen Therapien entscheiden. Für das Preisausschreiben wurden nur diejenigen Anrufer registriert, die alle Fragen beantwortetet hatten. Als Gewinn waren insgesamt 227 Kärcher Hochdruckreiniger zum Wert von je 85,00 € vorgesehen. Die restlichen Teilnehmer erhielten eine Fahrradpumpe im Werte von 1,95€.
Der Spruchkörper 1. Instanz hat am 17. Dezember 2004 folgende Entscheidung getroffen:
- Das Unternehmen wird verpflichtet, es zu unterlassen, bei Preisausschreiben, wie mit der Sommeraktion „Urlaubsgrüße á la Card“ geschehen, international einsetzbare Telefonkarten in Höhe von 10,00 € oder Kärcher Hochdruckreiniger zum Anschaffungspreis von 85,00 € oder vergleichbaren Verkehrswerten an Ärzte auszuloben.
- Für jeden Fall schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus vorstehender Ziffer 2 hat das Unternehmen ein Ordnungsgeld gemäß § 20 Absatz 5 der „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahrensordnung in Höhe von 10.000 € an den FS Arzneimittelindustrie e.V. zu zahlen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist unbegründet. Zu Recht hat der Spruchkörper 1. Instanz festgestellt, dass das beanstandete Preisausschreiben gegen den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex verstoßen hat, und deshalb die Firma zur Unterlassung, ferner zur Zahlung eines Ordnungsgeldes von 10.000 € im Falle einer wiederholten Zuwiderhandlung verpflichtet.
Das beanstandete Preisausschreiben verletzte den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex, und zwar § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex, soweit Hochdruckreiniger als Preise ausgelobt waren (A) und gegen § 23 (1) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex, soweit es um die Telefonkarten als Preise geht (B).
A. Hochdruckreiniger
Die zweite Stufe des Preisausschreibens erfüllte nicht die Voraussetzungen des § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex und war daher unzulässig.
1) Die genannte Bestimmung erlaubt Preisausschreiben für Ärzte, wenn die Teilnahme von einer wissenschaftlichen oder fachlichen Leistung der teilnehmenden Ärzte abhängt und wenn der „in Aussicht gestellte Preis in einem angemessenen Verhältnis zu der durch die Teilnehmer zu erbringenden wissenschaftlichen oder fachlichen Leistung steht“. Daraus folgt umgekehrt, dass ein Preisausschreiben unzulässig ist, wenn es an dem erforderlichen angemessenen Verhältnis fehlt. So ist es hinsichtlich der Hochdruckreiniger.
a) Bei dem Gewinnspiel handelte es sich um ein „Preisausschreiben“ im Sinne des § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex (zum Begriff vgl. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 11 Nr. 13 HWG Rdn. 10, 14). Dem steht nicht entgegen, dass der Gewinn nicht allein von einer fachlichen Leistung des teilnehmenden Arztes abhing, sondern auch von einer Auslosung, d.h. insoweit vom Zufall (vgl. dazu Dieners, Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit Ärzten, Seite 229, Rdn. 125). Das Verbot des § 23 (1) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex greift nur dann ein, wenn der Gewinn allein vom Zufall abhängt, was hier nicht zutraf. Anders wäre es dann, wenn aus der Sicht der Ärzte die fachliche Leistung (nahezu) keinen Wert hätte, daher als Scheinleistung (Scheinentgelt) anzusehen wäre und demgemäß eine „Gratis-Verlosung“ vorläge (vgl. Dieners Seite 229 Rdn. 126; zu § 7 HWG: OLG Hamburg GRUR 1979, 726f.; Doepner § 7 HWG Rdn. 25 sowie 27 unter „Preisausschreiben“).
b) § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex ist dahin auszulegen, dass der jeweils ausgelobte Preis – und nicht etwa die Gewinnchance des einzelnen Teilnehmers – in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des einzelnen Teilnehmers stehen muss (ebenso Dieners, Seite 229, Rdn. 126).
Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aus der Verwendung der Singulare „Preis“ und „Leistung“ folgt eindeutig, dass der ausgelobte, einzelne Preis mit der Leistung des einzelnen Arztes zu vergleichen ist. Danach kommt es weder auf das Wertverhältnis aller Preise des Preisausschreibens zur Summe der Leistungen aller teilnehmenden Ärzte, noch auf eine Bewertung der Gewinnchance an, die der einzelne Teilnehmer hat. Aus dem Plural „die Teilnehmer“ ergibt sich nichts anderes. In sprachlich möglicher Weise wird nach dem Textzusammenhang abgestellt auf die einzelne „Leistung“ (= Singular), die von den teilnehmenden Ärzten zu erbringen ist. § 20 (1) Satz 2 des Kodex der Mitglieder des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie verwendet dagegen die Plurale „Leistungen“ und „Preise“, wobei offen bleiben kann, ob diese Bestimmung nicht trotz dieser Plurale ebenso zu verstehen ist wie § 23 (2) des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex.
Die vorstehende Auslegung geht nicht etwa über den Wortlaut des § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex hinaus. Daher kann offen bleiben, ob eine Auslegung des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex über den Wortlaut hinaus deshalb ausscheidet, weil die „FS Arzneimittelindustrie“-VerfO auch die Verhängung von „Geldstrafen“ ermöglicht.
c) Die vorgenommene Auslegung entspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
§ 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex erlaubt Gewinnspiele für Ärzte nur in einem eingeschränkten Rahmen. Die Bestimmung will übertriebene „Anlockungen“ für Ärzte einschränken, mit denen diese dazu veranlasst werden könnten, sich näher mit einem Pharmaunternehmen und/oder deren Arzneimittel zu befassen. Dieser Zweck wird aber nicht erreicht, wenn auf das Wertverhältnis aller Preise und aller erbrachten Leistungen abgestellt wird, oder auf die Bewertung der Gewinnchance des einzelnen Arztes als Äquivalent für seine fachliche Leistung. Bei einem solchen Verständnis könnten dann je nach Teilnehmerzahl sogar hohe Gewinne wie wertvolle Reisen ausgelobt werden, was auf keinen Fall dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht. Außerdem ist für den einzelnen Arzt, um dessen „Anlockung“ es geht, in keiner Weise (einigermaßen zuverlässig) erkennbar, wie hoch seine Chance ist und welchen Wert sie hat. Daher achtet er nur auf die ausgesetzten Preise.
Demnach ist die erbrachte Leistung des einzelnen Arztes mit dem Wert des einzelnen Gewinns ins Verhältnis zu setzen, dagegen nicht mit dem geringeren Wert der bloßen Gewinnchance.
d) Ein solches Verständnis entspricht auch dem, was im Rahmen des – hier wegen der „echten“, nicht nur ein Scheinentgelt darstellenden Gegenleistung des Arztes nicht einschlägigen – § 7 (1) 1 HWG gilt. Einerlei ob bei Gewinnspielen als Zuwendung im Sinne der genannten Bestimmung die Gewinnchance, nämlich die Möglichkeit, am Gewinnspiel teilzunehmen und zu gewinnen, anzusehen ist oder (auch) der Gewinn (vgl. dazu Doepner Vor § 7 HWG Rdn. 19, Zipfel/Vöcks, Lebensmittelrecht, § 7 HWG Rdn. 7; vgl. früher zu § 1 ZugabeVO: OLG Frankfurt WRP 1999, 343, 345), ist jedenfalls bei der Auslegung des Begriffs „geringwertige Kleinigkeit“ nicht auf die Gewinnchance, sondern auf den Gewinn abzustellen (vgl. Gröning, Heilmittelwerberecht, § 7 HWG Rdn. 15; ferner Doepner § 7 HWG Rdn. 27 unter „Preisausschreiben“, der dort auf das Verhältnis zwischen den ausgesetzten Preisen – nicht der Gewinnchance – und der erbrachten Gegenleistung = fachlichen Leistung abstellt).
e) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt aber nicht, dass – anders als im Rahmen des § 18 (3) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex die Vergütung – der Wert des einzelnen Gewinns den Wert der einzelnen fachlichen Leistung des Arztes nicht übersteigen darf.
