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§ 20 Abs. 5 Satz 1, § 3, 18 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 FSA-Kodex: Zur Angemessenheit der an gewerbliche Veranstalter gezahlten Sponsorenzahlungen

AZ.: 2013.9-360-362

Leitsätze

1. Der Regelungszweck des § 20 Abs. 5 Satz 1 FSA-Kodex umfasst auch Fortbildungsveranstaltungen gewerblicher Anbieter. Die Entscheidung des Spruchkörpers II. Instanz zu § 20 Abs. 5 Satz 3 FSA-Kodex ist auf die Frage der Beurteilung der Angemessenheit gem. § 20 Abs. 5 Satz 1 FSA-Kodex übertragbar.

2. Die Leitlinie 10 zu § 6 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 11 zur Auslegung des Begriffs „angemessener Umfang der finanziellen Unterstützung von externen Fortbildungsveranstaltungen“ (§ 20 Abs. 5 Satz 1) ist keine abschließende Regelung in der Weise, dass nur die dort in Ziff. 10.3 und 10.4 genannten Einzelfragen bei der Prüfung der Angemessenheit betrachtet werden könnten.

3. Die Vereinbarung einer Indikationsexklusivität für die parallel zu einer Fortbildungs-veranstaltung durchgeführte Industrieausstellung kann im Einzelfall dazu führen, dass die Angehörigen der Fachkreise einseitig und unvollständig informiert und damit in ihren Therapie-, Verordnungs- und Beschaffungsentscheidungen in unlauterer Weise beeinflusst werden. Dies gilt auch dann, wenn die Indikationsexklusivität zwar nicht Gegenstand der Vereinbarung, aber gängige Praxis des Veranstalters ist.

4. In entsprechender Anwendung von §§ 3, 18 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise sind Unternehmen gehalten, gegenüber den Veranstaltern externer Fortbildungsveranstaltungen darauf hinzuwirken, dass die von diesen an Referenten gezahlten Honorare angemessen sind und dass diese – spätestens bei der Durchführung der Veranstaltung – darauf hinweisen, dass der/die Referent(en) auch für das/die als Sponsor auftretende(n) Unternehmen tätig sind, sofern der Gegenstand ihres Beitrags auf der Veranstaltung gleichzeitig Gegenstand der Vertragsbeziehung oder irgendein anderer das/die Unternehmen betreffender Gegenstand ist.

Sachverhalt

Dem FSA ging eine Beanstandung zu, die die Höhe der Sponsoringleistungen von drei Mitgliedsunternehmen für die Veranstaltung „Die aktuelle Welt der Kardiologie“ zum Gegenstand hatte. Die Veranstaltung fand im November/Dezember 2013 an vier Terminen in Köln, Hamburg, Berlin und München statt. Da Veranstalter der Fortbildung ein gewerbliches Unternehmen war, wurden die vorliegenden Verfahren zunächst ausgesetzt bis die Frage der Anwendbarkeit von § 20 Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise auf Fortbildungsveranstaltungen gewerblicher Anbieter geklärt war. Diese Frage wurde durch die Entscheidung des Spruchkörpers II. Instanz zu FS II 1/14/2013.2-346/349/352 für § 20 Abs. 5 Satz 3 FSA-Kodex bejaht.

Daraufhin wurden die vorliegenden Verfahren wieder aufgenommen. Die Unternehmen haben im Einzelnen dargelegt, dass sie mit dem Veranstalter Verträge über die Unterstützung der o.g. Veranstaltung geschlossen hatten. Die Unterstützung bezog sich insgesamt auf Summen zwischen 40.000 und 100.000 EUR für die vier Veranstaltungstermine. Als Gegenleistungen wurde den Unternehmen im Wesentlichen gleiche Leistungen, u.a. die Bewerbung ihres Unternehmens durch die prominente Verwendung ihres Firmenlogos gestattet und Standflächen von 6-15 m2 auf der parallel zur Fortbildungsveranstaltung durchgeführten Industrieausstellung zur Verfügung gestellt.

