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§§ 20 Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise, Leitlinie 11.2.: Interne Fortbildungsveranstaltung im „The Charles Hotel“ in München 2019

AZ.:2019.8-602

Verfahren eingestellt: Fünf-Sterne-Hotel als Veranstaltungsstätte zulässig, wenn keine wesentlichen Anreize für Freizeitaktivitäten erkennbar sind.

Die anonyme Beanstandung einer Fortbildungsveranstaltung, die in einem sog. „Luxushotel“ in München stattfand, erwies sich als unbegründet; nachdem dargelegt wurde, dass die Auswahl der Tagungsstätte allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt war und besondere Anreize zur Nutzung von Freizeitangeboten oder Luxusausstattungen fehlten.

Leitsätze

1. Die Schiedsstelle bestätigt ihre Spruchpraxis, der zufolge es grundsätzlich möglich ist, eine interne Fortbildungsveranstaltung auch in einem sog. „Luxushotel“ durchzuführen, sofern die Programmgestaltung keine wesentlichen Anreize oder die Möglichkeit zur Nutzung von Freizeitaktivitäten oder der etwa vorhandenen Luxusausstattung des Hotels vermittelt.

2. Bei einer Fortbildungsveranstaltung von 3 Stunden Dauer in München kann die Bewirtung mit einem Wert von 45 EUR angemessen und sozialadäquat sein. Dabei sind die Kosten für die Miete des Raums und die Tagungstechnik nicht zu berücksichtigen.

3. Ob der Orientierungswert von 60 EUR (Stand 2008), der in der Leitlinie 11.2 für den Umfang der Bewirtung genannt wird, in Anbetracht der inzwischen eingetretenen Preissteigerungen heute ggf. angepasst werden könnte, lässt die Schiedsstelle ausdrücklich offen. Allerdings lässt die Vielzahl der der Schiedsstelle vorgelegten Kalkulationen vergleichbarer Veranstaltungen aktuell keine derartige Notwendigkeit erkennen.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens war die anonyme Beanstandung, ein Mitgliedsunternehmen habe Angehörige der Fachkreise zu einer Fortbildungsveranstaltung in das „The Charles Hotel“ in München eingeladen. Der Beanstandende führte aus, die Veranstaltung habe in einem Luxus-Hotel stattgefunden und sei deshalb Kodex-widrig; er verwies darauf, dass das Hotel ein „5-Sterne-Luxushotel“ sei. Das Unternehmen bestätigte, Ärzte, vorwiegend Gynäkologen und Onkologen, zu einer Fortbildungs-veranstaltung in das Hotel eingeladen zu haben. Dabei hätten 39 Teilnehmer aus München und dem dortigen Umkreis zugesagt, letztlich aber nur 34 Ärzte teilgenommen. Für die Veranstaltung sei ein zeitlicher Rahmen von 17 bis 20 Uhr geplant gewesen, dem anschließend noch ein Austausch der Teilnehmer untereinander bis ca. 21:00 Uhr folgte. Das Programm sei mit 4 Referaten straff und sachorientiert gewesen. Anfangs sei, zusammen mit der Begrüßung, ein Imbiss gereicht worden, den das Hotel mit 64,57 EUR/Teilnehmer berechnet habe; darin seien die Miete für den Raum und die technische Ausstattung enthalten gewesen.

Die Auswahl des Hotels sei allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt: das Preis-/Leistungsverhältnis im Vergleich zu ähnlichen Hotels am Ort, auf deren Angebote im Einzelnen verwiesen wurde, die gute Erreichbarkeit vom Hauptbahnhof, die adäquaten Räumlichkeiten, die Parkmöglichkeiten usw.

Das Unternehmen meinte, es handele sich beim „The Charles Hotel“ um ein „Business-geprägtes Hotel“, das Kodex-konform sei. Kein Teilnehmer habe im Hotel übernachtet, die Möglichkeit zur Nutzung anderer Einrichtungen des Hotels habe nicht bestanden. Die Bewirtungskosten wahrten den Kodex-Rahmen und seien sozialadäquat geblieben.

Der in den Leitlinien genannte Richtwert von 60 EUR (Stand 2008) müsse im Hinblick auf die inzwischen eingetretenen Preissteigerungen betrachtet werden: Die Überschreitung dieses Richtwerts um 7,46% sei angemessen und nicht zu beanstanden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Gem. § 20 Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise ist die finanzielle Unterstützung von internen Fortbildungsveranstaltungen grundsätzlich zulässig. Dabei muss die Auswahl der Tagungsstätte allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgen. Tagungsstätten sind zu vermeiden, die für ihren Unterhaltungswert bekannt sind oder als extravagant gelten. Dieser Rahmen wird von der Veranstaltung gewahrt.

