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§ 6 Abs. 3 S. 2, § 6 Abs. 7 des Kodex (vergleiche nunmehr § 20 Abs. 3 S. 2 und § 20 Abs. 7); § 25 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 11 der FSA-Verfahrensordnung – Tagungsort im Ausland; Einladung von Begleitpersonen gegen Kostenbeteiligung

AZ.: FS II 1-04-2004.5-4 (2. Instanz)

Leitsätze

1. Die Durchführung einer Fortbildungsveranstaltung in einem Graubündner Ski- und Erholungsgebiet stellt einen Verstoß gegen § 20 Abs. 3 Satz 2 des Kodex dar, sofern der Tagungsort nicht allein nach sachlichen Gesichtspunkten, sondern wegen seines Freizeitwertes ausgesucht wurde und ein internationaler Bezug zur Fortbildungsveranstaltung nicht gegeben ist.

2. Eine Vereinbarung, nach der eine Überprüfung des nach billigem Ermessen (sog. „Hamburger Brauch“) festgesetzten Ordnungsgeldes durch ein ordentliches Gericht erfolgen soll, ist nach der „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahrensordnung ausgeschlossen.

3. Die Einladung von Begleitpersonen stellt selbst dann einen Verstoß gegen § 20 Abs. 7 des Kodex dar, wenn für die Begleitpersonen seitens des Pharmaunternehmens keine Kosten übernommen werden.

4. Der Einspruch gegen die Entscheidung 1. Instanz hat innerhalb von 2 Wochen schriftlich zu erfolgen und ist in der selben Frist auch zu begründen.

Sachverhalt

Ein Pharmaunternehmen (Mitglied) hat eine Fortbildungsveranstaltung für Ärzte in einem Graubündener Ski- und Erholungsgebiet ausgerichtet. Für die Ärzte wurden Kosten für zwei Übernachtungen im Rahmen eines Halbpensionspreises übernommen, die Teilnahme von Begleitpersonen wurde gegen Kostenübernahme zu einem Fixpreis ermöglicht.

Das Unternehmen hat eine Absage der Veranstaltung aus wirtschaftlichen und Imagegründen abgelehnt. Zudem sei der Zeitraum zwischen Wirksamkeit des Kodex (08.04.2004) und Durchführung der Veranstaltung (Ende April) für eine Absage zu kurz gewesen.

Der Spruchkörper 1. Instanz hat bei der Wahl des Tagungsortes einen Verstoß gegen § 20 Abs. 3 Satz 2 und bei der Einladung der Begleitpersonen einen Verstoß gegen § 20 Abs. 7 des Verhaltenskodex festgestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des Spruchkörpers 1. Instanz wurde darauf hingewiesen, dass das Pharmaunternehmen binnen einer Frist von 2 Wochen nach Zustellung der Entscheidung Einspruch einlegen kann, wobei der Einspruch schriftlich beim Spruchkörper 1. Instanz eingelegt und begründet werden muss. Das Pharmaunternehmen hat innerhalb der Zweiwochenfrist den Einspruch eingelegt, die Begründung des Einspruchs erfolgte jedoch außerhalb der Zweiwochenfrist.

Der zulässige Einspruch des Mitglieds wurde vom Spruchkörper 2. Instanz in vollem Umfang zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

A. Der Einspruch ist als zulässig anzusehen.

  1. Der Einspruch ist allerdings innerhalb der Zweiwochenfrist des § 25 (1) 1 VerfO zwar eingelegt, aber nicht begründet worden und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 VerfO. Danach ist der Einspruch innerhalb der Zweiwochenfrist auch zu begründen.
  2. Gleichwohl ist der Einspruch jedoch nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern als zulässig anzusehen. Eine Wiedereinsetzung ist zwar nach § 25 (11) VerfO ausgeschlossen. Das Mitglied hätte aber nach Einlegung seines unbegründeten Einspruchs rechtzeitig, telefonisch oder per E-Mail, innerhalb der Zweiwochenfrist auf diesen Mangel hingewiesen werden müssen, damit die Begründung noch innerhalb der Zweiwochenfrist hätte nachgeholt werden können. Da der notwendige Hinweis zunächst fehlte, ist der Einspruch des Mitglieds entsprechend zu behandeln wie ein Einspruch gegen eine Entscheidung 1. Instanz, die keine oder eine unrichtige bzw. unvollständige Rechtsmittelbelehrung enthält. Nach erfolgtem Hinweis stand daher dem Mitglied zur Begründung zumindest die Zweiwochenfrist zur Verfügung. Innerhalb dieser Frist ist die Begründung erfolgt.

