§ 20 Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise, Ziff. 5.3 der Leitlinien – Angemessener Rahmen für die Unterbringung bei Fortbildungsveranstaltungen

AZ.: 2009.3-258 (1. Instanz)

Leitsatz

Die Unterbringung von Angehörigen der Fachkreise im Rahmen einer internen Fortbildungsveranstaltung auf Kosten des Unternehmens im Hotel Le ROYAL MÉRIDIEN in Hamburg überschreitet den angemessenen Rahmen i.S.d. § 20 Abs. 3 Satz 1 des FSA-Kodex Fachkreise, wenn die Teilnehmer am Vorabend anreisen, in luxuriös ausgestatteten Zimmern übernachten und die Möglichkeit haben, den ausgedehnten Wellness-Bereich des Hotels vor der Fortbildungsveranstaltung, die am Folgetag in einem Konferenzraum des Hotels stattfindet, zu nutzen.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen hatte Ärzte zu einer internen Fortbildungsveranstaltung in das Hotel Le Royal Méridien an der Außenalster in Hamburg eingeladen. Die Veranstaltung begann mit der Anreise der Teilnehmer und einem Abendessen an einem Freitag. Das wissenschaftliche Programm begann am darauf folgenden Sonnabend um 08:30 Uhr und endete mit der Abschlussdiskussion um 16:15 Uhr. Das Unternehmen hat für einen Teil der Veranstaltungsteilnehmer Übernachtungskosten von 179,00 EUR (inkl. Frühstück) pro Person übernommen.

Das Hotel Le Royal Méridien in Hamburg gehört zur Kategorie der 5 Sterne-Hotels. In seinem Internetauftritt bewirbt das Hotel sein Zimmerangebot mit Begriffen wie „Moderner Luxus“ und „Edle Eleganz“. Unter der Rubrik „Aktivitäten“ wird auf einen ca. 450 qm großen Freizeitclub, ein Fitness-Center, Whirlpool, Sauna, Dampfbad und SPA-Einrichtungen und Behandlungen verwiesen.

Das Hotel Le Royal Méridien in Hamburg war als Tagungs- und Übernachtungsstätte bereits Gegenstand zweier Entscheidungen des Spruchkörpers 1. Instanz. Im 1. Fall (Az.: 2006.10-143) hatte das beanstandete Unternehmen die Teilnehmer einer Fortbildungsveranstaltung lediglich zur Übernachtung in dem Hotel untergebracht, während die Tagungsstätte sich in einem anderen Hotel befand. Die Unterbringung zur Übernachtung wurde vom Spruchkörper 1. Instanz nicht mehr als angemessen i.S.d. § 20 Abs. 3 des FSA-Kodex angesehen, wobei der Spruchkörper offen ließ, ob sich eine andere Beurteilung ergeben könnte, wenn das Le Royal Méridien, das über entsprechende Konferenzräume verfüge, nicht nur für die Übernachtung, sondern auch für die Fortbildungsveranstaltung selbst genutzt worden wäre. In der 2. Entscheidung (Az.: 2008.4-234) hatte das beanstandete Unternehmen Ärzte lediglich zu einer ½-tägigen Fortbildungsveranstaltung in das Le Royal Méridien geladen. Dieses Verfahren wurde mit der Begründung eingestellt, dass ein Kodexverstoß nicht zu sehen sei, weil lediglich die einer üblichen Ausstattung entsprechenden Konferenzräume des Hotels genutzt worden seien, also gerade nicht die luxuriöse Zimmerausstattung und die Wellness-Angebote in Anspruch genommen und somit keine besonderen Anreize für die Konferenzteilnehmer geboten wurden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Unterbringung von Teilnehmern der Fortbildungsveranstaltung im Hotel Le Royal Méridien in Hamburg konnte nach § 20 Abs. 3 Satz 1 des FSA-Kodex Fachkreise unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln nach Ziff. 5.3 der Leitlinien nicht mehr als im „angemessenen Rahmen“ befindlich angesehen werden. Dabei wird die Unangemessenheit der Unterbringung nicht bereits daraus hergeleitet, dass das Hotel Le Royal Méridien zur 5 Sterne-Kategorie gehört. Der Spruchkörper 1. Instanz verkennt nicht, dass die Kategorisierung der Hotels in 3, 4 oder 5 Sterne-Hotel Merkmale und Faktoren berücksichtigt, die nicht bzw. nicht in jedem Fall für die nach § 20 Abs. 3 des FSA-Kodex Fachkreise zu prüfenden Gesichtspunkte relevant sind (vgl. hierzu auch Dieners, Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit Ärzten, 2. A. Kap. 9, Rdnr. 194). Entscheidend ist vielmehr, ob beim ausgewählten Hotel der „geschäftliche Charakter“ als Tagungsstätte für die Fortbildungsveranstaltung oder der „Erlebnischarakter“ in Bezug auf Zimmerausstattung, Gastronomie, Wellness-Bereiche usw. im Vordergrund steht (s. hierzu auch Ziff. 5.3 der Leitlinien). Die Darstellung der Zimmerausstattung, die selbst die Worte „Luxus“ bzw. „Edle Eleganz“ verwendet, sowie das Hervorheben des großzügig ausgestatteten Freizeitclubs und des Fitness-Centers mit allen seinen Wellness-Einrichtungen lassen erkennen, dass es sich beim Le Royal Méridien um ein Hotel mit besonderem Erlebnis- und Erholungscharakter handelt. Gerade hierin liegt der zu meidende Anreizfaktor für die eingeladenen Angehörigen der Fachkreise, der dieses Erlebnis des bloßen Aufenthalts und der möglichen Nutzung der Wellness-Bereiche in den Vordergrund treten lässt und somit geeignet ist, die Angehörigen der Fachkreise in ihren Therapie- und Verordnungsentscheidungen unsachlich zu beeinflussen (s. Ziff. 5.3 der Leitlinien sowie Dieners a.a.O.). Diese Anreizfaktoren konnten hier ihre Wirkung entfalten, weil das Unternehmen infolge der Gesamtkonzeption der Veranstaltung den Teilnehmern die Anreise am Vortag sowie die Übernachtung im Hotel vor Beginn der Fortbildung am Folgetag anbot und finanzierte. Solche Anreizfaktoren wirken nur dann nicht, wenn lediglich ein fachlich- wissenschaftliches Programm bei An- und Abreise der Veranstaltungsteilnehmer am gleichen Tag in einem Konferenzraum des Luxushotels stattfindet, der sich hinsichtlich seiner Ausstattung nur unwesentlich von Konferenzräumen z.B. von 4 Sterne-Hotels unterscheidet (so der der Entscheidung des Spruchkörpers 1. Instanz zum Az.: 2008.4-234 zugrunde liegende Sachverhalt).

