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§§ 20 Abs. 1, 20 Abs. 2 S. 2 und § 21 FSA-Kodex Fachkreise – Verhältnis von berufsbezogenen Themen aus dem Produkt- bzw. Indikationsbereich des Unternehmens zu allgemeinen gesundheitspolitischen Themen bei internen Fortbildungsveranstaltungen

AZ.: 2013.2-354

Sachverhalt

Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KG (nachfolgend „Bristol-Myers“) hat niedergelassene Ärzte aus Bremen zu einer Fortbildungsveranstaltung (Ärztlicher Qualitätszirkel „Antikoagulation im Dialog“) am 07.02.2013 in das Medizinische Versorgungszentrum Bremen-Mitte („MVZ“) eingeladen. Laut Programm, das den Einladungsschreiben beilag, sollte Dr. R., Arzt am MVZ, zum Thema „Antikoagulation im Dialog – Neue Erkenntnisse zu Diagnose und Therapieansätze, Bedeutung der Antikoagulation im Alltag“ von 18:15 – 19:45 Uhr referieren, woran sich eine ½-stündige Diskussion anschließen sollte. Im Anschluss an den fachlichen Teil wurde um 20:30 Uhr zu einem „Imbiss“ eingeladen. Die Veranstaltung wurde durch die zuständige Ärztekammer mit der Vergabe von drei Fortbildungspunkten zertifiziert.

Am 07.02.2013 verlief die Veranstaltung jedoch anders als angekündigt: Nach der Begrüßung der Teilnehmer wurde Dr. R. „zu einem Notfall“ gerufen, worauf Dr. K., Mitarbeiter von Bristol Myers, an seiner Stelle das Referat hielt. Dr. R. kam später – nach Aussagen von Teilnehmern nach ca. 10 Minuten – zur Veranstaltung zurück und nahm fortan als Zuhörer teil. Das Referat von Dr. K. dauerte 25 – 30 Minuten, woran sich eine 15-minütige Diskussion anschloss. Im Anschluss referierte – in der Einladung nicht angekündigt – Dr. R., ein Mitarbeiter des Unternehmens P., unter dem Titel „Pillen, Packungen, Paragraphen – Aktuelles aus der Gesundheitspolitik“ über das aufgrund des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) in Deutschland eingeführte Verfahren zur Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln. Dieses Referat – inkl. Diskussion – nahm nach Angaben von Bristol Myers ca. 45 Minuten in Anspruch.

An der Veranstaltung nahmen insgesamt 10 Ärztinnen und Ärzte teil. Zusätzlich waren 4 Mitarbeiter der Unternehmen Bristol-Myers und P. anwesend. Zwischen beiden Unternehmen besteht eine Zusammenarbeit über Entwicklung und Vertrieb des Arzneimittels E., das als Anticoagulans zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern indiziert ist. Insgesamt 7 Ärzte wurden nach der Veranstaltung auf Kosten von Bristol-Myers in einem Restaurant bewirtet. Die Gesamtkosten betrugen 394,70 € brutto. Der gegenüber der Einladung veränderte Ablauf der Veranstaltung veranlasste die ÄK zur Aberkennung der Zertifizierung.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Bristol-Myers hat gegen § 20 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 FSA-Kodex-Fachkreise verstoßen, indem sie an der Veranstaltung vom 07.02.2013 teilnehmende Ärztinnen und Ärzte im Anschluss daran bewirtete, obwohl die Veranstaltung insgesamt nicht den Anforderungen an eine berufsbezogene Fortbildung nach § 20 Abs. 1 genügte. Es liegt zudem ein Verstoß gegen § 22 FSA-Kodex Fachkreise vor, da die Bewirtung nicht als Arbeitsessen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen war. Da die Kosten der Bewirtung pro Teilnehmer die Grenze der Geringwertigkeit weit überstiegen, hat das Unternehmen auch gegen das Geschenkeverbot nach § 21 Fachkreise-Kodex verstoßen.

