Skip to content

§ 20 Abs 5, 3 FSA-Kodex Fachkreise i.V.m. den Leitlinien 12 und 12.a: Zum Sponsoring einer externen Fortbildungsveranstaltung in Straubing, die zur Zeit des dortigen Gäubodenvolksfests durchgeführt wurde.

Az.: 2022.8-667-672, 674

Das Gäubodenvolksfest bietet besondere Erlebnismöglichkeiten, die dem Veranstaltungsort Straubing in diesem Zeitraum eine seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung geben.

Leitsätze

1. Bei einem Hotel der Klasse 4-Sterne begründen ein kleinerer Spa-Bereich und die Werbung mit einer VIP-Liste in der Regel keine seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung.

2. Ein großes Volksfest, das überregional besucht wird, kann besondere Erlebnismöglichkeiten des Veranstaltungsorts begründen und eine seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung herbeiführen. Diese Anreizwirkung steht in der Regel nicht im Einklang mit dem Kodex, wenn eine Fortbildungsveranstaltung im Zeitraum des Volksfests stattfindet oder zeitlich unmittelbar daran angrenzt.

3. Der Kölner Karneval oder das Oktoberfest werden in der Leitlinie 12.a.1 (ii) nur beispielhaft genannt. Auch andere Erlebnismöglichkeiten können davon erfasst sein, insbesondere wenn sie z.B. thematisch oder hinsichtlich ihrer Besucherzahl oder ihrer Dauer dem Kölner Karneval oder dem Oktoberfest gleichkommen.

4. Ob die Teilnehmer einer Fortbildungsveranstaltung eine Gelegenheit zum Besuch des Fests haben, ist nach der Neuregelung der Leitlinie 12a. Abs. 2 Satz 2 in der Regel nicht mehr erheblich. Die frühere Spruchpraxis (vgl. Az. FS II 2/19/ 2018.12-573/4) kann bestenfalls modifiziert beibehalten werden.

5. Kommt ein erheblicher Teil des angesprochenen Teilnehmerkreises der Veranstaltung nicht aus der unmittelbaren Umgebung des Veranstaltungsortes, bleibt eine ggf. festgestellte Anreizwirkung bestehen. Die Schiedsstelle folgt dabei der Leitlinie, die eine einfache Fahrtstrecke zum Veranstaltungsort von 50 Kilometern nennt.

6. Eine Reduzierung der Geldbuße kann bei sehr kleinen Mitgliedsunternehmen in Betracht kommen; das dürften in erster Linie Unternehmen der untersten Beitragsgruppe mit Jahresumsätzen unterhalb von EUR 10 Mio. sein.

7. Erfolgt die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung bereits auf die erste Anhörung hin, kann der Spruchkörper 1. Instanz die Verfahrensgebühr und die Geldbuße reduzieren.

Sachverhalt

Gegenstand der Verfahren war das Sponsoring einer Fortbildungsveranstaltung für Urologen, die von den Mitgliedsfirmen Astellas Pharma GmbH, Bayer Vital GmbH, BristolMyers Squibb GmbH & Co. KG, Eisai GmbH, Janssen-Cilag GmbH, Merck KGaA und die Roche Pharma AG – unterstützt wurde. Die Veranstaltung wurde durch eine lokale Klinik in Straubing an einem Samstag veranstaltet, der in die Zeit des sog. „Gäubodenvolksfests“ fiel, das vom 12. bis zum 22. August 2022 stattfand. Das Gäubodenvolksfest, so die Beanstandende, sei das zweitgrößte Volksfest in Bayern mit ca. 1,4 Mio. erwarteten Besuchern. Auf das Fest wurde in der Einladung ausdrücklich hingewiesen.

In der Beanstandung wurde ausgeführt, dass Straubing zu dieser Zeit nicht dem Rahmen entspräche, den Ziff. 12a. der Leitlinien definiere; auch sei die Veranstaltungsstätte, das Hotel Asam, nicht kodexkonform, da es auf seiner Webseite prominent mit Begriffen wie „Wellness-Hotel“, „Asam Spa“, „VIP-Gäste Liste“ beworben werde. Es handele sich schließlich auch keineswegs um eine ausschließlich regionale Veranstaltung.

