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§ 13 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise – Belästigung eines Angehörigen der Fachkreise durch unerwünschte Zusendungen

AZ.: 2017.12-539

Leitsätze

1. Die weitere Zusendung von Werbematerial an Angehörige der Fachkreise stellt zumindest dann eine unzumutbare Belästigung dar, wenn der Arzt dem Vertreter des Unternehmens mitteilt, dass er diese Unterlagen nicht angefordert hat und bittet, ihn von der Verteiler-Liste zu streichen.

2. Die übliche und z.T. notwendige Verwendung von Standardprozessen entbindet das Unternehmen nicht von der Aufgabe, eine substantiiert vorgetragene Beschwerde im Rahmen des Möglichen individuell und substantiiert zu entkräften. Pauschale Aussagen sind dazu im Zweifel nicht geeignet.

Sachverhalt

Ein Angehöriger der Fachkreise reichte bei der Schiedsstelle die Beanstandung ein, das Mitgliedsunternehmen MSD Sharp & Dohme GmbH habe seit ca. 2 Jahren Werbematerial mit dem Aufdruck „Ihre angeforderten Unterlagen“ mit Anschreiben unterschiedlicher Personen an seine Praxis verschickt. Darin würde ihm jeweils „für unser nettes Gespräch“ gedankt und zum Ausdruck gebracht, dass man sich „schon sehr auf unseren nächsten Kontakt“ freue.

Der Beanstandende führte dazu aus, er habe die Personen, die die Schreiben unterzeichnet hatten, weder jemals gesehen noch habe er bei ihnen Unterlagen angefordert. Er habe vielmehr bereits nach der zweiten Sendung die auf dem Schreiben abgebildete Person angerufen und darum gebeten, ihm doch das Datum des Gesprächs zu nennen. Darauf habe er die ausweichende Antwort erhalten, manchmal würden solche Schreiben “auch vom Schreibtisch aus“ gemacht, also ohne dass ein vorhergehendes Gespräch tatsächlich stattgefunden habe. Seiner Bitte, ihn von der Verteiler-Liste zu streichen, sei nie entsprochen worden, obgleich ihm dies zugesagt worden sei. Auch die Zusage, die unerwünschten Sendungen wieder abzuholen, sei nicht eingehalten worden.

Das Unternehmen führte dazu aus, die Zusendungen gingen wohl auf eine vom Unternehmen beauftragte Agentur zurück, die durch sog. ereps telefonische Kontakte mit Angehörigen der Fachkreise unterhalte. Zusendungen würden gem. dem vereinbarten Prozedere immer nur individuell und dann erfolgen, wenn dies der Arzt erbeten oder ihr im Einzelfall zugestimmt habe. Unaufgeforderte Aussendungen erfolgten nicht.

Die Mitarbeiter ihres Außendienstes hätten ausgeführt, dass sie sich nicht an Gespräche mit dem Arzt zur Einstellung von Zusendungen oder zur Abholung von Unterlagen erinnern könnten; auch in der Datenbank sei nichts Derartiges gespeichert. Eine Mitarbeiterin des Dienstleisters, die für Kontakte mit dem Beanstandenden zuständig gewesen sei, arbeite dort nicht mehr.

Spezifische Aussagen der Unterzeichner der Schreiben, die der Beanstandende beispielhaft vorlegte, wurden der Schiedsstelle nicht eingereicht.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Gem. § 13 Abs. 1 Kodex dürfen Angehörige der Fachkreise durch Werbung nicht unzumutbar belästigt werden. Eine unzumutbare Belästigung liegt insbesondere vor, wenn eine Werbung erfolgt, obwohl es für den Werbenden erkennbar ist, dass der Adressat diese nicht wünscht.

Nach dem Vortrag beider Beteiligter hat es in dem Zeitraum 2016/2017 mindestens neun Kontakte gegeben, die durch die ereps des Dienstleisters bei der Praxis des Beanstandenden durchgeführt wurden. Aus dem Sachvortrag ist zu schließen, dass mindestens sechs Kontakte wohl mit der Gattin des Arztes oder anderen Mitarbeitern der Praxis stattgefunden haben müssen – oder, wie der Beanstandende dies unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit einem erep vorträgt, „vom Schreibtisch aus“ gemacht wurden. Wenn in den folgenden Schreiben gegenüber dem Arzt Bezug genommen wird auf „unser nettes Gespräch“ ist das zumindest irreführend, denn mit ihm wurde in der Regel nicht gesprochen. Daraus ist aber auch zu folgern, dass es Zustimmungen des Arztes zur Versendung derartiger Unterlagen nicht gab, bestenfalls durch seine Frau oder andere Mitarbeiter in der Praxis.

