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§ 1 Abs. 3 Nr. 5, § 21 Abs. 1, 21 Abs. 2 FSA-Kodex, § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG (Anwendbarkeit des Kodex: “Unternehmensbezogene Information“, Broschüre zum Herunterladen als „Geschenk“ iSd § 21 Abs. 2, Grenzen und Ausnahmen des § 7 HWG im Rahmen des § 21 Abs. 2 FSA-Kodex)

AZ.: FS II 4/08/2008.2-228

Leitsätze

1. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte (s. EFPIA-Code, Abschnitt „Scope…“) fallen alle nachfolgenden beispielhaften Ausnahmen vom Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 5 FSA-Kodex unter den einleitenden Begriff „unternehmensbezogene Informationen“ (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, s. FSII 3/06/2006.6-130). Wird in einer vom Unternehmen Ärzten zum Herunterladen als pdf-Datei angebotenen 68-seitigen Broschüre allgemein über Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Arzneimttelbudgets, Bonus-/Malusregelungen etc. informiert, liegt keine unmittelbar unternehmensbezogene Information über regulatorische Entwicklungen vor, mag das Unternehmen auch mittelbar durch die Regelungen betroffen sein. Der FSA-Kodex findet Anwendung.

2. Der Begriff „Geschenk“ nach § 21 Abs. 2 FSA-Kodex setzt nicht voraus, dass zwischen Geber (Unternehmen) und Empfänger (Arzt) ein persönlicher Kontakt besteht. Ermöglicht ein Unternehmen Ärzten das unentgeltliche Herunterladen einer 68-seitigen Broschüre über Wirtschaftlichkeitsprüfungen von seiner Homepage, gewährt es damit ein „Geschenk“ im Sinne des § 21. Abs. 2 FSA-Kodex.

3. Aus dem Text- und Sinnzusammenhang der beiden Absätze des § 21 FSA-Kodex folgt, dass Geschenke, welche die für produktbezogene Werbung geltenden Grenzen des § 7 HWG beachten bzw. unter die dortigen Ausnahmen fallen, auch vom Verbot nach § 21 Abs. 2 FSA-Kodex ausgenommen sind (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, s. FS II 3/06/2006.6-130). So ist auch die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG sinngemäß im Rahmen des § 21 Abs. 2 FSA-Kodex anwendbar.

4. Ein Unternehmen verstößt nicht gegen § 21 Abs. 2 FSA-Kodex, wenn es im Rahmen der Imagewerbung auf seiner Homepage Ärzten eine 68-seitige Broschüre zum Thema „Wirtschaftlichkeitsprüfungen“ zum unentgeltlichen Herunterladen zur Verfügung stellt, weil die Broschüre als systematische Zusammenfassung von „Auskünften und Ratschlägen“ in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG vom Geschenkverbot ausgenommen ist. Das Überreichen einer gedruckten Ausgabe der Broschüre wäre nicht anders zu beurteilen.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen („Unternehmen“) bietet über sein Internetportal unter Verwendung eines speziellen Zugangscodes Angehörigen der Fachkreise eine Broschüre zum Thema „Wirtschaftlichkeit in der ärztlichen Praxis“ als kostenlosen Download an. Die als Datei verfügbare Broschüre, die nicht im Buchhandel erhältlich ist, umfasst 68 Seiten und enthält Informationen zu folgenden Punkten:

  • Wirtschaftlichkeitsprüfungen
  • Regresse
  • Arzneimittelbudgets
  • Richtgrößen
  • NEU: Bonus-Malus-Regelung
  • NEU: Regionale Ablösungsvereinbarungen

Neben der Darstellung der einzelnen Regelungen und Instrumente der Wirtschaftlichkeitsprüfung enthält die Broschüre Checklisten zur rationellen Arzneiverordnung, zur Vorbereitung auf Wirtschaftlichkeitsprüfung/Regress sowie zur Richtgrößenprüfung, ferner Musterbriefe, die im Rahmen solcher Verfahren verwendet werden können.