§ 23 (2) bestimmt nicht, dass beide Werte übereinstimmen oder wenigstens in etwa einander entsprechen müssen, sondern stellt auf ein „angemessenes Verhältnis“ beider Werte ab. Im vorliegenden Zusammenhang ist maßgebend zu berücksichtigen, dass § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Preisausschreibens in dem dort umschriebenen, wenn auch eingeschränkten Rahmen ausgeht. Diese Entscheidung ist bei der Auslegung hinzunehmen. Zum Wesen eines Preisausschreibens gehört jedoch, dass nur einer oder mehrere gewinnen, die anderen dagegen nicht und leer ausgehen, und dass demzufolge der Gewinn – anders als die Vergütung gemäß § 18 (3) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex, die ebenfalls „in einem angemessenen Verhältnis“ zur erbrachten Leistung stehen muss – keine leistungsgerechte Vergütung der vom einzelnen Arzt erbrachten fachlichen Leistung darstellt, sondern höher sein kann.
Da es demnach nicht um eine (wertentsprechende) Bezahlung der ärztlichen Leistung geht, sondern um ein Preisausschreiben, darf der Gewinn die übliche Vergütung der erbrachten fachlichen Leistung um ein angemessenes Mehrfaches überschreiten, und zwar bis zum Fünffachen (aa). Außerdem hält der Spruchkörper 2. Instanz eine feste Grenze von 30,00 € für angemessen, bis zu der ein Gewinn in jedem Falle noch erlaubt ist, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex gegeben sind (bb). In beiden Alternativen ist noch ein „angemessenes Verhältnis“ im Sinne dieser Bestimmung zu bejahen. Offen bleibt, ob außerdem noch eine feste Obergrenze angebracht ist, d.h. der Gewinn in keinem Fall einen bestimmten, noch angemessenen Betrag übersteigen darf.
aa) Der Spruchkörper 2. Instanz sieht den fünffachen Wert aus folgenden Gründen noch als angemessen an, einen höheren Wert dagegen nicht mehr:
Das Wertverhältnis muss „angemessen“ sein unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Sinn und Zwecks der Vorschrift. Danach ist ein übertriebenes „Anlocken“ der Ärzte, denen ein Gewinn in Aussicht gestellt wird, verboten. Hierbei ist eine restriktive Auslegung geboten. Die Verbindung einer Pharmawerbung mit einem Gewinnspiel, bei dem der Gewinn auch vom Zufall abhängt, erscheint von vornherein als problematisch (vgl. dazu Gröning § 7 HWG Rdn. 15 im dortigen Zusammenhang: „nach der Zweckbestimmung von Arzneimitteln … dubios“); es geht um einen für die Öffentlichkeit sensiblen Bereich. Demgemäß ist darauf zu achten, dass möglichst jeder Anschein vermieden wird, Ärzte könnten wegen eines nicht mehr angemessenen Gewinns zu einem späteren Wohlwollen und Wohlverhalten veranlasst werden.
Andererseits ist davon auszugehen, dass im Rahmen des § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex Preisausschreiben erlaubt sind und diese grundsätzliche Entscheidung nicht durch eine zu enge Auslegung unterlaufen werden darf, sodass Preisausschreiben praktisch ausscheiden. Die ausgelobten Gewinne müssen geeignet sein, Ärzten als genügender Anreiz zu dienen, damit sie sich überhaupt noch an einem Preisausschreiben von Pharmaunternehmen beteiligen.
Dagegen ist auch nicht im vorliegenden Zusammenhang auf den Wert der Gewinnchance bzw. auf das Wertverhältnis aller Leistungen und aller Gewinne abzustellen. Der Arzt, der sich überlegt, ob er am Preisausschreiben teilnehmen will, tut das nicht wegen des Wertes der mehr oder weniger hohen, ihm nicht erkennbaren Gewinnchance, sondern wegen des Wertes des ausgelobten Gewinns, obwohl er weiß, dass er nur möglicherweise gewinnt.