Nach § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise dürfen Angehörigen der Fachkreise die entsprechenden Zuwendungen, darunter Bewirtungen, nur gewährt werden, wenn die Fortbildungsveranstaltung, zu der sie eingeladen wurden, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 erfüllt. Derartige Fortbildungsveranstaltungen müssen einen konkreten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem pharmakologischen Aufgaben- /Indikationsbereich, also mit Forschung, Entwicklung und Vertrieb von Produkten des veranstaltenden Pharmaunternehmens, aufweisen und zu einer berufsbezogenen Wissensvermittlung für die Ärzte aus diesem Bereich beitragen (s. FS II 1/06/2005.9-90; 4/07/2007.3-160; Dieners, Handbuch Compliance im Gesundheitswesen, 3.A. Kap. 11, Rn. 218f). Dem widerspricht nicht das Wort „insbesondere“ in § 20 Abs. 1, das die Themenbereiche zwar nicht abschließend, sondern (nur) beispielhaft aufführt. Es muss sich jedoch bei allen im Wortlaut der Vorschrift genannten Beispielen um Themen handeln, bei denen ein konkreter und unmittelbarer Zusammenhang mit den fachlichen Aufgabenbereichen des Pharmaunternehmens besteht (dazu FS II 1/06/2005.9-90). Andernfalls sind die genannten Zuwendungen und ggf. auch eine unentgeltliche Wissensvermittlung für die Ärzte nach dem FSA-Kodex nicht gerechtfertigt.

Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang ist für das Referat „Antikoagulation im Dialog“ zu bejahen. Dem steht nicht entgegen, dass die Ärztekammer die Zertifizierung und damit die Erteilung von Fortbildungspunkten für die Veranstaltung insgesamt zurücknahm, weil dieses Referat entgegen der Einladung durch einen Mitarbeiter des Unternehmens gehalten wurde. Die für die Rücknahme der Anerkennung maßgebenden Gründe entstammen einem Rechtskreis, dessen Kriterien bei der Bestimmung der Zulässigkeit einer internen Fortbildungsveranstaltung nach § 20 Abs. 1 nicht ohne weiteres zu berücksichtigen sind.

Das von Dr. R. gehaltene Referat erfüllt hingegen nicht die Kriterien des § 20 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise, weil es sich nicht unmittelbar mit dem fachlichen Aufgabenbereich von Bristol-Myers befasst. Dabei ist unbeachtlich, dass dieser Programmteil in der Einladung überhaupt nicht vorgesehen war. Unter die Handlungsformen des § 20 Fachkreise-Kodex fällt nicht nur das „Einladen“, sondern erst recht die konkrete Durchführung einer Veranstaltung. Für die rechtliche Beurteilung ist daher die tatsächliche Durchführung der Veranstaltung entscheidend. Was bereits die Überschrift „Aktuelles aus der Gesundheitspolitik“ nahelegt, wird durch die vorgelegten Ausdrucke der Präsentation bestätigt: Das Referat liefert eine Übersicht über die Nutzenbewertung nach dem AMNOG-Verfahren und behandelt in diesem Zusammenhang diverse Fragestellungen, die mit der Erstellung eines entsprechenden Dossiers zusammenhängen. Es werden allgemeine arzneimittelrechtliche und gesundheitspolitische Fragen abgehandelt, die alle Unternehmen betreffen, die innovative Arzneimittel auf den Markt bringen, nicht ausschließlich Bristol Myers und deren Produkte. In einer Übersicht über den Stand der AMNOG-Verfahren werden die Arzneimittel/Wirkstoffe einer Vielzahl von Anbietern genannt.