Verfasser der Broschüre sind drei Mitarbeiter des Unternehmens, darunter einer ausgewiesen als „Spezialist für Kassen und Kassenärztliche Vereinigungen“, sowie ein renommierter Anwalt.

Ein Mitglied beanstandete das Verhalten als kodexwidrig. Der FSA bejahte einen Verstoß gegen § 21 Abs. 2 FSA-Kodex und mahnte das Unternehmen mit Schreiben vom 28. März 2008 ab.

Dagegen trug das Unternehmen vor: § 21 FSA-Kodex sei nach seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar. Danach sei Voraussetzung, dass zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger ein unmittelbarer Kontakt bestehe und beide Seiten Kenntnis von der unentgeltlichen Zuwendung erlangten. Eine solche Situation könne im Falle des Downloads einer Datei nicht eintreten. Daher sei ausgeschlossen, dass sich ein Arzt zu einem „Wohlverhalten“ gegenüber dem Pharmaunternehmen veranlasst sehen könnte. Eine Absatzförderung sei nicht zu erwarten. – Im Übrigen sei § 21 Abs. 2 FSA-Kodex schon deshalb nicht einschlägig, weil es um ein produktbezogenes Verhalten gehe. Jedenfalls sei die Möglichkeit zum Download der Broschüre nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG erlaubt. Zumindest greife § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG ein. Für den Arzt sei der Wert des Downloads mit Null anzusetzen, da er die gleichen Informationen anderweitig im Internet kostenlos bekommen könne. Schließlich sei zu beachten, dass die Übergabe einer solchen Broschüre bei einer entsprechenden Fortbildungsveranstaltung im Rahmen des § 20 FSA-Kodex zulässig sei; das müsse – zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches – auch dann gelten, wenn der Arzt sich Fortbildungsunterlagen aus dem Internet herunterlade.

Am 18. Juli 2008 erließ der Spruchkörper 1. Instanz folgende Entscheidung:

  1. Es wird festgestellt, dass das Unternehmen unentgeltlich die 68-seitige Broschüre zum Thema „Wirtschaftlichkeit in der ärztlichen Praxis“ zum Download auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt hat und dies von Angehörigen der Fachkreise genutzt werden konnte. Damit wurde gegen den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex verstoßen. Der Beanstandung war daher stattzugeben.
  2. Das Unternehmen wird verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Angehörigen der Fachkreise über ihre Homepage zu ermöglichen, sich unentgeltlich die 68-seitige Broschüre zum Thema „Wirtschaftlichkeit in der ärztlichen Praxis“ als Datei herunter zu laden, wie im Rahmen des Internetauftritts im geschlossenen Bereich der Homepage entsprechend dem in Kopie beigefügten Internetausdruck geschehen.
  3. Für jeden Fall schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus vorstehender Ziffer 2 hat das Unternehmen ein Ordnungsgeld gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 der „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahrensord­nung in Höhe von 15.000 EUR an den FS Arzneimittelindustrie e.V. zu zahlen.
  4. (Kostenregelung)

Gegen die Entscheidung wurde fristgerecht Einspruch eingelegt und zugleich begründet. Das Unternehmen vertieft sein Vorbringen 1. Instanz und trägt ergänzend vor:

Der FSA-Kodex sei nicht anwendbar (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 FSA-Kodex), weil es sich um „nicht-werbliche Informationen“ handele, nämlich um „Information über regulatorische Entwicklungen, die das Unternehmen und seine Produkte betreffen“.

Entscheidung

Der Spruchkörper 2. Instanz hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2008 die Entscheidung des Spruchkörpers 1. Instanz vom 18. Juli 2008 aufgehoben und das Beanstandungsverfahren eingestellt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig…….

Der Einspruch ist begründet. Das beanstandete Verhalten verstößt nicht gegen § 21 FSA-Kodex. Die Entscheidung 1. Instanz ist daher aufzuheben, das Beanstandungsverfahren einzustellen.