Nach Auffassung des Spruchkörpers 2. Instanz entsteht ein übertriebener „Anlockeffekt“ im Regelfall wie hier bereits dann, wenn der Wert des Gewinns mehr als das Fünffache des Wertes der Leistung beträgt. Schon dann besteht die Möglichkeit, dass der Arzt veranlasst werden könnte, sich aus sachfremden Gründen mit dem Pharmaunternehmen und/-oder seinen Erzeugnissen zu befassen. Ein hinreichender Anreiz, am Preisausschreiben eines Pharmaunternehmens teilzunehmen, ist andererseits zu bejahen, wenn der Wert des Gewinns bis zum Fünffachen des Wertes der fachlichen Leistung beträgt.
bb) Zu der Gewinngrenze von 30,00 €, die unabhängig vom Fünffachen des Wertes der fachlichen Leistung in jedem Falle als angemessen anzusehen ist, ist der Spruchkörper 2. Instanz aus folgenden Erwägungen gelangt:
Eine solche Grenze ist aus Gründen der Praktikabilität als angemessen im Sinne des § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex vorzusehen. Dadurch wird vermieden, dass auch Preisausschreiben verboten sind, deren Gewinne nur einen verhältnismäßig niedrigen Wert haben. Dann würde der notwendige Anreiz zur Teilnahme fehlen.
Aus § 21 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex kann nicht hergeleitet werden, dass der zulässige Wert eines Gewinns jedenfalls 50,00 € beträgt. Es geht nicht um ein Geschenk zu einem besonderen Anlass, bei dem sich ein Geschenk im Werte bis 50,00 € in einem sozialadäquaten Rahmen halten mag (vgl. Dieners Seite 223 Rdn. 113 unter Hinweis auf die Erläuterungen der Bundesärztekammer zu § 33 Abs. 3 MBO-Ä). Beide Sachverhalte sind nicht zu vergleichen. Bei einem besonderen Anlass wie einem Jubiläum liegt für den betreffenden Arzt eine Ausnahme vor, in der es als sozialadäquat angesehen wird, ihm ein Geschenk zu überreichen, das ein vernünftiges Maß nicht übersteigt. Derartige Überlegungen treffen auf Preisausschreiben nicht zu.
Denkbar ist allerdings eine generelle Bezugnahme auf § 33 Abs. 3 MBO-Ä nebst den Erläuerungen der Bundesärztekammer. Sie überzeugt im vorliegenden Zusammenhang aber ebenfalls nicht. Sollten nach dieser Bestimmung allgemein Geschenke im Werte bis zu 50,00 € zulässig sein, trifft das auf den entsprechenden § 21 (1) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex jedenfalls nicht zu. Danach sind Geschenke nur im Rahmen des § 7 HWG erlaubt. Im Rahmen dieser Vorschrift kommen aber insbesondere nur „geringwertige Kleinigkeiten“ in Betracht. Darunter fallen lediglich Zuwendungen von wenigen Euro (vgl. dazu die Beispiele bei Dieners Seite 222 Rdn. 110; vgl. ferner Doepner § 7 HWG Rdn. 39), d.h. im Werte von bis etwa 5,00 €. Zuwendungen in dieser Höhe sind zwar auch im Rahmen eines Preisausschreibens gemäß § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex als ohne weiteres erlaubt anzusehen. Im Rahmen dieser Vorschrift wäre aber eine solche Grenze unangemessen niedrig, weil der erforderliche Anreiz zur Teilnahme am Preisausschreiben entfiele. Andererseits erscheint ein Betrag von 50,00 € als unangemessen hoch, weil der „Anlockeffekt“ vernachlässigt würde.
