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§ 20 Abs. 5 Satz 4 FSA-Kodex Fachkreise in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 – Anreizwirkung einer Tagungsstätte auf der Insel Sylt; zur Bestimmtheit eines Unterlassungsgebots

AZ.: II. Instanz: FS II 2/19/ 2018.12-573/4

Der FSA-Spruchkörper 2. Instanz hat eine Beanstandung gegen das Sponsoring einer von zwei Mitgliedsunternehmen unterstützten Veranstaltung in Westerland/Sylt als unbegründet abgewiesen.

Die Veranstaltung war von einer lokalen Klinik in ihren Räumen durchgeführt worden. Der Spruchkörper hatte im vorliegenden Fall keine Bedenken gegen die Wahl der Veranstaltungsstätte. Der touristische Charakter, der der Insel Sylt beigemessen werden könnte, hat nach der aktuellen Fassung des Kodex keinen Einfluss auf die Bewertung der Stätte einer derartigen externen Fortbildungsveranstaltung. Durch diese Entscheidung hebt der Spruchkörper 2. Instanz eine Entscheidung des Spruchkörpers 1. Instanz zugunsten von Veranstaltern und Mitgliedsunternehmen auf.

Leitsätze

1. Nach § 20 Abs. 5 Satz 4 FSA-Kodex Fachkreise (- (im folgenden Kodex -) in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Kodex ist bei exter­nen Fortbildungsveranstaltungen allein auf die Tagungsstätte, dagegen nicht auch auf den Ta­gungsort abzustellen. Das Merkmal „Tagungsort“ kann nicht im Wege der Auslegung, entgegen der Entstehungsgeschichte in das Merk­­­­mal („extravagante“) „Tagungsstätte“ hin­ein interpretiert werden. Der Erlebnischarak­ter eines touristisch interes­santen Ta­gungsortes kann in der Regel nicht auf die Tagungs­stätte übertragen werden.

2. Die „Ta­gungs­­stätte“ wird nicht allein dadurch „extravagant“, dass der „Tagungsort“ möglicherweise als extravagant anzusehen ist.

3. Die bildliche Darstellung und die Betonung des Inselcharakters des Ta­gungsortes im Einladungs-Flyer, verbunden mit dem Umstand eines möglicherweise nicht ge­nü­gend straf­­fen Tagungs-Programms, reichen nicht aus, um das Kriterium „allein aus sachlichen Gesichtspunkten“ (§ 20 Abs. 3 Satz 2 Kodex) für die Auswahl der Tagungsstätte zu verneinen.

4. Haben Teilnehmer einer externen Fortbildungsveranstaltung nach deren Abschluss die Möglichkeit, den Aufenthalt zu verlängern oder eventuelle Freizeitangebote am Tagungsort auf eigene Kosten und aufgrund eigener Organisation zu nutzen, so ist darin kein zusätzlicher und unsachlicher Anreiz zu sehen, an der Fortbildungs-Veranstaltung teilzunehmen. Was die Teilneh­mer nach Beendigung der Veranstaltung unter­nehmen, ist allein ihre Angele­gen­heit.

Sachverhalt

Anfang 2019 fand in Westerland/Sylt der „[…] Insel-Workshop [Indikationsgebiet]“ in einer Klinik der Veranstalterin statt. Auf den Anmeldungs-Flyer wurden ein Strandkorb sowie der Inselstrand mit Leuchtturm gezeigt. Die zuständige Ärztekammer hatte die Veranstaltung zertifiziert.

Die Teilneh­mer (ca. 50) mussten auf eigene Kosten anreisen. Die Teilnehmergebühr war eine Pauschale und beinhaltete die Unterkunft für eine Nacht in der Klinik (in Patien­ten­zim­­mern), die Ver­pfle­gungs­kosten und die Tagungsgebühr. Sie betrug je nach Zimmer­ka­te­gorie 50 € bis 95 €. Die Unterkunft für eine weitere Nacht kostete 60 € bis 110 €. Für Teilnehmer mit ex­ter­ner Unterkunft belief sich die Tagungsgebühr auf 20 €.