Die Frage, ob das betroffene Mitglied gegen den FSA-Kodex verstoßen hat, beantwortet sich nach der bisherigen Fassung des Kodex.

1) Entgegen der Auffassung des betroffenen Mitglieds fällt das beanstandete Verhalten in den Anwendungsbereich des FSA-Kodex. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 FSA-Kodex.

Zu Gunsten des Mitglieds greift nicht § 1 Abs. 3 FSA-Kodex ein, insbesondere nicht Nr. 5 dieser Vorschrift. Danach findet der Kodex keine Anwendung auf „nicht-werbliche Informationen“, insbesondere nicht auf „unternehmensbezogene Informationen, z.B. … einschließlich … sowie die Information über regulatorische Entwicklungen, die das Unternehmen und seine Produkte betreffen“. Bei der Auslegung ist zu beachten, dass alle in Abs. 3 genannten Beispiele unter den zuvor aufgeführten Oberbegriff „nicht-werbliche Informationen“ fallen.

a) Die genannte Ausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 5 FSA-Kodex fällt unter den einleitenden Begriff „unternehmensbezogene Informationen“; dieser umfasst sämtliche ihm nachfolgenden Beispiele. Das hat der Spruchkörper 2. Instanz bereits am 15. Februar 2007 in der Sache FS II 3/06/2006.6-130 entschieden. Daran wird festgehalten.

Wie aus dem Sinnzusammenhang folgt, steht die an letzter Stelle genannte Ausnahme nicht – wegen der Anknüpfung mit „sowie die Information“ – selbständig neben den zunächst genannten „unternehmensbezogenen Informationen“ und meint nicht ganz allgemein Informationen, d.h. auch nicht-unternehmensbezogene Informationen über regulatorische Entwicklungen, die das Unternehmen und seine Produkte betreffen. Vielmehr bezieht sich das Wort „einschließlich“ trotz der fehlerhaften Anknüpfung mit „die“ auch auf „die Information über regulatorische Entwicklungen …“. Demgemäß befindet sich vor dem „sowie“ kein Komma.

Das wird durch die Entwicklungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Die Ausnahme für „nicht-werbliche Informationen“ im Sinne von § 1 Abs. 3 FSA-Kodex entspricht der Regelung des EFPIA-Kodex (vgl. dazu Dieners, Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit Ärzten, 2. Aufl., Kap. 9, Rdn. 26, Seite 210). In dessen Abschnitt „Scope of the EFPIA Code of Practice“ heißt es: „The EFPIA Code does not cover the following: … – non-promotional, general information about companies (such as …), including … , and discussion of regulatory developments affecting the company and its products.”. Danach handelt es sich bei sämtlichen Beispielen um “general information about companies”, dementsprechend im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 5 FSA-Kodex um „unternehmensbezogene Informationen“. Ebenso ist Section 2 lit. b, i) im Annex B „GUIDELINES FOR INTERNET WEBSITES“ zu verstehen.

Allein die dargelegte Auslegung verträgt sich mit dem maßgebenden Oberbegriff „nicht-werbliche Informationen“. Geht es nämlich um allgemeine Informationen über regulatorische Entwicklungen, die nicht (unmittelbar) unternehmensbezogen sind, sondern nur mittelbar das Unternehmen und seine Produkte betreffen, und wenden sie sich speziell an die Ärzteschaft zur Beeinflussung ihres Verschreibungsverhaltens, so erhalten sie werblichen Charakter; sie sind geeignet, die Ärzte zugunsten des Unternehmens zu beeinflussen und seinen Absatz zu fördern.

b) Im vorliegenden Falle geht es nicht um „unternehmensbezogene Informationen“.