Die angemessene Gewinngrenze liegt demnach zwischen den beiden Beträgen von 5,00 € und 50,00 €. Der Spruchkörper 2. Instanz sieht einen Betrag von 30,00 € als angemessen an. Mit Gewinnen bis zu 30,00 € erscheinen Preisausschreiben gegenüber Ärzten als praktisch durchführbar. Der Betrag lässt sich, wie bei jeder „angemessenen“ Wertgrenze, nicht weiter begründen.
f) Demnach sind im Einzelfall zunächst der Wert der Leistung des Arztes und der Wert des Gewinns zu bestimmen. Diese Werte sind miteinander zu vergleichen, wenn der Wert des Gewinns die in jedem Fall erlaubte Grenze von 30,00 € überschreitet.
aa) Bei der Prüfung, ob eine fachliche Leistung des Arztes vorliegt, ist kein allzu hoher Maßstab anzulegen (vgl. die Beispiele bei Dieners Seite 229 Rdn. 126). Es darf sich aber nicht nur um eine „Scheinleistung“ handeln; dann greift nämlich das Verbot des § 23 (1) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex ein. Für die Bewertung der fachlichen Leistung, die in der Beantwortung der Fragen des Preisausschreibens liegt, sind ihre Art und ihr Umfang, insbesondere auch der erforderliche Zeitaufwand, maßgebend.
Die Leistung des Arztes kann – ebenso wie in § 18 (3) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex (vgl. dazu Dieners Seite 195 Rdn. 49) – unter Heranziehung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ermittelt werden. Das Gebührenverzeichnis für ärztliche Leistungen sieht in Abschnitt VI unter Nummer 80 eine Gebühr für eine „schriftliche gutachterliche Äußerung“ vor. Die dort genannte Gebühr ist allerdings nicht einfach zu übernehmen, da die Beantwortung von Fragen im Rahmen eines Preisausschreibens wie hier nicht mit einer „schriftlichen gutachterlichen Äußerung“ zu vergleichen ist, sondern im Allgemeinen einen deutlich geringeren Wert hat. Mangels anderer Bewertungskriterien ergeben sich aber aus der GOÄ wenigstens Anhaltspunkte für eine angemessene Bewertung. Dabei ist insbesondere der Zeitaufwand zu berücksichtigen. Die Gebühr entspricht einem Zeitaufwand bis etwa 20 Minuten. Sie ist entsprechend zu ermäßigen, wenn der Zeitaufwand niedriger liegt. Bei einem das gewöhnliche Maß übersteigenden Aufwand, was auch bei einem höheren Zeitaufwand zutrifft, gilt Nummer 85, und zwar unter Umständen mit einem Vergütungssatz, der den einfachen Satz bis zum 2,3-fachen überschreitet (vgl. dazu Dieners Seite 202 Rdn. 68 zu § 19 „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex).
Da es um den „Anlockeffekt“ im Verhältnis zu den Ärzten geht, ist nicht etwa auf einen möglicherweise höheren Wert der ärztlichen Einzelleistung für das Pharmaunternehmen abzustellen, dass etwa Kosten für eine Meinungsumfrage erspart. Die fachliche Leistung des Arztes muss allerdings für das Pharmaunternehmen einen Nutzen haben (vgl. dazu Doepner § 7 HWG Rdn. 27 unter „Preisausschreiben“), weil ohne einen solchen Nutzen eine Scheinleistung vorliegen könnte mit der Folge, dass sogar § 23 (1) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex anwendbar wäre. Auch insoweit ist kein allzu hoher Maßstab anzulegen.
bb) Der Wert des Gewinns ist ebenfalls aus der Sicht der angesprochenen Ärzte zu bestimmen, denn es geht um deren „Anlocken“. Maßgebend ist nicht etwa ein möglicherweise niedrgerer Anschaffungswert für das Pharmaunternehmen, sondern der Preis, den der Arzt bei seinem Einkauf bezahlen müsste.
2) Die Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt: In der Sommeraktion stand die fachliche Leistung des Arztes nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Hauptgewinn Hochdruckreiniger. Dessen Wert übersteigt sowohl die Grenze von 30,00 € als auch das Fünffache des Wertes der fachlichen Leistung des Arztes.
