§ 20 Abs. 2 Satz 4 des FS Arzneimittelindustrie- Kodex – Dokumentationspflicht und Offenlegung der Dokumentation
AZ.: FSII 5/07/2006.8-135 (2. Instanz)
Leitsätze
1. Gemäß § 20 Abs. 2 S. 4 FSA-Kodex ist bei Fortbildungsveranstaltungen u.a. die Anwesenheit der Teilnehmer zu dokumentieren. Wird nicht dokumentiert, so liegt ein Verstoß gegen FSA-Kodex vor, der zu der Verpflichtung führt, es zu unterlassen, die Kosten einer angemessenen Bewirtung zu übernehmen, ohne die Anwesenheit der Teilnehmer zu dokumentieren.
2. Aus dem FSA-Kodex ergibt sich nicht, dass ein Verstoß auch dann gegeben ist, wenn die Dokumentation im Beanstandungsverfahren nicht vorgelegt wird. Zwar hat die Dokumentation den Sinn, im Falle eines Beanstandungsverfahrens, falls erforderlich, Nachweise erbringen und Überprüfungen vornehmen zu können. Das aber ist allein eine Frage der Verfahrensordnung, nicht (auch) des Kodex.
Sachverhalt
Ein Mitgliedsunternehmen hatte Angehörige der Fachkreise in der Zeit vom 11. bis 13. Oktober 2006 in das Centro de Congresos in Lissabon/Portugal zu einem Internationalen Kongress eingeladen. Das Unternehmen übernahm für die deutschen Teilnehmer die Kosten der An- und Abreise sowie die Hotelunterkunft. Am 11. und 12. Oktober 2006 wurde jeweils ein Abendessen angeboten.
Auf die Rüge eines Mitglieds prüfte der FSA unter anderem, ob gegen § 20 Abs. 2 Satz 3; Abs. 3, Satz 1 FSA-Kodex verstoßen wurde.
Da das Unternehmen zur Zahl der Teilnehmer und zu den Kosten der Abendessen im Verlaufe des Verfahrens unterschiedliche Zahlen genannt hatte, die es unter Vorlage von Belegen erläuterte, forderte der FSA die Vorlage einer Teilnehmerdokumentation, aus der sich zumindest der korrekte Anteil der deutschen Ärztinnen und Ärzten ergibt. Der FSA sah darin das einzige geeignete Mittel, die Angaben des Unternehmens dahin zu überprüfen, ob die Gesamtkosten für die Bewirtung im Verhältnis zu der tatsächlichen Anzahl der Teilnehmer in kodexkonformer Relation standen. Die Vorlage wurde aus datenschutzrechtlichen Gründen verweigert.
Nach einer vergeblichen Abmahnung erließ der FSA folgende Entscheidung:
1. Es wird festgestellt, dass das Unternehmen gegen den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex verstoßen hat, indem es die Herausgabe der Dokumentation der Anwesenheit von Teilnehmern an dem internationalen Meeting in Lissabon verweigert hat. Der Beanstandung war daher stattzugeben.
2. Das Unternehmen wird verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Herausgabe der Dokumentationen der Anwesenheit von Teilnehmern an berufsbezogenen wis senschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen zu verweigern, wie anlässlich des internationalen Meetings geschehen.
3. Strafbewehrung (wird ausgeführt)
4. Kostenregelung (wird ausgeführt)
Gegen die Entscheidung wurde fristgerecht Einspruch eingelegt und dieser zugleich begründet. Es wird geltend gemacht:
Das beschwerdeführende Unternehmen habe den festgestellten Verstoß nicht beanstandet. Auch liege kein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 Satz 4 FSA-Kodex vor. Aus dieser Bestimmung lasse sich keine Pflicht zur Vorlage der Dokumentation herleiten. Außerdem sei die Vorlage nicht erforderlich, weil die Dokumentation ohne jeden Erkenntniswert für die Angemessenheit der Bewirtungskosten sei. In den vorgelegten Belegen seien die Kosten nämlich pro Kopf aufgeschlüsselt. Jedenfalls würde eine Vorlage der Dokumentation gegen § 4 Abs. 1 BDSG verstoßen; es handele sich um ein „Verarbeiten“ im Sinne von § 3 Abs. 4 BDSG. Ferner gehe es rechtlich gar nicht um ein Unterlassen, sondern um einen Leistungsantrag, gerichtet auf Herausgabe der Dokumentation. Zumindest sei ein Ordnungsgeld von EUR 10.000 zu hoch.
Begründung
Der Einspruch ist zulässig. Er ist innerhalb der Zweiwochenfrist des § 25 Abs. 1 VerfO eingelegt und zugleich, was gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 VerfO geboten ist, begründet worden.
Der Einspruch ist auch begründet.
1) Der Spruchkörper 1. Instanz hat keine abschließende Entscheidung, sondern lediglich eine Zwischenentscheidung getroffen, um im Rahmen des noch nicht beendeten Beanstandungsverfahren die Vorlage der Teilnehmerdokumentation zu erzwingen, damit überprüft werden könne, ob die Gesamtkosten für die Bewirtung im Verhältnis zur tatsächlichen Anzahl der Teilnehmer kodexkonform seien.
2) Das Unternehmen hat nicht dadurch gegen § 20 Abs. 2 Satz 4 FSA-Kodex verstoßen, dass es die Dokumentation über die Anwesenheit der Teilnehmer nicht vorgelegt hat. Andere Bestimmungen des FSA-Kodex kommen für das ausgesprochene Verbot nicht in Betracht.