Die beanstandete Broschüre befasst sich allgemein mit einem die Ärzteschaft interessierenden Regelwerk, das ihr Verschreibungsverhalten betrifft, insbesondere mit dem SGB V und dem AVWG, seinen Auswirkungen auf die Ärzteschaft, enthält die Darstellung verschiedener Formen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und von Strategien im Zusammenhang mit Prüfverfahren, einschließlich Checklisten zur rationellen Arzneiverordnung und Musterbriefen. Hierbei handelt es sich nicht um unternehmensbezogene Informationen. Die nur mittelbare Betroffenheit des Unternehmens genügt im vorliegenden Zusammenhang nicht.

Selbst wenn man mit dem betroffenen Mitglied annähme, dass die Informationen im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 5 FSA-Kodex nicht unternehmensbezogen sein müssten, sondern eine mittelbare Betroffenheit des Unternehmens genügte, würde die Bestimmung nicht eingreifen. Die Broschüre geht weit über bloße, auch systematische Informationen über regulatorische Entwicklungen hinaus; denn sie gibt der Ärzteschaft Verhaltensempfehlungen einschließlich Musterbriefen.

2) Die Voraussetzungen eines Verbots nach § 21 Abs. 1 FSA-Kodex sind nicht gegeben. Die genannte Bestimmung ist nur im „Rahmen einer produktbezogenen Werbung“ anwendbar. Entgegen der Auffassung des betroffenen Mitglieds geht es im vorliegenden Falle darum nicht, trotz der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs.

Der Spruchkörper 2. Instanz schließt sich den überzeugenden Ausführungen der 1. Instanz an. Die Broschüre, die aus dem Internet heruntergeladen werden kann, bezieht sich nicht (erkennbar und eindeutig, sei es auch nur in versteckter Form) auf ein bestimmtes Produkt oder auf bestimmte Produkte des betroffenen Mitglieds. Vielmehr handelt es sich um eine „nichtproduktbezogene Werbung“ im Sinne von Absatz 2 der Vorschrift, um eine sogenannte „Imagewerbung“.

Nach dem Inhalt der Broschüre, wie sie bereits unter 1) dargestellt worden ist, betrifft sie die Pharmaindustrie, die vom Verschreibungsverhalten der Ärzteschaft abhängig ist, nur mittelbar. Das gilt auch für das betroffene Mitglied. Der Umstand, dass unter den „Gruppen von Arzneimitteln für verordnungsstarke Anwendungsgebiete“ auch solche Wirkstoffgruppen aufgeführt sind, in denen das betroffene Mitglied Arzneimittel anbietet, und Wirkstoffe genannt werden, die in Medikamenten des betroffenen Mitglieds enthalten sind, stellt den erforderlichen Produktbezug noch nicht her. Dazu genügt nicht die Erkenntnis des Arztes, dass die Broschüre Arzneimittel des Mitglieds mitbetrifft. Maßgebend ist vielmehr, dass es sich um eine allgemeine Darstellung eines Regelwerkes und seiner Auswirkungen auf die Ärzteschaft handelt, eine Darstellung, die sich mit Medikamenten der Pharmaindustrie insgesamt befasst.

Auch aus dem Umfeld, in dem der Arzt die Broschüre im Internet findet, ergibt sich nicht der notwendige Produktbezug. Auf der Seite, auf der die Ärzteschaft zum Download der Broschüre aufgefordert wird, werden zwar unter dieser Aufforderung Arzneimittel des Mitglieds hervorgehoben, zu denen der Arzt durch Links zu ausführlichen Websites gelangen kann. Der Zusammenhang zwischen Broschüre und Umfeld ist jedoch rein „äußerlich“. Die Broschüre und die Arzneimittel sind nicht konkret aufeinander bezogen.

3) Die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 2 FSA-Kodex sind ebenfalls nicht gegeben.

a) Die genannte Bestimmung enthält für nicht-produktbezogene Werbung ein grundsätzliches Verbot von Geschenken und regelt nicht etwa nur Fälle erlaubter Geschenke zu besonderen Anlässen. Das folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift und ihrem Sinnzusammenhang.