Zweien der Verträge lagen Angebote des Veranstalters zugrunde, die eine Indikationsexklusivität für die Beteiligung des Unternehmens an der Industrieausstellung zum Gegenstand hatten; damit sollte sichergestellt werden, dass kein anderer Sponsor berechtigt ist, mit einem Stand zu etwaigen Konkurrenz-Präparaten in der entsprechenden Indikation in der Industrieausstellung präsent zu sein. Diese Indikationsexklusivität wurde gegenüber einem Unternehmen mit einem Wert von 20.000 EUR beziffert. Dieses Unternehmen hat die Exklusivität ausdrücklich zum Gegenstand des Vertrags mit dem Veranstalter gemacht; bei den beiden anderen Unternehmen war sie vertraglich nicht vereinbart, faktisch aber ebenfalls gegeben, da weitere Unternehmen in den hier erheblichen Subindikationen weder als Sponsoren noch auf der Industrieausstellung mit einem Kongresstand auftraten.

Insgesamt war die Teilnahme von ca. 350 Ärzten geplant; ca. 250 Teilnehmer haben die Veranstaltung tatsächlich besucht.

Der gewerbliche Anbieter hat die Veranstaltung in eigener Verantwortung organisiert, insgesamt fünf Referenten beauftragt und honoriert sowie die Standflächen zur Verfügung gestellt. Die vereinbarten Honorare wurden der Schiedsstelle vom Veranstalter offen gelegt.

Auf Nachfrage der Schiedsstelle wurde von den Unternehmen weiter mitgeteilt, dass vier der fünf Referenten, unabhängig von der vorliegenden Veranstaltung, in den Jahren 2011 – 2013 diverse Honorare von den Mitgliedsunternehmen, die hier als Sponsoren auftraten, für sonstige Beratungs- bzw. Referententätigkeiten erhalten haben. Diese Verbindung der Referenten mit den Mitgliedsunternehmen, deren Art und Umfang der Schiedsstelle nur von einem der Unternehmen im Einzelnen bekannt gegeben wurde, wurden weder bei der Ankündigung noch bei der Durchführung der Veranstaltung offengelegt, wie dies § 18 Abs. 2 FSA-Kodex für die vertragliche Zusammenarbeit der Unternehmen mit Angehörigen der Fachkreise verlangt.

Die Schiedsstelle hat im Übrigen umfangreich Auskünfte zu den Usancen derartiger Veranstaltungen durch Gespräche mit verschiedenen gewerblichen Veranstaltern im medizinischen Bereich, auch mit dem Anbieter dieser Veranstaltung eingeholt.

Die Unternehmen haben teilweise grundsätzliche Bedenken gegen die Prüfung der Angemessenheit der Sponsorenzahlungen unter Bezugnahme auf § 24 GWB erhoben und auch die Übertragbarkeit der Entscheidung des Spruchkörpers II. Instanz zu FS II 1/14/2013.2-346/349/352 auf die Frage der Angemessenheit nach § 20 Abs. 5 Satz 1 FSA-Kodex in Abrede gestellt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Schiedsstelle legt den vorliegenden Verfahren die Entscheidung des Spruchkörpers II. Instanz zu § 20 Abs. 5 Satz 3 FSA-Kodex der Beurteilung der Angemessenheit gem. § 20 Abs. 5 Satz 1 FSA-Kodex zugrunde. Die teilweise geäußerten Bedenken hinsichtlich der Übertragbarkeit der Entscheidung auf § 20 Abs. 5 Satz 1 FSA-Kodex teilt die Schiedsstelle nicht. Auch bei Fortbildungs-veranstaltungen gewerblicher Anbieter kann durch unangemessen hohe Zahlungen Einfluss auf die Unabhängigkeit der Veranstalter und die der Referenten ausgeübt werden. Der Regelungszweck des § 20 Abs. 5 Satz 1 FSA-Kodex umfasst nach Auffassung der Schiedsstelle auch Fortbildungs-veranstaltungen gewerblicher Anbieter.

Unter den Rahmenbedingungen der vorliegenden Veranstaltung beurteilt die Schiedsstelle die von den Unternehmen geleisteten Zahlungen noch als angemessen. Die konkrete Kalkulation, in die der Spruchkörper beim Veranstalter Einblick nehmen konnte, ergab eine Gesamterlössituation, die mit jener vergleichbar ist, wie sie von Unternehmen der pharmazeutischen Industrie bekannt ist.