Die sponsernden Mitgliedsunternehmen räumten ein, die Veranstaltung finanziell unterstützt und im Gegenzug (u.a.) einen Stand auf der Industrieausstellung und die Nennung als Sponsor erhalten zu haben. Sie waren aber (überwiegend) der Auffassung, die Veranstaltung wahre den Rahmen, den der Kodex und die Leitlinien 12f. vorgeben. Die Beanstandung sei daher unbegründet.

Im Einzelnen führten sie u.a. aus, die Veranstaltung hätte einen hohen wissenschaftlichen Wert gehabt. Freizeitmöglichkeiten hätten während der Veranstaltung nicht genutzt werden können, so dass es an einem Anreiz gefehlt habe. Die Wahl des Veranstaltungsortes sei durch den Sitz der veranstaltenden Klinik bedingt gewesen, der regionale Charakter sei ihnen vom Veranstalter ausdrücklich bestätigt worden. Die Veranstaltungsstätte, das Hotel Asam, sei aufgrund seiner Größe ausgewählt worden; vergleichbare Möglichkeiten gäbe es in Straubing nicht. Der Wellness-Bereich des Hotels sei sehr begrenzt und für eine 4-Sterne-Hotel nicht zu beanstanden; während der Veranstaltung sei auch keine Möglichkeit zum Besuch gegeben gewesen. Von der „VIP-Gäste Liste“, die eine Reihe von eher regional bekannten Namen aufweise, könne kein relevanter Anreiz ausgehen. Die Bewirtung habe den Kodexrahmen gewahrt.

Das Gäubodenvolksfest führe nicht dazu, dass Straubing als problematisch angesehen werden müsste; es biete keine besonderen Erlebnismöglichkeiten, die mit jenen des Oktoberfests oder des Karnevals in Köln vergleichbar oder die allgemein und überregional bekannt wären.

Nach den Feststellungen der Schiedsstelle wird diese Fortbildungsveranstaltung seit 2013 in Straubing, jeweils im gleichen Hotel und während der Zeit des Gäubodenvolksfests durchgeführt. Es handelt sich um eine Ein-Tages-Veranstaltung, die im Jahr 2022 für die Zeit von 11:00 bis 16:00 Uhr terminiert war. Zumindest die Veranstaltungen der Jahre 2016-2019 wurden in gleicher Weise veranstaltet; 2020 und 2021 wurden keine derartigen Symposien abgehalten.

Die Zahl der passiven Teilnehmer der o.g. Veranstaltung soll bei ca. 35 gelegen haben, die zu ca. 2/3 aus der Umgebung von Straubing gekommen sein sollen; die „Umgebung“ von Straubing wurde nicht näher präzisiert. Genauere Zahlen zum tatsächlichen Teilnehmerkreis und den Herkunftsorten wurden der Schiedsstelle auch vom Veranstalter nicht vorgelegt. 3 Nach den Ermittlungen der Schiedsstelle wurden ca. 70 Urologen eingeladen, überwiegend aus Nürnberg, Regensburg, Landshut, Deggendorf, Passau und bis an den Rand von München. Hinzukamen einige Teilnehmer aus dem Kreis überregionaler Überweiser des Klinikums (teilweise aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg). In Straubing selbst sind drei selbständige Urologen tätig und ein weiterer Urologe im Landkreis. Da die Urologen-Dichte in der Region nicht sehr hoch ist, hatte sich der Veranstalter für den genannten Verteilerkreis entschieden.

Straubing liegt ca. 140 km nordöstlich von München und ca. 45 km östlich von Regensburg. Der Landkreis Straubing-Bogen zählt ca. 103 000 Einwohner (2022), Straubing selbst ca. 48.000 (2021). Das Gäubodenvolksfest findet seit mehr als 200 Jahren in Straubing statt und hat sich zum zweitgrößten Volksfest in Bayern entwickelt. In sieben Festzelten „warten 27.000 Sitzplätze auf rund 1,4 Mio. Besucher aus aller Welt“ (https://www.ausstellungsgmbh.de/gaeubodenvolksfest/ ).