Über die Regelung des Absatzes 1 hinaus („Darüber hinaus“) dürfen im Rahmen einer nicht-produktbezogenen Werbung Geschenke „nur“ zu besonderen Anlässen gewährt werden, in anderen Fällen demnach überhaupt nicht (ebenso Dieners Kap. 9, Rdn. 259, Seite 316).

Die vorgenommene Auslegung wird durch den Sinn und Zweck der Bestimmung bestätigt. § 21 FSA-Kodex will „Geschenke“ an Angehörige der Fachkreise eindämmen und nur in bestimmten Grenzen erlauben. Dem würde es widersprechen, wenn der Kodex bei nicht-produktbezogener Werbung, anders als bei produktbezogener Werbung kein grundsätzliches Verbot von Geschenken und in § 21 Abs. 2 lediglich eine Regelung für Geschenke bei besonderen Anlässen vorsähe. Der FSA-Kodex ist hier bewusst strenger als das Wettbewerbsrecht (HWG, UWG).

b) Der in Absatz 2 verwendete Begriff „Geschenke“ umfasst ebenso wie der in Absatz 1 benutzte Begriff „Werbegabe“ alle unentgeltlich gewährten, geldwerten Vergünstigungen, die (auch) zur Absatzförderung werblich eingesetzt werden, entsprechend dem weiten Verständnis des jeden zuwendungsfähigen Vorteil erfassenden Begriffs „Werbegabe“ in § 7 Abs. 1 HWG (vgl. Dieners Kap. 9, Rdn. 248, Seiten 310 f.). Demgemäss wird der Begriff „Geschenke“ in der Überschrift des § 21 FSA-Kodex umfassend verwendet. Die Überschrift bezieht sich nämlich auf beide Absätze der Vorschrift und daher auch auf „Werbegaben“ im Sinne von § 21 Abs. 1 des FSA-Kodex. Das sind wie in § 7 Abs. 1 HWG alle unentgeltlich gewährten, geldwerten Vergünstigungen. Ebenso allgemein ist der Begriff „Geschenke“ zu verstehen; er ist nicht in irgendeiner Weise einzuschränken, insbesondere nicht auf körperliche Gegenstände, wie das betroffene Mitglied meint.

c) Der kostenlose Download der Broschüre ist als Gewähren eines „Geschenks“ im Sinne des § 21 Abs. 2 FSA-Kodex anzusehen. Der Spruchkörper 2. Instanz schließt sich auch insoweit den Ausführungen 1. Instanz an. Die Broschüre ist eine unentgeltlich gewährte, geldwerte Vergünstigung, die als „Imagewerbung“ auch der Absatzförderung dient. Dem steht nicht entgegen, dass die Ärzte auf Regressrisiken hingewiesen werden, die mit der Verschreibung von Medikamenten auch des betroffenen Mitglieds verbunden sind. Das „Gewähren“ erfolgt in der Weise, dass das Mitglied der Ärzteschaft den Download ermöglicht.

aa) Entgegen der Auffassung des betroffenen Mitglieds kommt es nicht darauf an, dass zwischen dem Pharmaunternehmen und den Ärzten, die von der Möglichkeit des Downloads Gebrauch machen, kein persönlicher Kontakt besteht.

Das Verbot geht davon aus, dass unentgeltlich gewährte Vergünstigungen grundsätzlich geeignet sein können, die ärztliche Therapie- bzw. Verordnungsfreiheit in unlauterer Weise zu beeinflussen. Diese Eignung besteht auch dann, wenn kein persönlicher Kontakt besteht.

bb) Die Ärztinnen und Ärzte, die von der Möglichkeit des Downloads Gebrauch machen, erhalten aus ihrer Sicht eine geldwerte Leistung.

Unerheblich ist, dass es um allgemeine Informationen geht. An solchen Informationen besteht für die Ärzteschaft ein erhebliches Bedürfnis wegen der mit dem behandelten Regelwerk verbundenen Auswirkungen auf ihr Verschreibungsverhalten und dessen Folgen.