Indizien dafür, dass der unterschiedlichen Höhe der Sponsorensummen und die besonders hohe Unterstützung durch einzelne Unternehmen besondere, kodex-relevante Tatsachen zugrunde liegen, waren im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Der Spruchkörper sieht daher keinen Anlass, die Höhe der gezahlten Sponsorenzahlungen zu beanstanden.

Dies gilt auch für die Indikationsexklusivität, aufgrund derer andere Unternehmen mit relevanten Konkurrenzpräparaten von der Veranstaltung bzw. der damit verbundenen Industrieausstellung ausgeschlossen waren. Wenn, wie dies im Rahmen der Anhörungen der Schiedsstelle dargelegt wurde, Veranstaltungen dieser Art auch als „access model“ für die Unternehmen gegenüber den Ärzten verstanden werden müssen, musste dies zwar dazu führen, dass nur die insoweit begünstigten Unternehmen als – vertraglich oder faktisch – exklusive Sponsoren hinsichtlich „ihrer“ Indikation exklusiven Zugang zu den teilnehmenden Ärzten hatten.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass damit die Freiheit der Ärzte in ihren Therapie-, Verordnungs- und Beschaffungsentscheidungen beeinflusst oder gefährdet wurde, waren allerdings im konkreten Fall nicht festzustellen. Der Spruchkörper sieht daher keinen Anlass, die vereinbarte Exklusivität, sei sie ausdrücklich vereinbart oder de facto eingeräumt, zu beanstanden.

Der Spruchkörper sieht sich im Übrigen durch § 24 GWB auch nicht als gehindert an, die Prüfung der Angemessenheit der Sponsorenzahlungen vorzunehmen. Die Mitglieder des FSA haben eine Kodex-Regelung gewählt, die ausdrücklich auch den Umfang der finanziellen Unterstützung von Fortbildungsveranstaltungen der Prüfung durch den Spruchkörper unterstellt. Diese Regelung ist vom Bundeskartellamt geprüft und genehmigt worden. Durch die Kodex-Prüfung wird weder in den kommerziellen Markt für Fortbildungs- und Kongressveranstaltungen eingegriffen, noch eine Preisregulierung vorgenommen. Die Schiedsstelle konnte ihre Prüfung im Wesentlichen darauf beschränken, ob durch die jeweiligen Zahlungen in unlauterer Weise die Freiheit der Angehörigen der Fachkreise in ihren Therapie-, Verordnungs- und Beschaffungsentscheidungen beeinflusst wird. Die Schiedsstelle sieht diese Prüfung ohne Weiteres als mit § 24 GWB vereinbar an.

In entsprechender Anwendung von §§ 3 Abs. 2, 18 Abs. 1 Nr. 6 FSA-Kodex Fachkreise sind die Unternehmen gehalten, gegenüber den Veranstaltern externer Fortbildungsveranstaltungen in angemessener Weise darauf hinzuwirken, dass die vom gewerblichen Veranstalter an die Referenten gezahlten Honorare zu der erbrachten Leistung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Schiedsstelle wurden diese Honorare offen gelegt. Sie wahren diesen Rahmen.

Dabei hat die Schiedsstelle mit berücksichtigt, dass zwischen den Unternehmen und einzelnen Referenten, unabhängig von der vorliegenden Veranstaltung, in den Jahren 2011 und 2013 diverse Beratungs- und Referentenverhältnisse bestanden haben. Dies könnte dazu führen, dass die Beiträge des jeweiligen Referenten auf der Veranstaltung sich in wesentlichem Umfang mit jenen Themen decken, die auch den Gegenstand seiner jeweiligen Tätigkeit für das betreffende Unternehmen ausmachen. Dies wiederum könnte sowohl Zweifel an seiner Objektivität begründen, zumal diese Tätigkeiten der Referenten den Teilnehmern der Veranstaltung nicht offen gelegt wurden (- wie dies § 18 Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise vorsieht -), als auch an der Angemessenheit des vom Veranstalter gezahlten Honorars; für eine Zweit- oder gar Drittverwertung dürften wohl nur niedrigere Honorarsätze angemessen sein.

