FS Arzneimittelindustrie e.V.

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§ 25 Abs. 4 der Verfahrensordnung Zur Verlängerung der Einspruchsbegründungsfrist

AZ.: II. Instanz: FS II 2 – 17 – 2017.6-522

Leitsatz

  1. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann im Wege ergänzender Auslegung und in entsprechender Anwendung des § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Verlängerung der Einspruchsbegründungsfrist in Betracht kommen und zwar durch den Vorsitzenden des Spruchkörpers 2. Instanz.
  2. In der besonderen, objektiven Konstellation zum Jahreswechsel kann ein erheblicher Grund zur Verlängerung gesehen werden; auf rein individuelle Gründe wie etwa auf Urlaubszeiten kann es dagegen nicht ankommen.

Sachverhalt

Dem FSA ging eine anonyme Beanstandung zu, mit der die Durchführung einer internen Veranstaltung gerügt wurde. Nach Anhörung des Unternehmens mahnte der Spruchkörper 1. Instanz das Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise erfolglos ab. Nach mündlicher Verhandlung am 14. Dezember 2017 stellte der Spruchkörper 1. Instanz in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2017 einen Verstoß gegen § 20 Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise fest.

Gegen diese Entscheidung kündigte das Unternehmen mit E-Mail vom gleichen Tag an, Einspruch einzulegen und beantragte gleichzeitig im Hinblick „auf die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage und den anschließenden Urlaub (…), die Frist für die Begründung um 2 Wochen bis zum 16. Januar 2018 zu verlängern“.

Der Spruchkörper 1. Instanz teilte dem Unternehmen mit E-Mail vom 20. Dezember 2017 mit, dass eine Verlängerung nicht in Betracht käme. § 25 Abs. 4 Satz 1 VerfO lege fest, dass der Einspruch innerhalb der 2-Wochen-Frist eingelegt und begründet werden müsse. Der Spruchkörper 2. Instanz habe bereits im Verfahren zu FS II 6/07/2007.7-190 klargestellt, dass diese Frist bewusst verhältnismäßig kurz bemessen sei, um das Einspruchsverfahren zu beschleunigen. Diese Entscheidung sei zwar für den Eingang der Zahlung ausgesprochen worden, es sei jedoch davon auszugehen, dass diese Begründung in gleicher Weise für die Begründungsfrist gelte.

Mit Schreiben vom 22. Dezember legte das Unternehmen Einspruch ein und rügte gleichzeitig einen Verfahrensverstoß. Die Ablehnung der beantragten Fristverlängerung stelle einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar, der gemäß Art. 103 Abs. l GG verfassungsrechtlich abgesichert sei; dies wurde weiter ausgeführt. Dieses Schreiben wurde daraufhin am gleichen Tag dem Vorsitzenden des Spruchkörpers 2. Instanz vorgelegt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Vorsitzende des Spruchkörpers 2. Instanz hält es im vorliegenden, besonders gelagerten Ausnahmefall für geboten, entgegen dem Wortlaut der FS-Verfahrensordnung (VerfO) die Frist zur Begründung des bereits -ohne Begründung- eingelegten Einspruchs zu verlängern.

Nach § 25 Abs.4 Satz 1 VerfO muss der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist „eingelegt und begrün-det“ werden. Eine (separate) Möglichkeit, die Begründungsfrist zu verlängern, ist in der Verfahrensord-nung nicht vorgesehen. Das soll zur Beschleunigung des Einspruchsverfahrens beitragen. Ebenso ist nach § 25 Abs. 11 VerfO bei Versäumung der Einspruchsfrist eine Wiedereinsetzung nicht zulässig.

Obwohl eine Verlängerung der Begründungsfrist nach dem Wortlaut der Verfahrensordnung ausgeschlossen ist, verhält es sich im vorliegenden, besonders gelagerten Fall ganz ausnahmsweise anders. Fundamentaler Verfahrensgrundsatz, der auch im Rahmen der Verfahrensordnung gilt, ist die Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs. Ohne Verlängerung stünde dem Verfahrensbevollmächtigten der Einsprechenden kein angemessener Zeitraum zur Verfügung, um mit der gebotenen Sorgfalt die Entscheidung erster Instanz eingehend zu prüfen, den Einspruch sachgerecht zu begründen, unter Abstimmung mit der Partei. Das könnte ohne weiteres eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs begründen und – je nach Verlauf und Ausgang des Verfahrens – als erheblicher Verfahrensfehler zu einer erfolgreichen Anfechtung einer Entscheidung 2. Instanz vor dem ordentlichen Gericht führen. Eine solche Situation lässt sich allein durch eine Verlängerung der Begründungsfrist vermeiden.

Die Entscheidung 1. Instanz ist unmittelbar vor Weihnachten zugestellt worden; die Zwei-Wochen-Frist läuft daher kurz nach Neujahr ab. Da eine sachgemäße Bearbeitung zwischen Weihnachten und Neujahr praktisch kaum oder nur in unzumutbarer Weise möglich ist, stehen dem Verfahrensbevollmächtigten der Einsprechenden und dieser tatsächlich nur wenige, durch die Weihnachtszeit unterbrochene Tage zur sachgerechten Bearbeitung zur Verfügung. Damit wäre ihnen kein genügendes rechtliches Gehör eingeräumt.

Für einen solchen, besonders gelagerten Ausnahmefall sieht die Verfahrensordnung keine Regelung vor. Im Wege ergänzender Auslegung bleibt nur der Weg, ganz ausnahmsweise § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechend anzuwenden, der eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ermöglicht, und zwar durch den Vorsitzenden (der zweiten Instanz).

Nach Auffassung des Vorsitzenden liegt nach den dargelegten Umständen ein erheblicher Grund zur Verlängerung vor. Dieser ist in der besonderen, objektiven Konstellation zum Jahreswechsel zu sehen, während es auf rein individuelle Gründe wie etwa auf Urlaubszeiten nicht ankommen kann. Außerdem scheidet eine Verzögerung des Verfahrens aus. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kommt erst am 10. April 2018 in Betracht.

Es ist angemessen, die Frist bis zum 16. Januar 2018 zu verlängern, so dass zur sachgerechten Bearbeitung ab 2. Januar 2018 zwei Wochen zur Verfügung stehen. Eine kürzere Frist – wegen der wenigen Werktage vor Weihnachten und nach Neujahr – hält der Vorsitzende nicht für sachgerecht angesichts des langen Zeitraums bis zu einer mündlichen Verhandlung am 10. April 2018.

Ergebnis

Die Frist zur Begründung des Einspruchs wurde um zwei Wochen, gerechnet vom Ende der Feiertage zum Jahreswechsel, verlängert.