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§ 13 Abs. 1 Satz 2 FSA-Kodex Fachkreise – Belästigung eines Arztes durch Besuch eines Außendienstmitarbeiters

AZ.: 2017.2-515

Leitsätze

1. Eine unzumutbare Belästigung liegt z.B. dann vor, wenn bei einem Außendienstbesuch für den Mitarbeiter erkennbar ist bzw. sein muss, dass der Adressat diesen Besuch nicht wünscht und der Besuch daraufhin nicht unverzüglich abgebrochen wird.

2. Kritische Äußerungen eines Außendienstmitarbeiters gegenüber einem Arzt zum Umfang der Verordnung eines bestimmten Präparats und zu den Erwartungen an die künftigen Verordnungsweise sind mit einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Arzt und Außendienstmitarbeiter nicht vereinbar.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens ist die Beanstandung eines Arztes, ein Außendienstmitarbeiter des Mitgliedsunternehmens Daiichi Sankyo Deutschland GmbH habe einen Besuch bei seiner Klinik vorgenommen und dort unaufgefordert sein Arztzimmer betreten. Der Hinweis des Arztes, er habe für diesen Besuch keine Zeit, soll der Mitarbeiter nicht akzeptiert haben. Statt dessen habe er die Verordnungszahlen der Klinik für ein Präparat des Unternehmens bemängelt, die im Vergleich zu Präparaten anderer Herstellern zu niedrig seien; abschließend soll der Außendienstmitarbeiter schließlich die Frage gestellt haben, ob er sich nun endlich darauf verlassen könne, dass der Arzt dieses Präparat bei Neueinstellungen künftig besser berücksichtige.

Der Vorgang soll sich an der Tür des Arztzimmers abgespielt haben, das sich auf der Station befindet. Auf der gegenüber liegenden Seite des Flurs, wenige Meter von der Tür des Arztzimmers entfernt, sollen sich Patienten und Angehörige in Hörweite befunden haben. Der beanstandende Arzt meint, Dritte hätten die Möglichkeit gehabt, den Wortwechsel zu verfolgen. Seiner Auffassung nach habe dadurch auch die Gefahr bestanden, dass Dritte unsachliche oder falsche Schlüsse zur Zusammenarbeit zwischen der Klinik und dem Hersteller bei der Verordnung von Präparaten zogen.

Das Unternehmen führte dazu aus, der Besuch habe zwar tatsächlich stattgefunden, der Mitarbeiter sei aber vor der geöffneten Tür des Arztes stehen geblieben, ein weiterer Kollege, der ihn begleitet habe, bestätige dies. Eine Anmeldung sei unterblieben, weil die Pforte nicht besetzt gewesen sei. Bei einem früheren Gespräch habe der Mitarbeiter mit dem Arzt vereinbart, „sich demnächst bei ihm zu melden, am besten nachmittags“. Es seien bei dem jetzigen Besuch Verordnungszahlen des Präparats genannt worden; dies erfolge allerdings keinesfalls proaktiv; mit dem betroffenen Mitarbeiter sei deshalb ein klarstellendes Gespräch erfolgt. Sonstige Dritte hätten das Gespräch nicht mit anhören können, sofern sie das Gespräch nicht belauscht hätten.

Darauf hat der Beanstandende erwidert und im Wesentlichen seine frühere Darstellung bestätigt. Auf die Abmahnung der Schiedsstelle hat das Unternehmen keine Unterlassungserklärung abgegeben und für das weitere Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Nach dieser Verhandlung stellte sich der Schiedsstelle der Sachverhalt wie folgt dar:

  • Eine Anmeldung des Gesprächs über die Pforte der Klinik war nicht erfolgt;
  • die Mitarbeiter des Unternehmens hatten die Klinik über den Eingang der Ambulanz betreten, die zu diesem Zeitpunkt nicht besetzt gewesen sein mag;
  • der Außendienstmitarbeiter des Unternehmens stand zumindest im Türrahmen des Arztzimmers und sprach von dort aus den Arzt an,
  • der wiederum mehrfach darauf hinwies, dass er keine Zeit für ein Gespräch habe,
  • bis schließlich die Tonlage des Gesprächs eskalierte und
  • Äußerungen über die – aus der Sicht des Mitarbeiters – zu geringen Verordnungen fielen;
  • als der Arzt von seinem Schreibtisch aufstand, um die beiden Außendienstmitarbeiter nachdrücklich zum Gehen aufzufordern, wurde der Besuch schließlich beendet, allerdings verbunden mit einem Hinweis auf die Erwartungen an die künftigen Verordnungszahlen.