Die von den Unternehmen mit dem Veranstalter abgeschlossenen Vereinbarungen enthielten regelmäßig eine pauschale Verpflichtung zur Einhaltung der FSA-Kodizes, die nach der Spruchpraxis zu § 20 Abs. 5 Satz 3 FSA-Kodex Fachkreise zumindest dann noch ausreichen dürfte, wenn die Unternehmen – wie im vorliegenden Fall – über die Anwendbarkeit von § 20 Abs. 5 Satz 3 FSA-Kodex

Fachkreise auf gewerbliche Anbieter von Fortbildungsveranstaltungen sich im Unklaren befunden haben. Anzeichen für eine Zweit- oder gar Drittverwertung von Arbeitsergebnissen, die die Referenten bereits zuvor für die Unternehmen erstellt hatten, waren nicht auszumachen; die Referate bezogen sich auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, die gerade auf internationalen Kongressen vorgetragen wurden.

Die Verfahren wurden im Februar 2015 eingestellt.

Der Vorgang gibt der Schiedsstelle Anlass zu folgenden Hinweisen:

1. Die Leitlinie 10 zu § 6 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 11 zur Auslegung des Begriffs „angemessener Umfang der finanziellen Unterstützung von externen Fortbildungsveranstaltungen“ (§ 20 Abs. 5 Satz 1) sieht die Schiedsstelle nicht als abschließende Regelung in der Weise an, dass nur die dort in Ziff. 10.3 und 10.4 genannten Einzelfragen bei der Prüfung der Angemessenheit betrachtet werden könnten; sie schließen weitere Merkmale der jeweiligen Veranstaltung nicht von der Prüfung aus wie Art und Umfang des werblichen Auftritts, Renommée der Veranstaltung, erwartete Teilnehmeranzahl, Dauer der Veranstaltung; Vertragsbeziehungen mit den Referenten, Zahl der Sponsoren usw.

2. Die Vereinbarung einer Indikationsexklusivität, derzufolge nur der berechtigte Unternehmer mit einem Ausstellungsstand, Bannerwerbung u.ä. Gegenleistungen auf einer Fortbildungsveranstaltung präsent sein darf, schließt andere pharmazeutische Unternehmen mit gleichen Indikationsschwerpunkten bewusst und absichtlich von der Veranstaltung aus. Sie kann daher den objektiven Charakter der Veranstaltung beeinflussen, da den Teilnehmern Informationen vergleichbarer Anbieter bei dieser Gelegenheit vorenthalten werden. Das kann dazu führen, dass die Angehörigen der Fachkreise einseitig und unvollständig informiert und damit in ihrer Therapie-, Verordnungs- und Beschaffungsentscheidungen in unlauterer Weise beeinflusst werden. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sich die Indikationsexklusivität nicht aus der vertraglichen Vereinbarung, sondern aus der gängigen Praxis des Veranstalters bei der Auswahl der Sponsoren ergibt.

Die Pflicht des Unternehmens aus § 3 Abs. 2 FSA-Kodex darauf hinzuwirken, dass die Verpflichtungen des Kodex durch den Vertragspartner, hier: den Veranstalter, eingehalten werden, schließt die Regelungen von § 18 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 FSA-Kodex mit ein. Danach sind die Unternehmen auch gehalten, gegenüber den Veranstaltern externer Fortbildungsveranstaltungen sicherzustellen, dass diese frühzeitig, spätestens bei der Veranstaltung darauf hinweisen, dass der/die Referent(en) für das/die betreffende(n) Unternehmen tätig sind, sofern der Gegenstand ihres Beitrags auf der Veranstaltung gleichzeitig Gegenstand der Vertragsbeziehung oder irgendein anderer das/die Unternehmen betreffender Gegenstand ist.

Wie der Umfang dieser Hinwirkungspflicht vor dem Hintergrund der Regelung im EFPIA HCP Code, der insoweit von „Sicherstellen“ spricht (“…reasonable steps to ensure [Hervorhebung durch den Spruchkörper] that any other parties …. comply with Applicable Codes“; SCOPE, Abs. 2), auszulegen ist, konnte die Schiedsstelle im vorliegenden Fall noch offen lassen.

Berlin, im April 2015