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§ 20 Abs. 1 des Kodex; Fortbildungsveranstaltungen mit allgemeinen Inhalten; Ausnahme von der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung durch Ärzte

AZ.: 2006.3-119 (1. Instanz)

Leitsatz

Eine Fortbildungsveranstaltung i. S. v. § 20 Abs. 1 des „FS Arzneimittelindustrie-Kodex liegt dann nicht vor, wenn die Veranstaltung zwar für Ärzte berufsbezogen ist, sich aber nicht unmittelbar mit Arzneimitteln befasst, sondern originär Fragen der ärztlichen Praxisorganisation betrifft (Az.: FS II 1/06/2005.9-90). Eine berufsbezogene Fortbildungsveranstaltung, die sich mit Arzneimitteln befasst, kann im Einzelfall aber dann vorliegen, wenn sich die Veranstaltung mit der Erstattungsfähigkeit von Medikamenten befasst, die zuvor in Veranstaltungen einer Kassenärztlichen Vereinigung von der Erstattungsfähigkeit ausgenommen worden sind und dadurch ein Mitgliedsunternehmen unmittelbar in seinen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen betroffen ist.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen hatte Ärztinnen und Ärzte zu einer dreistündigen Abendinformationsveranstaltung zum Thema „Wirtschaftliche Verordnungsweisen in der ärztlichen Praxis – Prüfverfahren, Richtgrößen und Regresse nach neuem Recht“ eingeladen. Es handelte sich um eine Einzelveranstaltung, deren konkreter Anlass eine vorausgehende Informationsveranstaltung einer kassenärztlichen Vereinigung war, die zu Arzneimittelvereinbarungen für das Jahr 2006 Stellung bezog und eine Me-too-Liste präsentierte, auf der nach Einschätzung der KVn substituierbare Arzneimittel mit nur beschränktem Zusatznutzen enthalten waren. Auf dieser Liste, die eine Verschreibung durch Ärzte ausschloss, standen auch Produkte des Mitgliedsunternehmens.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Fortbildungsveranstaltungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der zu erwartenden gesetzlichen Neuregelungen durch das AVWG sind keine zulässigen Fortbildungsveranstaltungen i. S. v. § 20 Abs. 1 des Kodex. Auch vorliegend standen in den Referaten Wirtschaftlichkeitsfragen im Vordergrund, die insbesondere die Bonus-Malus-Regelung für 2006 sowie die Auswirkungen der Me-too-Liste und weitere rechtliche Aspekte, z. B. zu Fragen des Regresses, betrafen. Damit ist der juristisch-betriebswirtschaftliche und zunächst nicht unmittelbar der pharmakologische Bereich betroffen. Originäre ärztliche Fragen, die die Abrechnungspraxis betreffen, stellen eine unentgeltliche Zuwendung arzneimittelfremder Fortbildungsleistung dar. Dem Arzt werden auf diese Weise Informationen vermittelt, für die er, würde er sie sich am freien Markt beschaffen müssen, Aufwendungen hätte. Leistungen mit einem arzneimittelfremden Charakter dürfen aber nur gegen ein angemessenes Entgelt angeboten werden (Dieners S. 208, Rd.Nr. 78)

Im konkreten Einzelfall ist eine Ausnahme von dem in § 20 Abs. 1 des Kodex geforderten Bezug zu Arzneimitteln dann gegeben, wenn in einer Me-too-Liste der KV auf die vom Mitgliedsunternehmen vertriebenen Präparate verwiesen wird. Zwar erfolgte keine Produktinformation, etwa über die Wirkungsweise der Medikamente, jedoch musste dem Unternehmen in diesem konkreten Einzelfall die Möglichkeit eingeräumt werden, auf die Fortbildungsveranstaltung der Kassenärztlichen Vereinigung, sowie vorausgegangene Schreiben der KV mit Hinweis auf die Me-too-Liste, eine eigene Fortbildungsveranstaltung entgegen zu setzen. Im vorliegenden Fall wurde bereits in der Einladung darauf hingewiesen, dass die Fortbildungsveranstaltung durch das Vorgehen der Kassenärztlichen Vereinigung ausgelöst war, die in verschiedenen Präsentationen über die Auswirkung der Verschreibung auf der Me-too-Liste stehender Präparate informierte. In diesem konkreten Einzelfall waren gravierende wirtschaftliche Interessen des Unternehmens betroffen, und es musste ihm daher die Möglichkeit gegeben werden, Ärzte über Wirtschaftlichkeitsfragen und einschneidende gesetzliche Veränderungen bezogen auf konkrete Produkte zu informieren. Dies war hier insbesondere auch deswegen gegeben, weil die Anwendung der Me-too-Liste zwischenzeitlich durch diverse einstweilige Verfügungen von Zivilgerichten untersagt worden war.

Diese Entscheidung setzt sich nicht in Widerspruch zu der grundlegenden Entscheidung der 2. Instanz FS II 1/06/2005.9-90, denn nach dieser grundlegenden Entscheidung können Themen allgemeinen Inhalts ohne Kosten-pflicht für den eingeladenen Arzt durchgeführt werden, wenn die gesamte Fortbildungs-veranstaltung wenigstens die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex erfüllt, indem sie sich in pharmakologischer Hinsicht mit einem konkreten Arzneimittel des veranstaltenden Pharmaunternehmens befasst und sich der Anteil, der sich nicht mit pharmako-logischen Fragen beschäftigt, einen nur unterge-ordneten Teil einnimmt.

An dieser Entscheidung hält der Spruchkörper 1. Instanz weiterhin fest. Sie unterscheidet sich jedoch insoweit vom vorliegenden Sachverhalt, als nach dem Ergebnis der mündlichen Verhand-lung für den Spruchkörper 1. Instanz feststeht, dass in der regional begrenzten Veranstaltung, als Reaktion auf die Handlungsweise der KV, konkrete kostenerstattungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit den auf der Me-too-Liste enthaltenen Präparaten des Unternehmens im Mittelpunkt der Veranstaltung standen und insoweit ein konkreter Arzneimittelbezug i.S.v. § 20 Abs. 1 des Kodex zu bejahen war.

Es ging gerade nicht – wie in dem der 2. Instanz zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt – um aus-schließlich allgemeine wirtschaftliche Fragen bei der Verordnung innovativer Medikamente, sondern um die Darlegung der Rechtsposition des Unternehmens zu Fragen der von der KV herausgegebenen Me-too-Liste, die zwei vom Unternehmen vertriebene Produkte enthält. Entscheidend für die Gesamtbeur-teilung durch den Spruchkörper 1. Instanz nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung war ferner, dass es sich um eine regional begrenzte „Gegenveranstaltung“ zu den Veranstaltungen der KV gehandelt hat.

Ergebnis

Das Verfahren wurde eingestellt. Gegen diese Entscheidung hat das beanstandende Unternehmen gemäß § 20 Abs. 2 im Wege des Einspruchs § 25 Abs. 2 Satz 2 der „FS Arzenimittelindustrie“-Verfahrensordnung keinen Einspruch eingelegt. Das Verfahren ist damit abgeschlossen.


Berlin, im Juli 2006