B. Der Anspruch ist in vollem Umfange unbegründet.

Die Beanstandungen scheitern nicht etwa von vornherein daran, dass das Mitglied das Hotel bereits im Oktober 2003 gebucht hatte, als der „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex noch nicht galt. Dieser ist gemäß §27 „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex erst mit der Anerkennung durch das Bundeskartellamt in Kraft getreten, die am 8. April 2004 veröffentlicht worden ist. Die Veranstaltung, die nach diesem Zeitpunkt stattgefunden hat, fiel unter den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex und hätte daher abgesagt werden müssen. Die Absage war dem Mitglied auch wirtschaftlich zumutbar.

  1. Zu Recht hat der Spruchkörper 1. Instanz festgestellt, dass die beanstandete Fortbildungsveranstaltung gegen den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex verstieß.
    Die Veranstaltung im Graubündener Ski- und Erholungsgebiet verläßt § 20 Abs. 3 Satz 2 des Kodex. Der Tagungsort ist nicht allein nach sachlichen Gesichtspunkten ausgewählt worden, sondern wegen seines Freizeitwertes.
  2. Wie allgemein anerkannt ist, wird allerdings die Wiederholungsgefahr durch eine Strafbewehrung nach „Hamburger Brauch“ ausgeräumt. Danach unterwirft sich der Schuldner einer Vertragsstrafe, die vom Gläubiger nach billigem Ermessen festgesetzt und im Streitfalle von einem ordentlichen Gericht überprüft wird. Der Spruchkörper 2. Instanz neigt zwar zu der Auffassung, dass die Verfahrensordnung es dem Schuldner nicht verwehrt, eine Verpflichtungserklärung abzugeben, nach der im Falle eines Verstoßes die Höhe des Ordnungsgeldes vom FS Arzneimittelindustrie nach billigem Ermessen festgesetzt wird. Die von dem Mitglied gewollte Überprüfung durch ein ordentliches Gericht widerspricht aber den Verpflichtungen, die sie als Mitglied des FS Arzneimittelindustrie e.V. durch Unterwerfung unter die Satzung, den Kodex und die Verfahrensordnung eingegangen ist, und ist daher im „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahren unzulässig. Eine Vereinbarung, nach der eine Überprüfung des nach billigem Ermessen festgesetzten Ordnungsgeldes durch ein ordentliches Gericht erfolgen soll, ist nach der „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahrensordnung ausgeschlossen. Danach soll bei einem Verstoß gegen eine Verpflichtungserklärung, die dem FS Arzneimittelindustrie gegenüber abgegeben worden ist, allein im vereinsinternen Verfahren der Freiwilligen Selbstkontrolle entschieden werden, und zwar sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, und nicht durch ein ordentliches Gericht. Nach dem Sinn und Zweck der „FS Arzneimittelindustrie“-Gesamtregelung sind sämtliche Verstöße gegen den vereinbarten „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex, die von Mitgliedsunternehmen begangen werden, ausschließlich im Rahmen der Freiwilligen Selbstkontrolle zu prüfen. Das gilt einschließlich wiederholter Verstöße, bei denen gemäß § 20 (7) und (8), § 22 (1) 3 bis 5 VerfO zu verfahren ist. Auch dazu sind die „FS Arzneimittelindustrie“-Spruchkörper 1. und 2. Instanz geschaffen worden. Die Überprüfung des Ordnungsgeldes (Vertragsstrafe) durch ein ordentliches Gericht würde dem widersprechen und zu einem zusätzlichen, nicht gewollten Rechtszug führen, möglicherweise mit drei Instanzen.
  3. Gegenstand der Entscheidung ist insoweit allein das auf § 20 (7) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex gestützte Einladen von Begleitpersonen, unabhängig von weiteren Umständen der Veranstaltung.

Da das Mitglied für die Begleitpersonen keinerlei Kosten übernommen hat, vielmehr deren gesamten Kosten von den Teilnehmern selbst getragen worden sind, kommt ein Verstoß gegen § 20 (7) nur in Form der „Einladung“ in Betracht, dagegen nicht in der Form der „Übernahme von Kosten“.

Das Mitglied hat gegen § 20 (7) des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex verstoßen. Eine „Einladung“ im Sinne dieser Vorschrift liegt vor. Das trifft auf alle internen und externen Fortbildungsveranstaltungen zu, ohne dass es auf weitere Umstände wie auf die Übernahme von Kosten ankommt.

Allerdings erwartet nach dem Sprachgebrauch der Empfänger einer „Einladung“ im allgemeinen, dass er nichts oder wenigstens weniger als üblich bezahlen muss. Hier hat das Mitglied für die Begleitpersonen keine Kosten gehabt; für diese mussten die Teilnehmer in vollem Umfange selbst aufkommen. Sie haben auch nicht wenigstens einen Rabatt auf die Normalpreise des Hotels erhalten, sondern dessen normale Preise bezahlt. Was das Mitglied demnach für Begleitpersonen angeboten hat, waren lediglich die Mitorganisation einer Mitunterbringung im Hotel einschließlich Halbpension und die Weitergabe der erhaltenen Gelder an das Hotel. Aber auch das wird vom Begriff „Einladung“ in § 20 (7) FS-Kodex erfasst.

