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§§ 21 Abs. 1, 15a FSA Kodex Fachkreise: Unentgeltlich verschenkte Tafeln mit einer Darstellung des menschlichen Blutkreislaufs im Zusammenhang mit Abgabematerialien für ein verschreibungspflichtiges Humanarzneimittel

AZ.: 2017.4-521

Leitsätze

  1. Die Ausnahmetatbestände des § 15a FSA-Kodex Fachkreise sind eng auszulegen.
  2. Allgemeine Darstellungen eines Krankheitsbilds und der betroffenen Organe erfüllen nicht die Voraussetzung eines konkreten und klar im Vordergrund stehenden Bezugs zu den Produkten, Indikationen oder Forschungsgebieten des Unternehmens, wie dies die Q&A zu § 15a und § 21 FSA Kodex zur Zusammenarbeit mit Fachkreisen (Fassung vom 30. Mai 2014) unter Ziff. 10 fordern.
  3. Solchen allgemeinen Darstellungen, die z.B. den Kenntnisstand eines Medizinstudenten wiederspiegeln, kann kein unmittelbarer Fortbildungscharakter für die Fachkreise, die mit der Erkrankung vertraut sind, zugebilligt werden.

Sachverhalt

Dem Spruchkörper ging eine Beanstandung von dritter Seite zu, die Daiichi Sankyo Deutschland GmbH gebe im Zusammenhang mit der Bewerbung für eines ihrer Präparate kostenlos sog. „White Boards“ an Ärzte ab. Diese würden dem Arzt zur Verfügung gestellt, damit er den Patienten ihre Krankheit und die Therapie erklären könne. Damit würde gegen das Geschenke-Verbot verstoßen, da es sich bei den „White Boards“ weder um Informations- und Schulungsmaterialien im Sinne von § 15 a Abs. 1 Nr. 1 FSA-Kodex Fachkreise noch um medizinische Gebrauchs- und Demonstrationsgegenstände im Sinne von § 15 a Abs. 1 Nr. 2 des Kodex handele. Es fehle in jedem Fall an einem engen Zusammenhang mit der Patientenversorgung.

Auch dienten die White Boards nicht unmittelbar der Fortbildung von Angehörigen der Fachkreise; das Unternehmen selbst habe in der Vorkorrespondenz lediglich auf den Zweck der Aufklärung der Patienten hingewiesen. Es handele sich um allgemeinen Praxisbedarf, der gemäß den vom Vorstand des FSA erlassenen Leitlinien nicht unentgeltlich an Fachkreisangehörige verschenkt werden dürfe.

Das Unternehmen führte dazu aus, es handele sich bei dem beanstandeten Gegenstand nicht um ein „White Board“, das als Schreibunterlage universell einsetzbar wäre, sondern um die grafische Darstellung des menschlichen Blutkreislaufs, gedruckt auf einen festeren Karton in der Größe DIN A4, mit Laminierfolie und einem Kunststoffrand versehen. Die Praxis bei der Abgabe erlaube es dem Außendienst weitere Erläuterungen zu den Indikationsgebieten eines Produkts des Unternehmens darauf hinzuzufügen. Es bleibe den behandelten Ärzten überlassen, im Nachgang der Abgabe ihren jeweiligen Patienten die Krankheit und Therapie auch anhand der Tafel anschaulich und verständlich zu machen.

Das Unternehmen meinte, es handele sich bei den abgegebenen Tafeln um zulässiges Schulungs- und Informationsmaterial nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Kodex, zumindest aber um einen zulässigen medizinischen Gebrauchs- und Demonstrationsgegenstand nach Nr. 2.

Es vertrat im Übrigen die Auffassung, im Kodex finde sich keine Einschränkung aus der geschlossen werden könne, dass unter „Schulungs- und Informationsmaterial“ nur solche Materialien zu verstehen seien, mithilfe derer sich der Arzt selbst fortbildet. Auch in den Leitlinien würde lediglich gefordert, dass das Material einen direkten Bezug zu der beruflichen Praxis des Angehörigen der Fachkreise
aufweise, ein enger Zusammenhang mit der Patientenversorgung bestehe und die Materialien geringwertig seien.