Zum Verfahrensgang

Die Schiedsstelle hat die Firmen zu der Beanstandung angehört und bereits daraufhin von zwei Unternehmen, nämlich der Janssen-Cilag GmbH und der Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KG Unterlassungserklärungen erhalten. Die Höhe der Geldbußen wurde dabei in das Ermessen der Schiedsstelle gestellt (sog. „Hamburger Brauch“).

Die weiteren fünf Unternehmen wurde von der Schiedsstelle wegen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise (- im Folgenden: Kodex -) und der Leitlinie 12a gem. § 20 Abs. 4 VerfO abgemahnt. Daraufhin gaben vier der Firmen strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab, die die Schiedsstelle annahm. Ein Unternehmen lehnte die Abgabe ab, so dass in diesem Verfahren eine Entscheidung nach §§ 20 Abs. 6, 21 VerfO zu treffen war.

In diesem verbleibenden Verfahren vertiefte das Unternehmen u.a. seinen Vortrag, das Gäubodenvolksfest sei nicht mit dem Oktoberfest oder dem Karneval in Köln vergleichbar; nach der Spruchpraxis der Schiedsstelle sei es dem Unternehmen auch nicht zuzurechnen, falls Teilnehmer nach Abschluss des Fests auf eigene Initiative und Kosten einen Besuch des Fests vorgenommen haben sollten. Schließlich sei auch die Höhe des in der Abmahnung genannten Bußgelds von EUR 12.000 für kleinere Unternehmen wie ihres nicht angemessen, da es damit deutlich stärker als große umsatzstarke Pharmaunternehmen belastet würde.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Gem. § 20 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Kodex muss die Auswahl des Veranstaltungsorts und der Veranstaltungsstätte für interne und, wie hier, externe Fortbildungsveranstaltungen sowie die Einladung von HCP‘s hierzu allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgen. Ein solcher Grund ist beispielsweise nicht der Freizeitwert des Veranstaltungsorts. Die Unternehmen sollen ferner Veranstaltungsstätten vermeiden, die für ihren Unterhaltungswert bekannt sind.

Zur Veranstaltungsstätte:

Ausweislich seiner Internet-Darstellung ist das Hotel Asam sachlich und neutral gehalten. Die Vortragsräume sind nüchtern und modern gestaltet. Ein irgendwie gearteter LuxusCharakter ist für die Schiedsstelle nicht erkennbar. Dem entspricht auch die 4-Sterne-Bewertung.

Der Spa-Bereich ist überschaubar und beschränkt sich offensichtlich auf Sauna, Dampfbad, Massagen, Wasserbetten, die Sonnenwiese, den Wintergarten und die Bewirtung auf der Dachterrasse des Hotels. Dies erscheint der Schiedsstelle, gemessen am Angebot anderer „Wellness-Hotels“, für ein Haus dieser Sternen-Klasse nicht zu beanstanden.

Dass die Besucher der Veranstaltung durch diesen überschaubaren Spa-Bereich zum Besuch der Veranstaltung hätten veranlasst werden können, erscheint der Schiedsstelle fernliegend: Einen besonderen Anreizeffekt durch den Wellness- und Spa-Bereich des Hotels kann die Schiedsstelle nicht erkennen.

Ob, wie der Webseite des Hotels zu entnehmen ist, der Spa-Bereich nur Übernachtungsgästen zur Verfügung stand oder ob er, wie einer der Sponsoren gegenüber der Schiedsstelle ausführte, am Veranstaltungstag ohnehin nicht geöffnet gewesen sei, ist unbeachtlich. Durch die Neufassung der Leitlinie 12a.2 wurde in Satz 2 ausdrücklich klargestellt, dass bei der Beurteilung der hier relevanten Kriterien allein die Sichtweise Dritter maßgeblich und dabei die Tatsache einer Ein- oder Mehrtagesveranstaltung unerheblich ist. Infolgedessen kommt es nicht darauf an, ob die Teilnehmer den Wellness-Bereich tatsächlich hätten nutzen können.

