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§§ 3,4 Nr. 1 UWG – Unangemessener unsachlicher Einfluss auf Ärzte durch Angebot von Unterhaltungsprogrammen

AZ.: 2010.10-294 (1. Instanz)

Leitsatz

Lädt ein Unternehmen auf seine Kosten Ärzte zu einer Fortbildungsveranstaltung an einem Wintersportort im Februar ein, wobei von zwei Tagen am Ort lediglich ein halber Tag durch Fortbildung, die restliche Zeit durch Unterhaltungsprogramme ausgefüllt wird, ist dieses Angebot geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Ärzte im Hinblick auf die Verordnung von Arzneimitteln unangemessen unsachlich zu beeinflussen.

Sachverhalt

Ein Unternehmen (kein FSA-Mitglied) lud deutsche Ärzte zu einem „Urologie-Workshop“ ein, der vom 24. – 27.02.2011 in Levi (Finnland) stattfinden sollte. Im „vorläufigen Programm“, das dem Anmeldeformular beilag, war für den beruflich-fachlichen Anteil lediglich ein halber Tag reserviert. Die insgesamt für die Veranstaltung angesetzten vier Tage (Donnerstag bis Sonntag) waren ansonsten mit der An- und Abreise und diversen Freizeitprogrammen (Motor- und Hundeschlittensafari, Besuch einer Rentierfarm, Sauna) ausgefüllt. Alle angebotenen Leistungen (Flugreisen über Helsinki nach Levi, 3 Übernachtungen, Esseneinladungen, Freizeitunternehmungen) sollten auf Kosten des Unternehmens erbracht werden. Levi ist ein bekannter Wintersportort in Finnisch-Lappland.

Rechtliche Begründung

Die Einladung von deutschen Ärzten zu der Veranstaltung in Levi (Finnland) auf Kosten des Unternehmens verstößt gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs. Die Unlauterkeit ergibt sich daraus, dass den Ärzten im Rahmen eines „verlängerten Wochenendes“ (Donnerstag – Sonntag) an einem attraktiven Wintersportort unentgeltliche Zuwendungen (Reisen, Übernachtungen, Bewirtungen, organisierte Freizeitveranstaltungen) angeboten werden, wobei der Fortbildungszweck nur als Vorwand dient und völlig in den Hintergrund tritt. Die mit diesen Angeboten verbundene Einladung des Unternehmens verstößt gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG. Der Anreiz, der von den zugesagten persönlichen Vorteilen und Zuwendungen an die Ärzte ausgeht, ist geeignet, die ärztlichen Entscheidungen bei der Beratung ihrer Patienten und insbesondere bei der Verschreibung von Arzneimitteln unangemessen unsachlich zu beeinflussen.

Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gebietet es, dass sich der Arzt bei der Empfehlung oder Verordnung von Arzneimitteln allein vom Interesse des Patienten leiten lässt und nicht davon, ob dem Arzt hierbei persönliche Vorteile zugeflossen sind oder zufließen sollen. In der Rechtsordnung findet dieser Grundsatz vielfach Niederschlag, so z.B. im Erwägungsgrund 50 der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel: „Die zur Verschreibung von Arzneimitteln berechtigten Personen müssen ihre Aufgabe absolut objektiv erfüllen können, ohne direktem oder indirektem finanziellen Anreiz ausgesetzt zu sein. Sämtliche Verhaltensregeln beruhen auf der Annahme abstrakter Gefährlichkeit von Werbegaben an Ärzte im Sinne ihrer Geeignetheit zur Beeinflussung der ärztlichen Therapie durch sachfremde Erwägung.“ In § 32 der Musterberufsordnung (MBO) für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (Stand 2004) ist das generelle Verbot geregelt, Geschenke, soweit diese nicht geringfügig sind, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn dadurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Die Annahme von geldwerten Vorteilen im Rahmen von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen ist berufswidrig, soweit diese unangemessen sind oder der Zweck der Fortbildung nicht im Vordergrund steht (s. § 33 Abs. 4 MBO). Auch in der Rechtsprechung des BGH wird die o.g. Auffassung von der Stellung und Verantwortung des Arztes gegenüber dem Patienten betont (vgl. BGH, GRUR 2005, 1059, 1060 – Quersubventionierung von Laborgemeinschaften).

Im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient sind materielle Zuwendungen durch ein Unternehmen an den Arzt, auch wenn diese nicht direkt an Bestellungen oder Verordnungen von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens geknüpft sind, unter bestimmten Voraussetzungen geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Ärzte unangemessen unsachlich zu beeinträchtigen (vgl. hierzu BGH / Quersubventionierung von Laborgemeinschaften, aaO., wonach es im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG auf eine „rechtliche Koppelung“ zwischen Verordnung und Zuwendung nicht ankommt). Die Gefahr derartiger Zuwendungen durch Unternehmen an Ärzte besteht darin, dass sie einen Sympathievorschuss für das Unternehmen verschaffen und eine Grundneigung beim Zuwendungsempfänger erzeugen, sich „erkenntlich zu zeigen“. Weil von Ärzten eine erhöhte Objektivität erwartet wird, ist im Gesundheitsbereich eine tendenziell strenge Auslegung des § 4 Nr. 1 UWG geboten (s. Harte / Henning / Stuckel, UWG, 2. A., Rdnr. 117 zu § 4 Nr. 1).

Die vorliegenden Umstände, insbesondere die Höhe der den Ärzten im Rahmen des Aufenthalts am Wintersportort zufließenden Vorteile und Zuwendungen, sind geeignet, eine allgemeine Gewogenheit bei den Adressaten zu fördern, im Rahmen ihrer Verordnungsentscheidungen die Produkte des Unternehmens zu berücksichtigen. Der Gesamtwert der zugesagten Zuwendungen (Reisekosten, Übernachtungen, Bewirtungen, Unterhaltungsprogramme) liegt bei ca. 1.000 – 2.000 EUR pro Arzt. Als weitere Attraktion bei derartigen „Freizeitreisen“, bei denen der Fortbildungsanteil in den Hintergrund rückt, kommen die gemeinsam erlebten Events (hier: Hundeschlittensafari, Sauna etc.) hinzu. Erfahrungsgemäß fördert dies bei den teilnehmenden Ärzten eine bewusste oder unbewusste Verbundenheit mit dem Unternehmen. Allein aus diesem Grunde wurde der Veranstaltungsort im Wintersportgebiet in Lappland ausgewählt. Ein sachlicher, mit der Fortbildung der Ärzte verbundener Grund ist für die Auswahl dieses Ortes, der nur über eine lange Anreise zu erreichen ist, nicht ersichtlich. 1)

Ergebnis

Auf die Abmahnung durch den FSA hat das Unternehmen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Berlin, im Januar 2011

1) Anmerkung: Bei einer Beanstandung aufgrund des vorliegenden Sachverhalts gegen ein Mitglied des FSA lägen Verstöße gegen § 20 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 des FSA-Kodex Fachkreise vor.