Ob sich auf der Seite des Flurs, die dem Eingang zum Arztzimmer gegenüber liegt, Personen aufhielten, wurde von den Beteiligten unterschiedlich wahrgenommen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Gem. § 13 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise ist Werbung, durch die Angehörige der Fachkreise unzumutbar belästigt werden, unzulässig. Eine unzumutbare Belästigung liegt insbesondere dann vor, wenn eine Werbung erfolgt, obwohl für den Werbenden erkennbar ist, dass der Adressat diese nicht wünscht. Dieser Tatbestand ist gegeben.

Gegenstand des Besuchs war Werbung für ein Präparat des Unternehmens. Der Beanstandende hatte klar zu erkennen gegeben, dass er für ein derartiges Gespräch an diesem Nachmittag nicht zur Verfügung stehen konnte. Ob dies aus Zeitmangel oder anderen Gründen der Fall war, ist unerheblich; es reicht aus, wenn für den Adressaten, den Außendienstmitarbeiter, klar sein musste, dass der Besuchte zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung stehen wollte.

Soweit der Mitarbeiter dazu in der mündlichen Verhandlung vortrug, er habe dies aus den Äußerungen des Arztes nicht erkannt, hält die Schiedsstelle diese Einlassung nur bedingt für nachvollziehbar. Selbst wenn dem Mitarbeiter zu Beginn des Gesprächs nicht klar gewesen sein sollte, dass der Arzt für einen Besuch keine Zeit hatte, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Unklarheit bei einer – unstreitig – mehrfachen Äußerung der Ablehnung andauerte. Aus Sicht der Schiedsstelle ist sowohl die mehrfache Ablehnung durch den Arzt als auch die damit verbundene Eskalation der Tonlage nur so zu interpretieren, dass seine Aufforderung zunächst nicht beachtet wurde und der Mitarbeiter den Besuch gerade nicht unverzüglich abbrechen wollte. Auch die Äußerungen zum Umfang der damaligen Verordnung des Präparats in dieser Klinik und die abschließende Frage zur künftigen Verordnungsweise, die unstreitig sind, lassen erkennen, dass der Außendienstmitarbeiter den Besuch erst dann beenden wollte, nachdem er noch weitere „Botschaften“ an den Arzt gegeben hatte. Dies ist mit einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Arzt und Außendienstmitarbeiter unvereinbar. Auch die Frage, ob sich der Mitarbeiter darauf verlassen könne, dass der Arzt ein bestimmtes Präparat bei Neueinstellungen künftig besser berücksichtige, ist nicht akzeptabel; die therapeutische Entscheidung liegt zu jeder Zeit allein beim Arzt. Daher ist der Tatbestand der Belästigung im Sinne des § 13 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise zu bejahen.

Ob, wie dies vom Beanstandenden vorgetragen wurde, Patienten und Angehörige auf der anderen Flurseite standen und ob diese Personen ggf. die Unterhaltung hätten mit anhören können, ist für die Bewertung des Sachverhalts im Sinne von § 13 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise nicht ausschlaggebend.

Ergebnis

Die Beanstandung war begründet. Die Schiedsstelle stellte einen Verstoß der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH gegen § 13 Abs. 1 FSA-Kodex fest. Das Unternehmen wurde verpflichtet, es künftig zu unterlassen, Angehörige der Fachkreise dadurch zu belästigen, dass es Außendienstbesuche nicht unverzüglich abbricht bzw. abbrechen lässt, wenn der angesprochene Angehörige der Fachkreise erkennen lässt, dass er im konkreten Zeitpunkt für ein Gespräch nicht zur Verfügung stehen will, so wie dies im konkreten Fall geschehen war.

Bei der Bemessung der Geldstrafe wurde lediglich die Mindeststrafe von EUR 5.000 festgesetzt. Dabei wurde zugunsten des Unternehmens unterstellt, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt haben dürfte, dass das Unternehmen unverzüglich ein klarstellendes Gespräch mit dem Mitarbeiter führte, disziplinarische Maßnahmen ergriff und schließlich, dass der Mitarbeiter das Treffen anlässlich der mündlichen Verhandlung nutzte, um mit dem betroffenen Arzt ein klarstellendes Gespräch zu führen.

Die Geldstrafe war an die Against Malaria Foundation Germany, 80538 München, zu zahlen.

Berlin, im April 2018