Auch dies ist vom Unternehmen allerdings nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Das Unternehmen und der Dienstleister haben lediglich auf die allgemein üblichen und dort etablierten Prozesse hingewiesen, ohne dass dies im Einzelfall für die hier relevanten Kontakte nachvollziehbar dargetan worden wäre. Die Aussagen bewegen sich überwiegend im Allgemeinen und Pauschalen.

Demgegenüber sind die Äußerungen des Arztes präzise, nachvollziehbar und in sich schlüssig. Ihm ging es offenbar auch nur darum, den Fluss der Zusendungen zu stoppen und erst dann, als seine Bitten gegenüber dem Unternehmen erfolglos blieben, machte er sein Anliegen zum Gegenstand einer Beanstandung beim FSA. Die von ihm überreichten Unterlagen belegen seinen Vortrag.

Nach Abwägung dieser Gesichtspunkte kommt die Schiedsstelle zu dem Ergebnis, dass von der Richtigkeit des Vortrags des Beanstandenden auszugehen ist. Die Schiedsstelle verkennt nicht, dass ein Unternehmen, das mit einer Vielzahl von Außendienstmitarbeitern und einer großen Zahl von niedergelassenen Ärzten Kontakt pflegt, auf Standardprozesse angewiesen ist und nicht jeden Einzelfall dokumentieren kann. Allerdings kann dies nicht dazu führen, dass die substantiiert vorgetragene Beschwerde eines Arztes damit entkräftet wird, dass auf die bestehenden Prozesse verwiesen und mit pauschalen Aussagen widersprochen wird; vielmehr ist es dem Unternehmen dann zuzumuten, die Einzelfälle im Rahmen des Möglichen individuell zu entkräften, z.B. mit Aussagen aller betroffenen Beteiligten o.ä.

Ergebnis

Die Zusendung von Unterlagen wurde von der Schiedsstelle als unzumutbare Belästigung im Sinne von § 13. Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise beurteilt, d.h. als Werbung, obwohl es für das Unternehmen erkennbar sein musste, dass der Adressat diese nicht wünscht. Die Beanstandung war somit begründet.

Die MSD Sharp & Dohme GmbH wurde verpflichtet, es zu unterlassen, Angehörige der Fachkreise dadurch unzumutbar zu belästigen, dass ihnen Werbung zugesandt wird, obwohl es für das Unternehmen erkennbar ist, dass der Adressat diese nicht wünscht, so wie im vorliegenden Fall geschehen. Weiter wurde das Unternehmen zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von EUR 8.000 an German Doctors e.V., Bonn, verpflichtet. Dabei wurde zugunsten des Unternehmens unterstellt, dass es sich um ein Fehlverhalten gehandelt haben dürfte, das nur gegenüber einem Arzt, dort allerdings mehrfach, stattfand, und dass das Unternehmen die notwendigen Schritte ergriffen hat, um künftige Aussendungen zu stoppen. Zusendungen aus der Zeit vor Dezember 2016 wurden von der Schiedsstelle nicht berücksichtigt (§ 4 Abs. 2 VerfO).

Im Zusammenhang mit der Zahlung der Geldstrafe stellte die Schiedsstelle fest, dass die nach der Verfahrensordnung festgesetzten Geldstrafen Bußgelder und keine Spenden darstellen; eine Spendenbescheinigung kann dem Unternehmen daher nicht ausgestellt werden. Dies entspricht der ständigen Praxis der Schiedsstelle und auch der Regelung im OWiG.

Die Schiedsstelle geht im Übrigen davon aus, dass eine Veröffentlichung der Zahlung derartiger Geldbußen im Rahmen der Berichterstattung nach dem Transparenz-Kodex nicht erforderlich ist. Geldbußen dürften weder unter den Begriff der „Geldwerten Leistung“ noch den einer „Spende“ im Sinne des Transparenz-Kodex fallen. Die Transparenz wird in diesen Fällen ohnehin dadurch gewährleistet, dass die Entscheidung im Rahmen der Berichterstattung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 VerfO von der Schiedsstelle – wie hier – veröffentlicht wird.

Gleichwohl spricht aus Sicht der Schiedsstelle nichts dagegen, wenn ein Unternehmen die Zahlung einer Geldbuße auch im Rahmen der Berichterstattung nach dem Transparenz-Kodex publiziert.

Berlin, im Juli 2018