Auch die VIP-Liste, auf die die Beanstandende verweist, zählt zwar eine Reihe von bekannten, z.T. weltbekannten Künstlern und Personen des öffentlichen Lebens auf, die im Hotel einmal übernachtet haben. Die Schiedsstelle hält es jedoch für fernliegend, dass ein Teilnehmer einer medizinischen Fortbildungsveranstaltung seine Entscheidung zur Teilnahme auch danach ausrichten würde, ob im gleichen Haus in der Vergangenheit dieser oder jener Künstler oder Politiker übernachtet hat. Auch die VIP-Liste vermittelt daher keinen erheblichen Anreiz zum Besuch der Veranstaltung.

Die Schiedsstelle sieht infolgedessen keinen Anlass, die Veranstaltungsstätte zu beanstanden. Die Vorgaben der Leitlinie 12.1 sind, bezogen auf die Veranstaltungsstätte, gewahrt.

Zum Veranstaltungsort

Gem. § 20 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Kodex und der Leitlinie 12a. muss

  • (a) die Auswahl des Veranstaltungsorts für Fortbildungsveranstaltungen sowie die Einladung von HCP‘s hierzu allein aus sachlichen Gesichtspunkten erfolgen. Ein solcher Grund ist beispielsweise nicht der Freizeitwert des Veranstaltungsorts; und
  • (b) eine prägende Anreizwirkung des Veranstaltungsorts muss zu verneinen sein.
    Diese Voraussetzungen können beim vorliegenden Sachverhalt nicht bejaht werden.

Zwar hat die Schiedsstelle keinen Anlass für Zweifel, dass Straubing über Veranstaltungsstätten und Übernachtungsmöglichkeiten verfügt, wie sie üblicherweise auch anlässlich von fachlich-wissenschaftlichen Veranstaltungen genutzt werden. Auch die Infrastruktur des Ortes erscheint der Schiedsstelle nicht schwerpunktmäßig touristisch geprägt zu sein, und der Ort verfügt über eine gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Der Stadt kommt im vorliegenden Fall eine besondere Anreizwirkung aber dadurch zu, dass im relevanten Zeitraum das Gäubodenvolksfest stattfand.

Dabei handelt es sich nicht um ein beliebiges Volksfest, wie es über die Sommermonate in vielen Regionen stattfindet. Das Gäubodenvolksfest erstreckt sich vielmehr „über 90.000 Quadratmeter Vergnügungspark mit 3.000 Metern bebauter Front aus Fahrgeschäften, Spiel -und Belustigungsgeschäften, Imbiss- und Verkaufsgeschäften“. Es wird vom Veranstalter nicht von ungefähr als „absoluter Höhepunkt im Veranstaltungskalender der Region“ angepriesen: „130 Attraktionen und spektakuläre Fahrgeschäfte, ein Rahmenprogramm mit rund 70 kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, 100 Musikkapellen“, kurzum „eine beispiellose Erlebniswelt. […]“.

In dieser Zeit ist Straubing durch diese besondere Erlebnismöglichkeit entscheidend geprägt, die ein Besuch des Fests vermitteln kann (Leitlinie 12a.1 (ii)). Sie ergibt sich nicht etwa nur aus der Bekanntheit des Fests, sondern aus dem Zusammenspiel zahlreicher weiterer Faktoren wie der Größe, der Dauer, der Attraktivität für die Bevölkerung (oder Teilen davon) usw.; auch das Verhältnis zwischen der lokalen Bevölkerungszahl und der Zahl der Besucher kann Hinweise darauf geben, ob die Veranstaltung – wie hier – außergewöhnlich ist und einen besonderen Anreiz auch auf auswärtige Gäste ausüben kann.

Diese Attraktion ist vergleichbar mit dem Oktoberfest in München oder dem Karneval in Köln, die in der Leitlinie beispielhaft genannt werden. Nicht umsonst besuchen ca. 1,4 Mio. Menschen – „aus aller Welt“ (!) – das Fest, d.h. rund das 14-fache der Einwohnerzahl des Landkreises Straubing-Bogen.