Zu den Sponsoren gehörten zwei Mitgliedsfirmen (im Folgenden: die Un­ter­nehmen). Sie hatten mit der Veranstalterin den Sponsoring-Verträge geschlossen. Ein Unternehmen verpflichtete sich, einen Pau­schalbetrag von 1.000 € zu zahlen für die Zurverfügungstellung eines Standes und die Nennung im Programm. Das zweite Unternehmen trug vor, seine Unterstützung habe darin bestanden, dass es die Honorare von je 1.000 € und die Auslagen von zwei Referenten übernahm und unmittelbar an diese auszahlte.

Das Programm begann an einem Freitag um 18 Uhr mit der Begrüßung der Teilneh­mer. Ab 18 Uhr 30 gab es ein gemeinsames Abendessen. Am nächsten Tag wurde die Veranstaltung ab 9 Uhr mit mehreren Fachbeiträgen fortgesetzt, unterbrochen von einer Kaffeepause (30 Min.). Die Tagung endete ab 13 Uhr mit einem gemeinsamen Mittag­es­sen.

Dem FSA ging dazu eine anonyme Beanstandung des Sponsorings zu, mit der unter an­derem beanstandet wur­de, dass der Veranstaltungsort angesichts seines, in der Ein­la­dung bildlich herausgestellten Freizeitwertes nicht angemessen sei.

Die Unternehmen trugen vor:

Die Auswahl des Ta­gungs­ortes und der Tagungsstätte sei ausschließlich aus sachlichen Gründen gesche­hen. Gemäß Programm liege eine rein berufsbezogene, medizinische Fortbildungsveranstaltung vor, die in einem Tagungsraum der Klinik stattfinde.

Der Spruchkörper 1. Instanz mahnte die Unter­neh­men wegen der bildlichen Gestaltung der Einladung und wegen fehlender Straffheit des Programms erfolglos ab. Die Tagungsstätte sei als „extravagant“ in Sinne der Leitlinie 13.2 zu bewerten.

Die Unternehmen trugen weiter vor: Die Tagungsstätte sei nicht als ex­travagant einzustufen; sie sei nicht für ihren Unter­hal­tungswert bekannt. Eine Vermengung von „Tagungsstätte“ und „Tagungsort“ gehe über den FSA-Kodex hinaus.

Der Spruchkörper 1. Instanz hat daraufhin einen Verstoß gegen § 20 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 ff. Kodex festgestellt und die Unternehmen verpflichtet, es künf­tig zu un­terlassen, externe Fortbildungsveranstaltungen gegen­über Veran­stal­­tern finanziell zu unterstützen, wenn die Auswahl der Tagungs­stät­te nicht allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt ist, so wie es beim „[…] Insel-Workshop [Indikationsgebiet]“ in Westerland/Sylt am […] der Fall gewesen ist.

Die Begründung des Spruchkörpers 1. Instanz stellte darauf ab, dass sich die Tagungsstätte an einem Ort befinde, des­sen allgemein bekannter Freizeitcharakter, auch im Winter, die Gefahr begründe, dass sie bei Berücksichtigung der Gesamtumstände einen unzulässigen Anreiz vermittele. Die Prä­sentation im Einladungs-Flyer rücke die Insel in den Vordergrund und verschaf­fe der Tagungsstät­te einen Anreiz, der geeignet sei, die angesprochenen Adressaten un­sachlich zu beeinflussen, und sei als „extravagant“ zu bewerten. Ihr Freizeitwert werde durch den nicht straffen Programmablauf betont.

Gegen die Entscheidung haben die Unternehmen Ein­spruch eingelegt und ihr Vorbringen 1. Instanz vertieft:

Die Auswahl der Tagungsstätte beruhe allein auf sachlichen Gründen.

Bei der Bewertung der Veranstaltungsstätte sei wesentlich, dass es sich um eine Veran­stal­tung der Klinik handele, in den eigenen Räumlichkeiten einer me­dizinischen Einrichtung, die besonders geeignet sei, dem Charakter der ärzt­li­chen Fort­bildung Rechnung zu tragen. Die attraktive Meereslage sei als Imagefaktor der Veran­stalterin im Rahmen der rehabilitativen Möglichkeiten in das Fortbildungskonzept ein­ge­bettet worden und stelle keinen sachfremden, touristischen Anreizfaktor dar.