Nach der genannten Bestimmung ist bei Fortbildungsveranstaltungen wie hier unter anderem die Anwesenheit der Teilnehmer zu dokumentieren. Wird nicht dokumentiert, folgt daraus allerdings ein Verstoß gegen den FSA-Kodex, der zu der Verpflichtung führt, es zu unterlassen, die Kosten einer angemessenen Bewirtung zu übernehmen, ohne die Anwesenheit der Teilnehmer zu dokumentieren. Darum geht es hier aber nicht, sondern um die Vorlage der Dokumentation zur Aufklärung im Rahmen eines FSA-Beanstandungsverfahrens.
Aus dem FSA-Kodex ergibt sich nicht, dass ein Verstoß auch dann gegeben ist, wenn die Dokumentation im Beanstandungsverfahren nicht vorgelegt wird. Zwar hat die Dokumentation den Sinn, im Fall eines solchen Verfahrens, falls erforderlich, Nachweise erbringen und Überprüfungen vornehmen zu können (vgl. zum Dokumentationsprinzip vgl. Dieners, Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit Ärzten, 2. Aufl., Seite 80, Rdn. 7). Das aber ist allein eine Frage der Verfahrensordnung, nicht (auch) des Kodex. Kommt das betroffene Mitglied insoweit einer Aufforderung des FSA zur Mitwirkung nicht nach, ermöglicht § 20 Abs. 3 VerfO, auf den der FSA in seinem Schreiben vom 18. Juli 2007 als Konsequenz selbst hingewiesen hat, gegebenenfalls eine Beurteilung der Beanstandung nach Lage der Akten und/oder auf der Grundlage des verfügbaren Be weismaterials. Das entspricht der prozessualen Lage bei einem Streit vor dem ordentlichen Gericht. Auflagen- und/oder Beweisbeschlüsse als solche sind dort nicht anfechtbar. Die Nichtbeachtung gerichtlicher Auflagen ermöglicht lediglich Schlussfolgerungen gegen den Säumigen.
Aus dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 2 Satz 4 FSA-Kodex ergibt sich nichts anderes. Es trifft zwar zu, dass die Dokumentation, zu dem das Mitglied verpflichtet ist, gegebenenfalls nachvollziehbar auch Dritten, insbesondere im FSA-Verfahren, zugänglich geacht werden soll. Eine solche Pflicht zur Vorlage kann sich aber nur als prozessuale Pflicht aus der Verfahrensordnung ergeben.
Das Verbot, das vom Spruchkörper 1. Instanz ausgesprochen worden ist, passt auch systematisch nicht zur Verfahrensordnung. Trotz der Formulierung eines Verbots geht es in Wirklichkeit nicht um eine Unterlassungsverpflichtung und demzufolge nicht um ein Verbot, sondern um ein Gebot, d.h. um eine Verpflichtung zum positiven Tun, nämlich zur Vorlage der Dokumentation. Die Unterlassung eines Verweigerns bedeutet inhaltlich nichts anderes als das Unterlassen, etwas nicht zu tun. Aus einer derartigen doppelten Verneinung folgt aber ein Gebot. – Ferner geht es nicht um ein Handeln zu Wettbewerbszwecken, wie es im angefochtenen Verbot heißt. Die Verweigerung der Vorlage verfolgt allein prozessuale Zwecke.
Der Einspruch ist demnach begründet, ohne dass es darauf ankommt, ob die Einsprechende sich zu Recht geweigert hat, die Dokumentation der Anwesenheit der Teilnehmer vorzulegen. Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben. Da es sich nur um eine Zwischenentscheidung der 1. Instanz handelt, hat diese eine abschließende Entscheidung zu treffen und das laufende Beanstandungsverfahren zu beenden.
3) Der Spruchkörper 2. Instanz sieht sich veranlasst, für das weitere Verfahren 1. Instanz ergänzend Stellung zu nehmen, obwohl es darauf für die Entscheidung nicht ankommt.
Eine prozessuale Pflicht zur Vorlage besteht im vorliegenden Falle nicht.
Wie die Einsprechende zutreffend ausführt, hat die Vorlage der Dokumentation für das FSA-Verfahren kennen Erkenntniswert. Trotz der unterschiedlichen Zahlen, die sie im Verlaufe des Verfahrens genannt hat, folgt aus den Zahlen jedenfalls übereinstimmend, dass die Bewirtungskosten nicht etwa zu einem Pauschalpreis, der durch die Anzahl der Teilnehmer geteilt werden müsste, sondern pro Person abgerechnet worden sind. Daher ist insoweit nur noch zu prüfen, ob der Preis pro Person angemessen ist oder nicht. Sollte die Teilnehmerzahl niedriger sein als in der Abrechnung angegeben, so würde daraus lediglich folgen, dass das Unternehmen für zu viele Personen bezahlt hat. Das ändert aber nichts daran, dass der Preis pro Person maßgebend ist. Dieser lässt sich nicht an Hand der geforderten Teilnehmerliste überprüfen.
Anhaltspunkte für eine Täuschung durch die Einsprechende, um im Zusammen wirken mit dem abrechnenden Unternehmen durch eine fingierte, zu hohe Teilnehmerzahl höhere Kosten pro Person zu verschleiern, bestehen nicht. Zu den unterschiedlichen Zahlen hat sie plausible Erklärungen abgegeben.
Rechtsmittelbelehrung (§ 26 VerfO)
Die Entscheidung des Spruchkörpers 2. Instanz ist im Sinne der FSA-Verfahrensordnung unanfechtbar. Ein Rechtsbehelf ist insoweit nicht möglich.
Berlin, im Februar 2008