Nach der bisherigen Spruchpraxis der Schiedsstelle ist es grundsätzlich möglich, eine interne Fortbildungsveranstaltung auch in einem sog. „Luxushotel“ durchzuführen. Allerdings darf die Programmgestaltung der Fortbildungsveranstaltung keinen wesentlichen Anreiz oder Möglichkeit zur Nutzung von Freizeitaktivitäten oder der etwa vorhandenen Luxusausstattung des Hotels vermitteln (vgl. Leitlinie 11.6 letzter Abs., Verfahren zu Az. 2015.11-493 m. w. Nachw.).

Unter diesen Voraussetzungen können auch derartige Häuser als Veranstaltungsorte in Betracht kommen.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt; die überreichten Fotos lassen auch erkennen, dass der Veranstal-tungsraum dem Rahmen vergleichbarer Business-Hotels entspricht. Die Schiedsstelle kann es daher offenlassen, ob es sich beim Charles Hotel um ein „Luxus-Hotel“ handelt.

Die Veranstaltung bestand im Wesentlichen aus vier Fachvorträgen, die in einem zeitlichen Rahmen von 2,5 bis 3 Stunden geboten wurden. Die Schiedsstelle sieht keinen Anlass, diese Programmgestaltung zu beanstanden, zumal sie davon auszugehen hatte, dass weder vor noch nach der Veranstaltung die Möglichkeit bestand, etwa bestehende Freizeitmöglichkeiten des Hotels zu nutzen.

Soweit bei der Bewirtung der Teilnehmer der in der Leitlinie 11.2 als „Orientierungsgröße“ genannte Betrag von 60 EUR/Teilnehmer überschritten wurde, sieht dies die Schiedsstelle im vorliegenden Fall als unschädlich an. Denn diese Überschreitung beruht darauf, dass in diesen Kosten auch die Raummiete und die technische Ausstattung enthalten gewesen sind. Nach den Vergleichsangeboten, die vom Unternehmen vorgelegt wurden, geht die Schiedsstelle insoweit von einem Kostenfaktor aus, der bei ca. 20 EUR/Teilnehmer gelegen haben dürfte. Daher betrug der für die reine Bewirtung verwandte Betrag ca. 45 EUR (vgl. dazu auch Leitlinie 11.3); dies ist in Anbetracht der Kürze der Veranstaltung von drei Stunden angemessen und sozialadäquat.

Vor diesem Hintergrund kann daher auch offenbleiben, ob der Orientierungswert von 60 EUR, der in der Leitlinie 11.2 genannt wird, in Anbetracht der inzwischen eingetretenen Preissteigerungen heute ggf. angepasst werden könnte. Die Vielzahl der bei der Schiedsstelle vorgelegten Kalkulationen vergleich-barer Veranstaltungen lässt eine derartige Notwendigkeit jedenfalls aktuell nicht erkennen.

Soweit die Auswahl des Hotels u.a. mit dem günstigen Preis-/Leistungsverhältnis begründet wurde, weist die Schiedsstelle daraufhin, dass dieses Motiv nach der ständigen Spruchpraxis nicht relevant ist (vgl. Dieners, Handbuch Compliance, 3 Aufl. 2010, Kap. 11, Rdnr. 240).

Durch die Kodexregelungen soll in erster Linie der Eindruck vermieden werden, dass in der Wahrnehmung des Hotels durch die eingela-denen Angehörigen der Fachkreise bereits der bloße Aufenthalt im Hotel selbst einen besonderen Anreizfaktor bildet, der geeignet ist, diese in ihrer Therapie- und Verordnungsfreiheit unsachlich zu beeinflussen; das Preis-/Leistungsverhältnis spielt dabei keine ausschlaggebende Rolle. Im Einzelfall kann dies vielmehr dazu führen, dass ein besonders günstiges Preis-/Leistungsverhältnis vom einladenden Unternehmen gerade ausgeschlagen werden muss, weil der Außeneindruck des Hotels einen besonderen Anreizfaktor darstellt.

Nach alledem war die Beanstandung unbegründet.

Ergebnis

Die Verfahren wurden eingestellt.

Berlin, im September 2019