Wenn auch das Hotel bei ausschließlicher Nutzung seiner Konferenzräume als Tagungsstätte für eine interne Fortbildungsveranstaltung in Betracht käme, demnach nicht per se als „extravagant“ i.S.d. § 20 Abs. 3 Satz 4 FSA-Kodex Fachkreise zu meiden wäre, liegt doch in der Verbindung von Fortbildungsveranstaltung, Unterbringung in Zimmern mit Luxuscharakter und Möglichkeit der Nutzung des ausgedehnten Wellness-Bereichs in der Wahrnehmung der beteiligten Fachkreise gerade der Anreizfaktor, der geeignet ist, diese in ihren Therapie- und Verordnungsentscheidungen unsachlich zu beeinflussen.

Es mag auch zutreffen, dass der vom Unternehmen getragene Übernachtungspreis von 179,00 EUR pro Person sich in dem Rahmen bewegt, der in Hamburg für vergleichbare Konferenzhotels, darunter auch solchen der 4 Sterne-Kategorie, verlangt wird.

Erfahrungsgemäß schwanken die Preise für Hotelübernachtungen entsprechend dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage, was insbesondere bei sinkender Nachfrage in Zeiten eines Konjunkturabschwungs zu einer Preissenkung und –nivellierung führen kann. Bei Beurteilung der „Angemessenheit“ i.S.d. § 20 Abs. 3 Satz 1 des FSA-Kodex Fachkreise ist jedoch nicht vordringlich auf den Preis einer Hotelunterbringung abzustellen, sondern – in Verbindung mit der Auslegungsregel des § 6 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise und der Ziff. 5.3 der Leitlinien – auf den Anreizfaktor zur Beeinflussung der ärztlichen Therapie- und Verordnungsfreiheit, der von einer entsprechend luxuriösen Hotelausstattung ausgeht. Unter Beachtung dieses Normzwecks konnte das Unternehmen auch nicht mit dem Argument gehört werden, die Übernachtung der Veranstaltungsteilnehmer im selben Hotel, in dem die wissenschaftliche Fortbildungsveranstaltung am Folgetage stattfand, sei zweckmäßig. Wenn es gerade darauf ankommt, den Anreiz, der von der Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit der luxuriösen Hotelausstattung ausgeht, zu meiden, muss das Unternehmen die Fortbildungsveranstaltung so planen, dass in dem gleichwohl als Tagungsort geeigneten Hotel eine Übernachtung für die Teilnehmer überflüssig ist oder es muss die Teilnehmer auf seine Kosten anderswo unterbringen.

Ergebnis

Das Mitgliedsunternehmen hat sich in einer strafbewehrten Erklärung verpflichtet, es zu unterlassen, für Angehörige der Fachkreise bei einer internen Fortbildungsveranstaltung Kosten für die Unterbringung in einem Hotel zu übernehmen, das aufgrund der Ausstattung der Hotelzimmer in Zusammenschau mit einem außergewöhnlich ausgeprägten Wellness-Bereich einen angemessenen Rahmen überschreitet.

Berlin, im Juni 2009