Maßgeblicher Umstand sei auch, dass die Teilnehmer die Kosten der Anfahrt, der Un­ter­bringung und der Bewirtung selbst zu bestreiten hätten und damit einen etwaigen Anreizfaktor selbst finanziert hätten.

Nach § 20 Abs. 5 Satz 4 Kodex bleibe die Auswahl des Tagungsortes außer Be­tracht. Die Verweisung auf Absatz 3 beziehe sich nur auf die Tagungsstätte und die Be­wirtung. Wie die Entstehungsgesichte der Vorschrift ergebe, sei der Passus „(Aus­wahl) des Tagungsortes“ bewusst gestrichen worden. Das bestätigten die Beschluss­-Vorlage des Vorstands für die Mitgliederversammlung am 17. Oktober 2017, das Schreiben des FSA vom 24. Oktober 2017 sowie das Vorwort zur „Neuauflage 2018“ des Kodex. Eine Regelungslücke gebe es demnach nicht. Eine etwa beabsichtigte Neuregelung sei unbe­achtlich. Der gestrichene Aspekt „Veranstaltungsort“ dürfe nicht auf einem Um­we­ge un­ter dem Aspekt „Veranstaltungsstätte“ in die Bewertung einfließen.

Das Merkmal „extravagant“ beziehe sich nicht auf den Tagungsort, sondern allein auf die Tagungsstätte.

Falls aber der Tagungsort Sylt einen generell-abstrakten Freizeitcharakter entfalte, der rechtlich beim Sponsoring von externen Veranstaltungen zu beachten sei, würde hier bei Betrachtung der Gesamtumstände für die Auswahl der Tagungsstätte der Erlebnis­cha­rak­ter nicht derart überwiegen, dass der Eindruck entstehen müsse, die Tagungsstätte sei deswegen ausgewählt worden. Sylt als Badeort sei im Winter nicht besonders attraktiv.

Auf eine straffe Programmgestaltung komme es bei externen Veranstaltungen nicht an. Art, Inhalt und Präsentation der Veranstaltung würden allein vom ärztlichen Veranstal­ter bestimmt (§ 20 Abs. 6 Kodex). Die Aufteilung auf zwei Tage erkläre sich aus verkehrstechnischen Notwendigkeiten. Gegen die Möglichkeit, um eine Nacht zu ver­längern, bestünden keine Bedenken, weil der Teilnehmer sie selbst bezahlen müsse. Auf die Herkunft der Teilnehmer der zertifizierten Veranstaltung komme es nicht an; es ob­liege allein dem Veranstalter, wen er einlade.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Gegenstand der Verfahrens 2. Instanz ist gemäß dem Verbot 1. Instanz aus § 20 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Kodex, ob das Unternehmen die Ta­gungsstätte allein nach sachli­chen Gesichts­punkten aus­­gewählt hat, dagegen nicht auch die weiteren ano­nym erhobe­nen Bean­stan­dungen (§ 25 Abs. 7 Satz 2 FSA-VerfO). Inso­weit hat der Spruchkörper 1. In­stanz keinen Ver­stoß fest­­ge­­stellt.

Der Einspruch des Unternehmens ist begründet. Nach Auffassung des Spruchkörpers 2. Instanz hat das Unternehmen nicht gegen § 20 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Kodex ver­sto­ßen.

1) Das Verbot 1. Instanz ist allerdings hinreichend bestimmt.

Das Verbot übernimmt zwar den Wortlaut des Kodex, bezieht sich dann aber auf die konkrete Verletzungsform. Demgemäß erfasst das Verbot die konkrete Ver­letzungs­­form, ferner auch solche Handlungen, die ihr im Kern gleich sind. Zur Ausle­gung eines derartigen Verbots wären maßgebend die Gründe der Entscheidung heranzuzie­hen.

Wesentlich für das Verbot 1. Instanz war die Präsentation der Veranstaltung im Einla­dungs-­Flyer, verbunden mit angenommener fehlender Straffung des Programms. Daraus folgt, dass bei einer erneuten Veranstaltung kein Verstoß gegen dieses Verbot vorläge, wenn ein solcher Flyer nicht mehr benutzt wird, und auch kein Flyer, der dem verwen­de­ten Flyer im Kern gleich ist, oder wenn eine andere, deutlich engere Zeitplanung vor­liegt.