Die Ärztin oder der Arzt kann sich zwar auch anderweitig nach dem Regelwerk und dessen Auswirkungen erkundigen, etwa bei Fachverbänden, beim Bundesministerium für Gesundheit, bei Rechtsanwälten insbesondere über das Internet. Alle diese Informationen stellen jedoch geldwerte Leistungen dar, insbesondere die Informationen des betroffenen Mitglieds in Form einer Broschüre. Sie enthält eine verhältnismäßig ausführliche und qualifizierte Darstellung aller Aspekte des behandelten Regelwerks, seiner Auswirkungen für die Ärzte und ihres Verhaltens bis hin zu Musterbriefen. Der Wertschätzung steht nicht entgegen, dass die Broschüre vor allem von eigenen Mitarbeitern verfasst worden ist. Abgesehen davon kommt hinzu, dass daran auch ein fachkundiger Rechtsanwalt mitgewirkt hat, dem aus der Sicht der Interessenten ein besonderes Gewicht zukommt. Die Broschüre wird von der Ärzteschaft als werthaltige, nützliche Hilfe bei der Bewältigung ihrer Probleme angesehen. Im vorliegenden Zusammenhang ist dagegen nicht entscheidend, ob die Ärzte bereit gewesen wären, ein Entgelt zu leisten, wenn sie sich die gleichen Informationen anderweitig kostenlos beschaffen können. Maßgebend ist vielmehr, dass sie mit der Broschüre eine geldwerte Leistung bekommen.

5) Ausgenommen vom Verbot des Absatzes 2 sind allerdings – entsprechend der Regelung in Absatz 1 – Geschenke (= unentgeltlich gewährte, geldwerte Vergünstigungen), welche die Grenzen des § 7 HWG beachten (a.M. möglicherweise Dieners Kap. 9 Rdn. 259, Seiten 316 f., der auf die Frage nach solchen Ausnahmen nicht eingeht).

Derartige Ausnahmen ergeben sich zwar nicht ausdrücklich aus § 21 Abs. 2 FSA-Kodex. Sie folgen aber aus dem Text- und Sinnzusammenhang des § 21 FSA-Kodex.

Wenn es in Absatz 2 heißt „Darüber hinaus“, nämlich über den Rahmen einer produktbezogenen Werbung hinaus, d.h. im hier maßgebenden Rahmen einer nicht-produktbezogenen Werbung, wird damit an die Regelung in Absatz 1 mit der dort vorgenommenen Bezugnahme auf die Ausnahmen des § 7 HWG angeknüpft. Wegen dieser Verknüpfung ist es gerechtfertigt, die dort genannten Ausnahmen auch im Rahmen des § 21 Abs. 2 FSA-Kodex anzuwenden. § 7 HWG ist zwar allein bei produktbezogener Werbung anwendbar. Das schließt es jedoch nicht aus, seine Ausnahmen sinngemäß auf nicht-produktbezogene Werbung zu übertragen, da hier durch die Formulierung „Darüber hinaus“ eine Verknüpfung zwischen produktbezogener und nicht-produktbezogener Werbung vorgenommen wird. Es ist kein sinnvoller Grund für eine unterschiedliche Behandlung erkennbar, etwa die Gewährung geringwertiger Kleinigkeiten bei einer produktbezogenen Werbung zu erlauben, bei einer bloßen Imagewerbung dagegen nicht (vgl. bereits die Entscheidung des Spruchkörpers 2. Instanz vom 28. September 2006, Az. FS II 2/06/­2005.12-106 zu § 7 Abs. 2 HWG).

a) Es kann offen bleiben, ob die Broschüre entsprechend § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG als erlaubte geringwertige Kleinigkeit angesehen werden kann.