In der 2. Stufe des Preisausschreibens ist eine fachliche Leistung der teilnehmenden Ärzte zu bejahen. Bei der Beantwortung der Fragen haben sie sich fachlich damit befasst, nach welchen Kriterien sie sich zwischen zwei Therapien entscheiden. Auch sind die Antworten auf diese Fragen für das Unternehmen von Nutzen
a) Der Wert der ärztlichen Leistung liegt weit unter 10,00 €. Der Zeitaufwand für das Telefongespräch beträgt höchstens 5 Minuten. Es waren zwei Fachfragen, auf die allein es ankommt, zu beantworten, zum einen die Frage „…verordnen Sie in Ihrer täglich Praxis Sartane?“ und bei Bejahung zum anderen die Frage „…nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich zwischen einem Mono-Sartan und einer Fixkombination aus Sartan und Diuretikum?“. Dazu wurden die folgenden Auswahlantworten vorgelesen (Mehrfachantworten möglich):
a) Vor allem Blutdrucksenkung! (Ja/Nein)
b) Therapierichtlinien (z.B. von Hochdruck-Liga)! (Ja/Nein)
c) Bestimmte Patientenbilder! (Ja/Nein)
Wenn Ja, welche?:_____________(offene Antworten eintragen)
d) Bestimmte Begleiterkrankungen! (Ja/Nein)
Wenn Ja, welche?:_____________(offene Antworten eintragen)
Auszugehen ist von der einfachen Gebühr nach Nummer 80 des Gebührenverzeichnisses. Sie beträgt 17,49 €. Da der Zeitaufwand hier höchstens bei 5 Minuten lag, ist die fachliche Leistung des Arztes mit unter 10,00 € zu bewerten.
b) Der Karcher Hochdruckreiniger hat einen Wert von 85,00 €.
c) Der Wert des Gewinns lag demnach weit über dem in jedem Falle erlaubten Wert von 30,00 € und außerdem deutlich über dem Fünffachen des Werts der fachlichen Leistung des Arztes. Das Fünffache liegt hier unter 50,00 €. Demnach ist insoweit ein Verstoß gegen § 23 (2) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex gegeben.
B. Telefonkarten
Die 1. Stufe des Preisausschreibens verstieß gegen § 23 (1) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex. Eine Anwendung des § 23 (2) scheidet aus; denn die teilnehmenden Ärzte hatten keine genügende fachliche Leistung im Sinne dieser Vorschrift zu erbringen. Vielmehr lag nur eine Scheinleistung vor, sodass das Verbot des § 23 (1) eingreift.
Der Arzt konnte und sollte aus seiner Sicht die Reihenfolge der Vorteile zwar auf Grund seines Fachwissens angeben. Dabei ging es aber nicht etwa um eine Abwägung von Vorteilen mit Nachteilen im Wege einer Gesamtbetrachtung, die ein vertieftes Nachdenken und demgemäß eine gewisse Zeit erfordert hätte, sondern lediglich um die numerische Bewertung von vier formulierten Vorteilen, die plakativ als Schlagworte herausgestellt waren. Das konnte spontan ohne vertieftes Nachdenken geschehen. Dazu war nur ein Zeitaufwand von durchschnittlich weniger als 15 Sekunden erforderlich. Die fachliche Leistung des Arztes ist daher mit nahezu Null zu bewerten. Demgemäß ist eine Scheinleistung anzunehmen und daher § 23 (1) anzuwenden.
Die Beantwortung der gestellten Frage mag zwar für das Unternehmen im Hinblick auf eine sinnvolle Vermarktung einen hinreichenden Nutzen gehabt haben. Das allein genügt aber nicht. Maßgebend ist die Bewertung der fachlichen Leistung aus der Sicht der Ärzte, die keine Scheinleistung sein darf. Wenn die ärztliche Leistung für das Pharmaunternehmen keinen Nutzen hat, könnte es sich aus diesem Grunde – unabhängig von der Bewertung aus ärztlicher Sicht – um eine Scheinleistung handeln.
Ergebnis
Die Entscheidung des Spruchkörpers 2. Instanz ist im Sinne der „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahrensordnung unanfechtbar. Ein Rechtsbehelf ist insoweit nicht möglich.
Berlin, im Februar 2005