Nach Ansicht des Unternehmens dienten medizinische Gebrauchs- und Demonstrationsgegenstände unmittelbar der „Fortbildung der Fachkreisangehörigen“, wenn hierdurch die Fachkreisangehörigen ein besseres Verständnis der Applikation der von dem Unternehmen vertriebenen Arzneimittel erlangen könnten. Der „Patientenversorgung“ diente die Überlassung dann, wenn der überlassene Gegenstand zur Anwendung im Rahmen der Behandlung von Patienten zu dienen bestimmt sei. Diese Voraussetzungen seien gegeben.

Insgesamt hatte das Unternehmen 20.000 Tafeln zu einen Einkaufswert von deutlich mehr als einem Euro (zzgl. MwSt.)/Stück bestellt; davon waren zum Zeitpunkt der Anhörung ca. 9.000 Tafeln vom Außendienst abgerufen worden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Nach Auffassung der Schiedsstelle verstieß die unentgeltliche Verteilung von Tafeln mit einer gra-fischen Darstellung des menschlichen Blutkreislaufs ohne einen konkreten Bezug auf die Anwendung eines Arzneimittels, auf Indikationen oder Forschungsgebiete des Unternehmens gegen §§ 21 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise.

Gem. § 21 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise ist es grundsätzlich unzulässig, den Angehörigen der Fach-kreise Geschenke zu versprechen, anzubieten oder zu gewähren, es sei denn die Zuwendungen sind ansonsten nach dem Kodex zulässig oder eine der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-5 HWG geregelten Aus-nahme liegt vor. Diese Ausnahmetatbestände waren im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Bei der Tafel handelte es sich um Geschenke an Angehörige der Fachkreise. Eine Privilegierung gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-5 HWG war nicht ersichtlich und vom Unternehmen auch nicht in Anspruch genommen. Allenfalls konnte daher eine der Ausnahmebestimmungen des § 15a FSA-Kodex Fachkreise in Betracht kommen. Dies war allerdings ebenfalls zu verneinen.

Eine Bewertung als Informations- und Schulungsmaterial (Abs. 1) hätte vorausgesetzt, dass die Tafel geringwertig gewesen wäre, einen direkten Bezug zu der beruflichen Praxis des Angehörigen der Fachkreise gehabt und ein enger Zusammenhang mit der Patientenversorgung bestanden hätte. Dazu präzisieren die Q&A zu § 15a und § 21 FSA Kodex zur Zusammenarbeit mit Fachkreisen in der Fassung vom 30. Mai 2014 unter Ziff. 10, dass allgemeine Informationen zu einer Krankheit und deren Symptomen, Therapie etc. nicht privilegiert sind, sondern nur solche, bei denen der konkrete Bezug zu den Produkten, Indikationen oder Forschungsgebieten des Unternehmens klar im Vordergrund steht. Die hier vorliegende Tafel hatte keinen konkreten Bezug zu den Produkten, Indikationen oder Forschungsgebieten des Unternehmens, der klar im Vordergrund stand; vielmehr wurden lediglich allgemein das Krankheitsbild und die betroffenen Organe dargestellt.

Soweit das Unternehmen vortrug, der konkrete Bezug zum Produkt sei wegen der farblichen Gestal-tung des Boards, insbesondere dessen Umrandung sowie den Überschriften zu den Indikations-bereichen zu bejahen, da diese „unzweifelhaft dem sonstigen Markenauftritt von … [ d.h. eines Präparats des Unternehmens]“ entsprächen, folgte dem die Schiedsstelle nicht. Nachdem es sich bei der genannten Vorschrift um eine Ausnahmebestimmung handelt, die eng auszulegen ist, hätte der konkrete Bezug zum Produkt weitaus deutlicher sein müssen, um die Verbindung zum konkreten Produkt zweifelsfrei herstellen zu können. Die farbliche Übereinstimmung war aus Sicht der Schieds-stelle zu unscheinbar, um diesen Bezug zu gewährleisten zu können, erst recht bei einem Präparat, dessen Markenauftritt – wie im vorliegenden Fall – den Fachkreisen nicht bereits seit vielen Jahren und aufgrund seiner überragenden Marktposition hätte geläufig sein können.