2) Das Verfahren betrifft, was hervorzuheben ist, keine interne, sondern eine externe Fortbildungsveranstaltung. Nach § 20 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Kodex hat die Auswahl der Ta­gungs­stätte sowie die Einladung hierzu allein nach sachlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Nach Abs. 3 Satz 4 sollen die Unternehmen Tagungsstätten vermeiden, die für ihren Un­terhal­tungs­wert bekannt sind oder als extra­va­gant gelten.

3) Im vorliegenden Fall ist die Auswahl der Tagungsstätte allein nach sachlichen Ge­sichts­­punk­ten erfolgt.

Wie der Spruchkörper 1. Instanz zu Recht angenommen hat, ist die Tagungsstätte, die Asklepios Klinik in Westerland/Sylt, die die Veranstalterin ist, für sich betrachtet nicht zu beanstanden. In der Tat ist die Klinik insbesondere nicht für einen Unterhaltungswert be­kannt und gilt nicht als extra­va­gant (§ 20 Abs. 3 Satz 4 Kodex).

Die 1. Instanz hat vielmehr auf einen in der Einladung herausgestellten Freizeitwert des Ta­gungs­ortes (Westerland/Sylt), ver­bun­den mit einem nicht-straffen Programm abge­stellt. Der Anreiz, der von diesem Ver­an­staltungsort ausgehe, wirke sich bei der Bewer­tung der Tagungsstätte aus. Dem vermag der Spruchkörper 2, Instanz nicht zu folgen.

a) Nach § 20 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Kodex ist bei exter­nen Fortbildungsveranstaltungen allein auf die Tagungsstätte, dagegen nicht auch auf den Ta­gungsort abzustellen. Während es bei internen Fortbildungsveranstaltungen nach Abs. 3 Satz 2 auf beide Merkmale ankommt, erscheint bei der Bezugnahme in Abs. 5 auf Abs. 3 das Merkmal „Tagungsort“ nicht. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte die­­ser ab 1. Januar 2018 geltenden Fas­sung ergibt, ist dieses Merk­mal bewusst bei der Be­­zugnahme gestrichen worden.

Das bestätigt das Informations-Schreiben des FSA vom 24. Okto­ber 2017, in dem es heißt, die Tatsache, dass die Veranstaltung unter Umstän­den an einem touristisch inte­r­essanten Ort stattfindet, (wäre) damit bei der grundsätz­li­chen Bewertung des Sponso­rings nicht von Bedeutung. Demgemäß heißt es im Vorwort zur Neufas­sung des Ko­dex 2018: „Ab sofort gelten für das Sponsoring bei exter­nen Veranstaltungen hin­sicht­lich Veranstaltungsstätte und Bewirtung dieselben Rege­lun­gen wie bei internen, eigenen Fortbildungsveranstaltungen der Mitgliedsunterneh­men.“.

Was insoweit in einer erst zukünftigen Leitlinie erläutert wird, ist derzeit unerheblich. Abgesehen davon kann eine Leitlinie den Kodex nicht ändern.

Unter den genannten Umständen geht es grundsätzlich nicht an, im Wege der Auslegung das gestrichene Merkmal „Tagungsort“ entgegen der Entstehungsgeschichte in das Merk­­­­mal („extravagante“) „Tagungsstätte“ wieder hin­einzuinterpretieren. Die „Ta­gungs­­stätte“ wird nicht allein dadurch „extravagant“, dass der „Tagungsort“ mögli­cher­weise als extravagant anzusehen ist.

Im Schreiben des FSA vom 24. Okto­ber 2017 ist im vorliegenden Zusam­menhang zwar (nur) von „grundsätzlich“ die Rede, worauf sich der Spruchrichter 1. Instanz berufen hat. Es mag Ausnahmen geben, bei denen der „Tagungsort“ die „Tagungsstät­te“ in einem solchem Ausmaß entscheidend (mit)­prägt, dass die Annahme als gerecht­fertigt erscheinen könnte, die Auswahl der „Tagungs­stätte“ sei nicht allein aus sachli­chen Gründen erfolgt, wie etwa möglicherweise ein angrenzender Freizeitpark (vgl. die beab­sichtigte Ergänzung der Leitlinie unter 11.7).