Der Spruchkörper 1. Instanz verkennt hierbei nicht, dass in eine interne Fortbildungsveranstaltung auch Themen einbezogen werden können, die in einem engen, fachlich übergreifenden Zusammenhang zum Aufgaben- und Produktbereich des Unternehmens stehen und in dieser Verknüpfung eine sinnvolle Fortbildungseinheit für Ärzte bilden (s. FS II a.a.O. und FS II 2/6/2005.12-106). Dies ist jedoch hier nicht schon deshalb gegeben, weil sich eine Folie der Präsentation (unter vielen) mit dem Zeitablauf für die Nutzenbewertung des Präparates E., dem von Bristol-Myers und P. zu vermarktenden Antikoagulationsmittel, befasst. Ein sinnvoller fachlicher Zusammenhang zum Referat „Antikoagulation im Dialog“, das sich mit Behandlungsleitlinien, Therapieansätzen und der Studienlage zu verschiedenen Arzneimitteln, darunter E., auf diesem Indikationsgebiet befasst, ergibt sich für die teilnehmenden Ärzte hieraus allein nicht. Als Indiz für den fehlenden Fortbildungszusammenhang zum Thema „Antikoagulation“ kann auch gelten, dass die Einladung ein derartiges gesundheitspolitisches Referat überhaupt nicht vorsah. Es wurde gleichsam „aus der Not der Situation“ von einem anwesenden Mitarbeiter des Unternehmens P. gehalten.

Nach der Rechtsprechung der FSA-Spruchkörper können allerdings – neben nach § 20 Abs. 1 zulässigen Elementen einer Fortbildungsveranstaltung – zusätzlich auch allgemeine arzneimittelbezogene oder gesundheitspolitische Themen behandelt werden, die allenfalls im mittelbaren Zusammenhang mit dem Arzneimittelbereich des Unternehmens stehen. Diese Veranstaltungsteile müssen jedoch gegenüber den anderen nach § 20 Abs. 1 zulässigen Fortbildungsthemen weniger ins Gewicht fallen, d.h. weniger als 50 % des gesamten Veranstaltungsprogramms ausmachen (FS II a.a.O.; zuletzt FS I 2008.1-219). Nach den getroffenen Feststellungen liegen diese Voraussetzungen jedoch hier nicht vor, da beide Referate, einschließlich des jeweiligen Diskussionsteils, eine gleiche Zeitdauer beanspruchten.

Die Bewirtung war auch nicht als Arbeitsessen nach § 22 FSA-Kodex Fachkreise zulässig. Diese wäre dann gerechtfertigt, wenn die teilnehmenden Ärzte mit den Mitarbeitern des Unternehmens im Rahmen von konkreten Projekten zum Austausch über fachliche Fragen zusammengekommen wären (vgl. Dieners a.a.O. Kap. 11, Rn. 319 und 322). Dafür wurde nichts vorgetragen. Es handelte sich hier lediglich um die Bewirtung von „passiven“ Teilnehmern an einer vom Unternehmen organisierten Veranstaltung im Anschluss an diese Veranstaltung. Die Bewirtung der sieben teilnehmenden Ärzte stellt somit ein unzulässiges Geschenk i.S.d. § 21 FSA-Kodex Fachkreise dar. Die Geringwertigkeitsgrenze gemäß § 21 Abs. 3 i.V.m. FSA-Leitlinie Nr. 9 ist mit einem Betrag von mehr als 56 EUR pro Arzt eindeutig überschritten.2.

Ergebnis

Bristol Myers hat sich mit Unterlassungserklärung vom 24. Juli 2013 verpflichtet, es zu unterlassen, eine Veranstaltung für Fachkreisangehörige durchzuführen und diese anschließend auf eigene Kosten mit einem Aufwand von 56 EUR pro Teilnehmer zu bewirten, wenn auf dieser Veranstaltung außer einem 30-minütigen Vortrag zum Thema „Antikoagulation im Dialog“ ein weiterer 30-minütiger Vortrag zum Thema „Pillen, Packungen, Paragraphen – Aktuelles aus der Gesundheitspolitik“, dessen Gegenstand das (Abkürzung) AMNOG ist, gehalten wird.

Für Zuwiderhandlungen wird ein Ordnungsgeld von 10.000 EUR angedroht.

Darüberhinaus hat Bristol Myers eine Geldstrafe von 10.000 EUR zugunsten einer gemeinnützigen Vereinigung entrichtet.

Berlin, im März 2014