Die Schiedsstelle konnte es daher dahinstehen lassen, ob die Tafel überhaupt als geringwertig angesehen werden konnten. Bei einem Bruttopreis von ca. EUR 1,50 musste dies im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung zumindest zweifelhaft erscheinen (vgl. BGH WRP 2013, 1587 ff., RezeptBonus; Bülow/Ring/Artz/Brixius, 5. Auflage 2016, Rdnr. 80, 82 zu § 7 HWG; Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, 2014, Rdnr. 67ff.; OLG Frankfurt, PharmR 2015, 313).

Die Zulässigkeit als medizinischer Gebrauchs- und Demonstrationsgegenstand (Abs. 2) hätte vorausgesetzt, dass die Tafel unmittelbar der Fortbildung von Angehörigen der Fachkreise sowie der Patientenversorgung zu dienen bestimmt gewesen wäre, dies unter den zusätzlichen Bedingungen, dass die Tafel geringwertig gewesen wäre und nicht den üblichen Praxisbedarf ersetzt hätte. Auch diese Bestimmung ist als Ausnahme von dem generellen Geschenkeverbot allerdings eng auszulegen (vgl. Q&A zu § 15a und § 21 FSA Kodex, Ziff. 11 Satz 2).

Nach Auffassung der Schiedsstelle waren auch diese Voraussetzungen, die kumulativ hätten vorliegen müssen (- „sowie“ -), nicht gegeben: Bei der gebotenen engen Auslegung ergab sich dies schon daraus, dass der Fortbildungscharakter der Tafel für die Fachkreise nicht erkennbar war. Die Tafel zeigte auf der Vorderseite eine schematische Darstellung des Blutkreislaufs und ein herausgehobenes Blutgefäß, auf der Rückseite eine vergleichbare Darstellung des Herzens und der Blutgefäße zum Gehirn mit zwei Darstellungen der Reizleitung mit bzw. ohne Vorhofflimmern. Diese allgemeinen Darstellungen spiegeln den Kenntnisstand eines Medizinstudenten, zumindest im vorgerückten Semester, wieder, einen unmittelbaren Fortbildungscharakter für die Fachkreise, die mit der Erkrankung vertraut sind, ließ sich daran jedoch nicht ausmachen. Diese Bewertung wurde auch gestützt durch die eigene Stellungnahme des Unternehmens gegenüber der Beanstandenden, in der es insoweit feststellte: „…Wir stellen sie [d.h. die Tafel] dem Arzt zur Verfügung, damit er den Patienten ihre Krankheit und Therapie möglichst anschaulich erklären kann.“

Im Übrigen wird in den o.g. Q&A in der Antwort zu Frage 11 klargestellt, dass es sich bei „allgemeinen Anschauungsgegenständen wie Knochenskeletten oder Anatomiemustern hingegen nicht um Gebrauchs- und Demonstrationsgegenstände“ handeln dürfte. Diese Bewertung gilt auch für die vorliegende Tafel, da ein konkreter Bezug auf die Anwendung des Arzneimittels fehlt.

Die Schiedsstelle räumte ein, dass Darstellungen dieser Art für den Außendienst des Unternehmens hilfreich sein mochten, um das Arztgespräch mit Abbildungen anzureichern. Daraus ließ sich jedoch kein Fortbildungscharakter für die Fachkreise ableiten. In gleicher Weise ließ sich eine Privilegierung auch nicht aus den Q&A zu § 15a und § 21 FSA Kodex, Ziff. 9 Satz 2 ableiten, denn auch dort wird zunächst gefordert, dass der Gegenstand unmittelbar der Fortbildung des Fachkreisangehörigen dient; daran fehlte es, wie oben ausgeführt. Hinsichtlich des Kriteriums der Geringwertigkeit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Die Beanstandung war somit begründet. Die Daiichi Sankyo Deutschland GmbH wurde daher gemäß § 20 Abs. 4 der FSA-Verfahrensordnung abgemahnt, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen. Das Unternehmen gab eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und zahlte eine Geldstrafe in Höhe von EUR 12.000 an eine gemeinnützige Organisation. Bei der Höhe der Geldstrafe hat die Schiedsstelle den Gesamtumfang der beabsichtigen Verteilung der Tafeln und deren Kosten berücksichtigt.

Berlin, im August 2017