Skip to content

§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Kodex – Irreführende Werbung

AZ.: 2007.11-210 (1. Instanz)

Leitsatz

Durch übertreibende Aussagen einer vorgeblichen einmalig mit einem Arzneimittel behandelten Patientin, wie „Jeder Tag war ein Genuss!“, „Ich bin von der neuartigen Therapie mit … wahrhaftig begeistert!“, „Es geht mir weiterhin richtig gut“, „Unglaublich, dass nur eine einzige Infusion meine Lebensqualität so sehr verbessert hat!“, wird durch unzutreffende, unausgewogene, unfaire, subjektive und unvollständige Werbung dem angesprochenen Arzt ein unrichtiger Gesamteindruck vermittelt, der den Arzt nicht in die Lage versetzt, sich ein eigenes Bild vom therapeutischen Wert und der Wirkung des Arzneimittels zu machen.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen hatte im Rahmen einer Werbeaktion für ein Osteoporose-Produkt zunächst eine Postkarte an eine Arztpraxis verschickt, auf deren Vorderseite eine sehr betagte Dame beim Limbo-Tanz abgebildet ist, wobei das Bild mit „Schöne Grüße aus dem Urlaub“ überschrieben ist. Auf der Rückseite der Karte schildert eine vorgebliche Patientin des Arztes in einem gedruckten Text einen Therapieerfolg, der angeblich durch den Arzt und dessen Therapie mit einer Infusion eines nicht näher bezeichneten Medikaments herbeigeführt worden sein soll.

An diese Postkartenaktion schloss sich eine Mailingaktion an. Mit dieser wurde an den Arzt ein Mailing übersandt, welches neben einem gedruckten Text, der von der vorgeblichen Patientin unterzeichnet war und der sich auf 2/3 der Mailingseite erstreckte, im unteren Drittel der Seite neben der Abbildung eines Tanzpaares einen Werbetext mit Hinweis auf ein Osteoporose-Mittel enthielt, mit dem zusätzlichen Vermerk, dass eine Infusionslösung einen „Starken Knochenschutz für ein ganzes Jahr“ ergeben würde.
Der Text des gedruckten Anschreibens der vorgeblichen Patientin lautete nach der Anrede an den Arzt wie folgt:

„Erinnern Sie sich noch an meine Urlaubspostkarte, die Sie vor einigen Wochen erhalten haben? Das war der schönste Urlaub seit langem: Ohne wöchentliche Tabletteneinnahme hatte ich die Osteoporose richtig gut im Griff. Jeder Tag war ein Genuss!
Ich bin von der neuartigen Therapie mit … wahrhaftig begeistert! Es geht mir weiterhin richtig gut und meine Beschwerden habe ich fast schon vergessen. Unglaublich, dass nur eine einzige Infusion im Jahr meine Lebensqualität so sehr verbessert hat! Heute kann ich nur sagen: Wie gut, dass es jetzt … gibt, für mich das 1 x 1 der Osteoporose! Viele herzliche Grüße“.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Durch die Mailingaktion wird ein unrichtiger Gesamteindruck des therapeutischen Werts des Arzneimittels vermittelt. Die Mailingaktion versetzt den Arzt nicht in die Lage, sich ein eigenes Bild vom therapeutischen Wert des Arzneimittels zu machen.

Die Einwendungen des Unternehmens, es handele sich bei der Mailingaktion in Anknüpfung an die Postkartenaktion, ebenso wie bei der Postkartenaktion, um eine Scherzerklärung, sind demgegenüber unbeachtlich.

Der Scherzcharakter der Mailingaktion läuft den Anforderungen an eine zutreffende ausgewogene, faire, objektive und vollständige, einen richtigen Gesamteindruck vermittelnde Werbung, durch welche die angesprochenen Fachkreise in die Lage versetzt werden sollen, sich ein eigenes Bild vom therapeutischen Wert eines Arzneimittels zu machen, zuwider. Diese in § 5 Ziff. 1 des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex enthaltenen Anforderungen stellen spezielle Auslegungsgrundsätze dar, welche bei der Auslegung der §§ 7-16 des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex zu berücksichtigen sind (vgl. Dieners, Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit Ärzten, 2. Auflage 2007, Seite 222, Rd.-Nr. 60).

Nach Auffassung des Spruchkörpers 1. Instanz werden die jeweils aktuellen Erkenntnisse über das Arzneimittel nicht klar und deutlich wiedergegeben. Es wird der unrichtige Gesamteindruck vermittelt, dass mit einer einzigen Infusion im Rahmen der neuartigen Therapie mit dem Arzneimittel die Lebensqualität von Patienten so sehr verbessert wird, dass jeder Tag ein Genuss wird und insoweit dem Arzneimittel eine therapeutische Wirkung und Wirksamkeit beigemessen wird, welches dieses nicht hat. Die von dem Mitgliedsunternehmen angeführten fachlichen Informationen, dass das Medikament – im Gegensatz zu allen anderen auf dem Markt befindlichen Konkurrenzpräparaten – nur einmal im Jahr zu verabreichen ist und dass dadurch die orale Einnahme von Konkurrenzprodukten in Tablettenform überflüssig wird, ist nicht klar und deutlich wiedergegeben. Vielmehr ist insoweit eine Auslegung des Textes des Schreibens der vorgeblichen Patientin erforderlich. Die Information „Zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit einem erhöhten Risiko für Frakturen“ findet sich zudem lediglich in einer Fußnote. Dass es unter dem Medikament 70 % weniger Wirbelkörperfrakturen gäbe, lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen über die Mailingaktion ebenso wenig klar und deutlich entnehmen.

Ergebnis

Das Unternehmen hat eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gegenüber dem FS Arzneimittelindustrie e.V. abgegeben.

Das Verfahren ist damit abgeschlossen.


Berlin, im März 2008