Darunter sind Leistungen zu verstehen, die einen Wert bis etwa 5 EUR haben (vgl. dazu Dieners Kap. 9, Rdn. 252 f., Seiten 312 f.). Entgegen der Auffassung des betroffenen Mitglieds ist dieser Wert nicht auf 50 EUR zu erhöhen. Das widerspräche dem Sinn und Zweck der §§ 7 HWG, 21 FSA-Kodex. Demgemäss hat der FSA inzwischen eine Leitlinie gemäß § 21 Abs. 3 FSA-Kodex n.F. erlassen, die ebenfalls eine Grenze von 5 EUR nennt.

Die Broschüre, die sich der Arzt aus dem Internet herunterladen kann, hat für ihn einen wirtschaftlichen Wert. Es handelt sich um qualifizierte Informationen auf einem schwierigen Gebiet, verbunden mit Verhaltensempfehlungen sowie Musterbriefen, Informationen, die für den Arzt von großer Bedeutung sind und für die er eine entsprechende Gegenleistung erbringen müsste, wenn er sie auf dem Markt erwerben könnte und würde. Ob der Wert unter der genannten Kleinigkeitsgrenze liegt, hängt davon ab, wie der Umstand zu bewerten ist, dass sich der Arzt entsprechende Informationen auch anderweitig kostenlos aus dem Internet herunterladen kann. Das könnte den wirtschaftlichen Wert der Broschüre auf einen Betrag mindern, der unter 5 EUR liegt, wobei wertmindernd zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass dem Arzt durch das Herunterladen Mühen und Kosten entstehen.

b) Zugunsten des betroffenen Mitglieds greift jedenfalls die Ausnahme des § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG ein.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG sind im Rahmen einer produktbezogenen Werbung Zuwendungen erlaubt, die in der Erteilung von Auskünften und Ratschlägen bestehen, wie etwa telefonische Auskunftsdienste für Ärzte (Doepner, Heilmittelgesetz, 2. Aufl., § 7 HWG, Rdn. 54). Im Rahmen des § 7 HWG müssen diese Auskünfte und Ratschläge produktbezogen sein. Die genannte Ausnahme hat mehr klarstellenden Charakter, weil produktbezogene Auskünfte und Ratschläge im allgemeinen Bestandteile des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs und daher keine zusätzlichen Leistungen sind (vgl. dazu Doepner aaO).

Da es hier nicht um eine produktbezogene Werbung, sondern um eine Imagewerbung und daher im Wege der entsprechenden Anwendung um eine sinngemäße Übertragung der HWG-Ausnahme geht, genügt ein Bezug zum werbenden Unternehmen. Das trifft auch dann zu, wenn das Unternehmen nur mittelbar betroffen ist. Eine solche Auslegung des § 21 Abs. 2 FSA-Kodex ist geboten, um zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen, die die berechtigten Interessen der Ärzteschaft und der Pharmaunternehmen wahren.

Dabei ist zu beachten, dass der Fall des Downloads der Broschüre ebenso zu beurteilen ist wie der Fall der Überreichung der Broschüre als Printausgabe. Da es bei der entsprechenden Anwendung der genannten HWG-Ausnahme (Auskünfte und Ratschläge) um den Inhalt der Broschüre geht, ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Besonderheiten des Internets nicht gerechtfertigt.

Die erörterte Ausnahme erfasst im Rahmen einer Imagewerbung nicht nur einzelne Auskünfte und/oder Ratschläge, sondern greift auch dann ein, wenn es sich um eine sinnvolle Zusammenfassung von Auskünften und Ratschlägen, insbesondere wie hier um eine Broschüre handelt, die ein Regelwerk systematisch darstellt und dessen Auswirkungen und mögliche Reaktionen der Ärzteschaft auf diese Auswirkungen behandelt, bis hin zu Musterbriefen. Der Sinn und Zweck des § 21 FSA-Kodex steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Eine unsachliche Beeinflussung der Ärzteschaft ist durch eine solche Broschüre nicht zu befürchten.

Berlin, im September 2008