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit den vorangehenden Absätzen zu verstehen. Sie sagt nicht, dass die Einladung von Begleitpersonen unzulässig sei. Vielmehr heißt es dort, dass sich „die Einladung und die Übernahme von Kosten … nicht auf Begleitpersonen erstrecken“ dürfen. Durch den Ausdruck „erstrecken“ wird klargemacht, dass sich die „Einladung“ und die „Übernahme von Kosten“ auf die Einladung der Ärzte und auf die Übernahme von Kosten für Ärzte beziehen. Solche Einladungen und Kostenübernahmen sind gemäß § 20 (1) bis (4) unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Einschränkungen erlaubt. Dabei ist maßgebender Gesichtspunkt vor allem, dass der berufsbezogene wissenschaftliche Charakter der internen oder externen Fortbildungsveranstaltung „eindeutig im Vordergrund“ bleiben muss. Aus diesem Zusammenhang folgt aus § 20 (7), dass beides – die erlaubte „Einladung“ der Ärzte und die erlaubte „Übernahme von Kosten“ für die Ärzte – ausnahmslos nicht auf Begleitpersonenerstreckt werden darf.

Das ist nicht kumulativ, sondern alternativ gemeint, nämlich so zu verstehen, dass weder Begleitpersonen zusammen mit den Ärzten eingeladen noch Kosten auch für Begleitpersonen übernommen werden dürfen. Daher ist schon das mit der Einladung der Ärzte ausgesprochene Angebot unzulässig, die Mitreise von Begleitpersonen mitzuorganisieren, ohne dass es dabei auf die Übernahme von deren Kosten ankommt. Nur bei einem solchen Verständnis der Vorschrift wird im Hinblick auf Begleitpersonen nach außen hin für jedermann klar und eindeutig jeder Anschein eines (auch) privaten Chatakters der Veranstaltung vermieden, was dem Sinn und Zweck des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex entspricht. Der Spruchkörper 2. Instanz schließt sich der überzeugenden Auffassung von Dieners an (in: Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit Ärzten, Kap. 9, Rdn. 102).

Die bloße Organisation der Mitunterbringung als solche deutet allerdings nicht in jedem Falle eher auf eine private Motivation hin, wenn der Arzt seine Teilnahme zusagt. Die Fortbildungsveranstaltung erhält allein durch eine derartige Mitorganisation noch keinen privaten Charakter. Bei einer interessanten wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung wird sich der teilnehmende Arzt um die ihn begleitende Person erst in seiner freien Zeit kümmern, insbesondere beim Mittagessen und abends nach Beendigung des wissenschaftlichen Tagesprogramms. Eine Veranstaltung verliert demgemäss allein durch die organisierte Mitunterbringung von Begleitpersonen noch nicht ihren berufsbezogenen wissenschaftlichen Zweck; dieser hat dadurch auch nicht nur eine untergeordnete Bedeutung. Aus der organisierten Mitreise einer Begleitperson, für die der Teilnehmer in vollem Umfange selbst bezahlen muss, ohne wenigstens einen Preisnachlass zu erhalten, folgt demnach noch nicht, dass er in jedem Falle die Fortbildungsveranstaltung als nebensächlich betrachtet und sich vor Ort eher um seine Begleitperson kümmert, statt in vollem Umfange an der berufsbezogenen Veranstaltung teilzunehmen.

Das ist jedoch nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr, dass durch eine Erstreckung der Einladung auf Begleitpersonen der berufsbezogene wissenschaftliche Charakter der Fortbildungsveranstaltung nicht mehr eindeutig im Vordergrund steht und deshalb ein umfassendes Verbot als gewollt anzusehen ist. Diese Auslegung entspricht dem Sinne und Zweck des „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex. Durch das dargelegte Verständnis des § 20 (7) „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex wird jeglicher Anschein eines auch privaten Charakters der Veranstaltung vermieden.

Die Einladung, die das Mitglied im vorliegenden Falle gegenüber Ärzten ausgesprochen hat und zukünftig aussprechen möchte, erstreckt sich demnach auf Begleitpersonen. Der Spruchkörper 2. Instanz ist sich der Tragweite seiner Entscheidung bewusst. § 20 (7) sollte aber bei sich bietender Gelegenheit so umformuliert werden, dass insoweit keine Meinungsverschiedenheiten mehr bestehen können.

Ergebnis

Die Entscheidung des Spruchkörpers 2. Instanz ist im Sinne der FS-Verfahrensordnung unanfechtbar. Ein Rechtsbehelf ist insoweit nicht möglich.

Berlin, im November 2004