Das setzt aber ganz beson­de­re Umstände des Einzelfalles vor­aus. Bei der ge­bo­te­nen en­gen Ausle­gung darf es nicht zu einer Um­keh­rung des Regel-/Ausnahme-Ver­hältnisses ko­mmen mit der Folge, dass der Erlebnischarak­ter eines touristisch interes­santen Ta­gungsort praktisch stets, abgesehen von regionalen Veranstal­tun­gen, auf die Tagungs­stätte übertragen wird.

Im vorlie­genden Falle liegt eine solche Aus­nah­me nicht vor. Eine allgemeine Festle­gung für zukünftige, anders gelagerte Fälle durch den Spruchkörper 2. Instanz ist nicht mög­lich, weil es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt.

b) Entgegen der Ansicht des Spruchkörpers 1. In­stanz lässt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles nicht die Feststellung begründen, die Auswahl der Tagungsstätte sei nicht allein aus sachlichen Gründen erfolgt.

Nach Auffassung des Spruchkörpers 2. Instanz genügt es dafür nicht, dass der Einla­dungs-Flyer mit der bildlichen Darstellung und der Betonung des Inselcharakters des Tagungsortes auf den Freizeitwert von Sylt hin­weist, verbunden mit dem Umstand eines möglicherweise nicht ge­nü­gend straf­­fen Ta­gungs-Programms.

Sylt hat zwar, auch im Winter, einen erheblichen Freizeitwert. Dieser begründet hier je­doch, und zwar unabhängig von der Jahreszeit, keinen wesentlichen Anreiz für die Ärz­tinnen und Ärzte deswegen, also aus fachfremden Gründen an der Fachtagung teil­zuneh­men. Das ergibt sich aus der Würdigung der gesamten Umstände.

Veranstalterin ist eine Klinik mit Sitz in Westerland. Die Tagung fand, was nahe­lag und sachgerecht war, in ihren eigenen Räumen statt, demgemäß in einer eher nüch­ter­nen Umgebung. Die Teilnehmer übernachteten in Patientenzimmern, mussten ihre An- und Abreise selbst bezahlen und eine Tagungspauschale entrichten, die die Unter­kunft, die Verpflegung und die Tagungsgebühr umfasste. Wer unter diesen Umständen an der Tagung teilnahm, tat das nicht wegen des Freizeitwertes von Sylt, sondern allein aus fachlichen Gründen. Dieser prägte daher nicht die Tagungsstätte (mit).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Gestaltung des Programms. Dieses erlaubte den Teilnehmern bis zur Beendigung der Veranstaltung keine Freizeitmöglichkeiten. Die vor­genommene Zeiteinteilung ergibt sich ohne weiteres aus den Besonderheiten der An- und Abreise.

Weitere Merkmale, die gegen eine sachliche Auswahl der Tagungsstätte sprechen, sind nicht vorhanden. Ein solches Merkmal ist nicht etwa darin zu sehen, dass die Teilneh­mer um eine Nacht verlängern konnten. und zwar auf eigene Kosten, ebenso wie auch die gesamte Fortbildungs-Veranstal­tung bezahlt werden musste. Auch der Spruch­richter 1. Instanz hat darauf nicht (zusätzlich) abgestellt.

Die Fort­bil­dungs-Veranstaltung, die das Unternehmen – in einem verhältnismäßig geringen Umfange – gesponsert hat, endete bereits am Mittag. Die Verlängerungsnacht gehörte nicht mehr dazu. Was die Teilneh­mer nach Beendigung der Veranstaltung unter­nommen haben, war allein ihre Angele­gen­heit. Die Mög­lichkeit der Ver­längerung führte auch nicht etwa zu einem zusätzlichen und unsachlichen Anreiz, über­haupt an der Fortbildungs-Veranstaltung teilzunehmen. Die Teilnehmer konnten lediglich auf eigene Kosten die einfache Möglichkeit der Ver­längerung in derselben Unterkunft nut­zen.

Ergebnis

Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Kodex liegt nicht vor. Die Entscheidung des Spruchrichters 1. Instanz vom 27.03.2019 war daher aufzuheben, das Beanstandungsverfahren einzustellen.

Berlin, im Juni 2019