Wenn die Leitlinie 12.a.1 (ii) den Kölner Karneval oder das Oktoberfest nennt, kann daraus nicht geschlossen werden, dass damit nur Erlebnismöglichkeiten erfasst werden sollen, die thematisch oder hinsichtlich ihrer Besucherzahl oder ihrer Dauer dem Kölner Karneval oder dem Oktoberfest gleichkommen. Diesen Veranstaltungen ist vielmehr gemein, dass sie Besucher aus vielen Regionen anziehen, die nicht im unmittelbaren Umkreis der jeweiligen Stadt liegen. Ähnlich könnte dies bei den Fastnacht-Veranstaltungen in Mainz oder Basel, bei der Cannstatter Wasen, dem Bremer Freimarkt, den Passionsspielen in Oberammergau, der früheren Love Parade in Berlin usw. in Betracht kommen.

Ob die Erlebnismöglichkeit bundesweit bekannt ist, spielt keine entscheidende Rolle. Dies wird z.B. für viele der „Top 8 der größten Volksfeste in Deutschland“ (https://www.urlaubstracker.de/volksfeste-in-deutschland/ ) nicht der Fall sein; trotzdem dürften sie alle unter dem hier behandelten Gesichtspunkt nicht unkritisch sein. Es ist auch nicht erheblich, ob die Mitarbeiter in Compliance-Abteilungen einiger Unternehmen das Fest kannten oder nicht. Entscheidend ist in erster Linie die Attraktivität, die die Veranstaltung aus der Sicht der Öffentlichkeit hat, und auch das ist nicht notwendigerweise nur eine bundesweite Öffentlichkeit.

Soweit vorgetragen wurde, dass die mögliche Anreizwirkung des Festes schon deshalb unbeachtlich sei, weil die Teilnehmer während der Veranstaltung keine Gelegenheit zum 6 Besuch des Fests gehabt haben können, wird die Neuregelung der Leitlinie nicht ausreichend berücksichtigt. Dort wird einerseits auf die Sichtweise Dritter abgestellt, die in aller Regel nicht nach dem Programmablauf der Veranstaltung differenzieren werden.

Andererseits betont die Leitlinie in Abs. 2, dass die Dauer der Veranstaltung unerheblich ist, – gerade weil der außenstehende Dritte aus dem zeitlichen Zusammentreffen von Fest und Veranstaltung erfahrungsgemäß schließt, dass der Anreiz durch die Möglichkeit des Festbesuchs, auch vor oder nach der Fortbildungsveranstaltung, bei einem Teil der Teilnehmer nach der Lebenserfahrung offensichtlich ist; dies ist unabhängig davon, ob der Veranstalter auf das Fest ausdrücklich hinweist, aber es gilt natürlich erst recht, wenn ein solcher Hinweis – wie hier – in der Einladung ausdrücklich enthalten ist.

Die frühere Spruchpraxis, der zufolge die Möglichkeit der Teilnehmer, den Aufenthalt für den Festbesuch zu verlängern, keinen zusätzlichen unsachlichen Anreiz vermittelt (vgl. Az. FS II 2/19/ 2018.12-573/4), ist nunmehr unter den Regelungen der Leitlinien 12f., jeweils Abs. 2 letzter Halbsatz, zu betrachten; sie wird daher fallweise bestenfalls modifiziert beibehalten werden können. Sachliche Gründe für die Auswahl dieses Zeitraums sind nicht erkennbar. Vielmehr ergibt sich aus dem ausdrücklichen Hinweis im Flyer auf das zeitgleich stattfindende Fest und der identischen Zeitwahl für die Veranstaltungen in den Vorjahren der Eindruck, dass der Veranstalter ganz bewusst einen Tag wählte, der wieder im Zeitraum des Fests lag. Dass dies durch die Inhalte der Veranstaltung oder die Art der Teilnehmer sachlich zu begründen wäre, ist weder vorgetragen noch erkennbar.

Tatsachen, die die Anreizwirkung in erheblichem Umfang entfallen ließen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Herkunft der Teilnehmer „aus der Region“. Die Leitlinie stellt klar, dass die Anreizwirkung dann entfallen kann, wenn die Teilnehmer aus der unmittelbaren Umgebung des Veranstaltungsorts kommen. Mit „unmittelbarer Umgebung“ verbindet die Leitlinie eine Fahrtstrecke von 50 km.

Bei den Urologen, die aus Straubing selbst und dem Landkreis kamen, wird der Anreiz, den die Möglichkeit zum Besuch des Fests vermittelt, daher wohl entfallen oder zumindest zu vernachlässigen sein (Leitlinie 12a.1 (iii)). Dies gilt in ähnlicher Weise für Teilnehmer, die aus der näheren Umgebung wie Regensburg, Landshut und Deggendorf anreisten. Für Teilnehmer aus Passau, Nürnberg und München kann der Rahmen, den die Leitlinie 12a.1 (iii) Satz 2 nennt, jedoch nicht mehr bejaht werden, erst recht nicht für Teilnehmer, die aus dem Kreis überregionaler Überweiser (z.T. aus Hessen, RheinlandPfalz und Baden-Württemberg) eingeladen worden waren.

Die in der Leitlinie genannte Entfernung von 50 km ist daher bei vielen, wenn nicht gar der Mehrzahl der Teilnehmer überschritten. Daher kann das Entfallen der Anreizwirkung durch die Herkunft der Teilnehmer „aus der Region“ nicht festgestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn die 50 km-Grenze nicht starr angewandt würde. Daher ist der Rahmen der Leitlinie 12a.1 (iii) Satz 2 nennt, überschritten. Das Sponsoring der in diesen Zeitraum durchgeführten Veranstaltung war daher nicht kodexkonform.

Auch die anderslautenden Informationen, die der Veranstalter zur Herkunft der Teilnehmer gegeben haben mag, können, wenn sie sich unter dem Blickwinkel der Leitlinie als fehlerhaft erweisen, nicht dazu führen, die Anreizwirkung zu verneinen. Allerdings hat die Schiedsstelle diesen Vortrag bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt. 7 Die vorgenannten Bewertungen entsprechen insbesondere auch derjenigen der breiten Öffentlichkeit, zu der der Spruchrichter zählt. Allein deren Sichtweise ist seit dem Inkrafttreten der Leitlinie 12a. zum 1.1.2021 bei der Beurteilung von Veranstaltungsorten maßgebend. Damit sollen Reputationsrisiken weiter minimiert werden. Die frühere Spruchpraxis der Schiedsstelle zu diesem Themenkreis ist daher nur noch mit erheblichen Einschränkungen als Präjudiz für Fälle der vorliegenden Art heranzuziehen.

Nach alledem ist der sog. „safe harbour“, den die Leitlinie formuliert, in diesem Zeitraum also nicht eingehalten.

Die Beanstandung zur Höhe der Geldbuße hat die Schiedsstelle geprüft. Sie hat dazu bereits in der Abmahnung ausgeführt, dass nach der Spruchpraxis zu der bis 2020 geltenden Kodex-/Leitlinien-Regelung, eine Fortbildungsveranstaltung im unmittelbaren Kontext eines weit überregionalen Volksfests, wie hier, schon bisher sehr kritisch zu betrachten war, so dass ein Verbotsirrtum oder vergleichbare, erheblich mildernde Umstände nicht in Betracht kommen. Allerdings hat die Schiedsstelle darüber hinaus anlässlich der Abmahnung keine weiteren Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die vergleichsweise geringe Größe eines Unternehmens eine differenzierende Betrachtung zur Höhe der Geldbuße nahelegt.

Aus § 22 Abs. 2 Satz 2 VerfO ergibt sich, dass die Höhe der Geldbuße in einem Verhältnis zu den vom Mitgliedsunternehmen gezahlten Beiträgen stehen kann, deren Höhe sich bekanntlich am Jahresumsatz des Unternehmens ableitet. Insoweit geht die Verfahrensordnung davon aus, dass die Geldbuße bei einem kleineren Unternehmen geringer als bei einem größeren sein kann. Feste Regeln bietet die Verfahrensordnung dazu nicht, zumal die Wechselbeziehung zwischen Mitgliedsbeitrag und der Höhe der Geldbuße nur bei der Obergrenze der Geldbuße ausdrücklich genannt wird.

Daneben führt die Verfahrensordnung in § 22 Abs. 3 Satz 3 weiter aus, dass „bei der Sanktionszumessung […] die Folgen für das durch die Sanktionen betroffene Mitglied zu berücksichtigen [sind].“ Dass diese Folgen, abhängig von der Unternehmensgröße und den damit zur Verfügung stehenden Budgets, unterschiedlich sein können, ist naheliegend.

Die Schiedsstelle neigt dazu, jedenfalls bei sehr kleinen Mitgliedsunternehmen bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße zu differenzieren; das dürften in erster Linie Unternehmen der untersten Beitragsgruppe mit Jahresumsätzen unterhalb von EUR 10 Mio. sein. Dort könnte eine hohe Geldbuße durchaus gravierende Folgen haben, die allerdings im Einzelfall vom Unternehmen auch substantiiert darzulegen wären.

Im Falle des hier in Frage stehenden Unternehmens sieht die Schiedsstelle nach Durchsicht des letzten im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses keinen Anlass für eine Reduzierung der Sanktion.

Lediglich zur Klarstellung weist die Schiedsstelle abschließend darauf hin, dass Fortbildungsveranstaltungen in Straubing unter der Neuregelung der Leitlinien 12f. in der Regel 8 durchaus gesponsert werden können, und zwar auch dann, wenn die Teilnehmer nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt kommen, sofern nicht gleichzeitig eine Prägung durch besondere Erlebnismöglichkeiten vorliegt wie in der Zeit des Gäubodenvolksfests.

Entscheidung

Hinsichtlich der Beanstandung der Veranstaltungsstätte wurde das Verfahren eingestellt. Die Beanstandende hat dagegen keinen Einspruch erhoben.

Das Sponsoring der Veranstaltung wurde wegen des am Veranstaltungsort gleichzeitig stattfindenden Gäubodenvolksfests als Verstoß gegen § 20 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 20 Abs. 3 Satz 2 FSA-Kodex Fachkreise und i.V.m. Leitlinie 12a beanstandet. Die Mehrzahl der Unternehmen hat bereits nach der Anhörung bzw. nach Abmahnung eine Unterlassungsund Verpflichtungserklärung abgegeben, es künftig zu unterlassen externe Fortbildungsveranstaltungen gegenüber den Veranstaltern finanziell zu unterstützen,

  • von deren Veranstaltungsort zum Zeitpunkt der Veranstaltung eine seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung durch besondere Erlebnismöglichkeiten ausgeht,
  • es sei denn, der angesprochene Teilnehmerkreis der Veranstaltung kommt nur aus der unmittelbaren Umgebung des Veranstaltungsorts, nämlich so wie es bei der hier verfahrensgegenständlichen Veranstaltung der Fall war.

Soweit ein Unternehmen keine Unterlassungserklärung abgegeben hat, wurde es von der Schiedsstelle in gleicher Weise gem. § 22 Abs. 1 VerfO verpflichtet. Die Geldstrafen wurden jeweils auf 12.000 EUR festgesetzt. Gegenüber den beiden Unternehmen, die bereits auf die Anhörung hin Unterlassungserklärungen abgegeben hatten, wurden jeweils die Geldbußen auf 8.000 EUR und die Verfahrensgebühren auf 1.400 EUR zzgl. MWSt. reduziert (§ 29 Satz 2 VerfO).

Als die begünstigten gemeinnützigen Organisationen wurden bestimmt: Be an Angel e.V., Dachzeltnomaden Hilfsorganisation gemeinnützige GmbH, GLS Zukunftsstiftung Entwicklung, Kinderarmut in Deutschland e.V., Little Home e.V., SyrienHilfe e.V., Tafel Deutschland e.V.

Berlin, im Februar 2023