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§ 10 des FSA-Kodex zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen i.V.m § 10 Abs. 1 HWG Laienwerbeverbot bei Fortbildungsveranstaltungen, zu denen Laien Zutritt haben Zur Anwendung der „Ermahnung“ nach § 20 Abs. 4 b VerfO

AZ.: 2015.10-491

Leitsatz

1. Werden Fortbildungsveranstaltungen von Patientenorganisationen (mit)veranstaltet, lässt sich daraus in der Regel ableiten, dass das angesprochene Publikum Laien mit beinhaltet (vgl. Az. 2014.12-455/456).

2. Die „Ermahnung“ nach § 20 Abs. 4 b VerfO stellt eine Ausnahme vom allgemeinen Sanktionsregime der FSA-Verfahrensordnung dar. Von ihr kann nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden, z.B. bei einer einmaligen, leicht fahrlässigen Nichtbeachtung oder Falschinterpretation des Kodex und bei einem Verstoß, der nach Art und Umfang gering ist. Wird das Kodex-verletzende Verhalten nicht unverzüglich und vollständig gestoppt, liegen diese Voraussetzungen in der Regel nicht vor.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens ist die dem FSA vorgelegte Beanstandung, das Mitgliedsunternehmen AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG habe im September 2015 bei einem AIDS/Hepatitis Forum unzulässigerweise für verschreibungspflichtige Produkte geworben, obwohl die Veranstaltung öffentlich und sich u.a. an Betroffene und Angehörige gerichtet habe; dazu wurden der Schiedsstelle Fotos zur Verfügung gestellt.

Die Anhörung ergab folgenden weiteren Sachverhalt:

Das Unternehmen legte dar, dass es auf der Veranstaltung einen Informationsstand unterhalten hatte, auf dem eine Reihe von für Patienten bestimmten Materialien auslagen, daneben auch solche für die medizinischen Fachkreisangehörigen. Das Material bezog sich auch auf rezeptpflichtige Arzneimittel. Außerdem war u.a. ein Roll-up Poster aufgehängt, das ebenfalls ein rezeptpflichtiges Arzneimittel des Unternehmens nannte.

Die mit dem Stand betraute, langjährig tätige Mitarbeiterin im Außendienst sei sich über den Verstoß erst nach der ersten Pause bewusst geworden und habe daraufhin die ausgelegten Materialen für Fachkreisangehörige unverzüglich entfernt, dabei das Roll-up Poster allerdings vergessen und am Stand hängen gelassen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auslage, Angebot und Abgabe von Artikeln, die rezeptpflichtige Arzneimittel nennen, sind gem. § 10 FSA-Kodex Patientenorganisationen i.V.m § 10 Abs. 1 HWG gegenüber Personen, die nicht zu den medizinischen Fachkreisen gehören, unzulässig. Diese Beschränkung wurde vom Unternehmen nicht beachtet, so dass die Beanstandung begründet war.

Die Schiedsstelle hat bei diesem Vorgang geprüft, ob anstelle des Regelverfahrens eine Ermahnung nach der Neuregelung des § 20 Abs. 4 b VerfO in Betracht kommen könnte.

Die „Ermahnung“ stellt eine Ausnahme vom allgemeinen Sanktionsregime der FSA-Verfahrensordnung dar. Daher ist von ihr nur in Ausnahmenfällen Gebrauch zu machen, z.B. bei einer einmaligen leicht fahrlässigen Nichtbeachtung oder Falschinterpretation des Kodex und bei einem Verstoß, der nach Art und Umfang gering ist.

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Schiedsstelle im vorliegenden Fall nicht gegeben. Dem Unternehmen musste spätestens im Rahmen der Vorgespräche mit den Veranstaltern klar geworden sein, dass hier nicht nur Fachkreisangehörige angesprochen werden sollten, sondern in gleicher Weise Laien. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Kreis der vier Veranstalter (vgl. auch Verfahren zu Az. 2014.12-455/456).

Das Unternehmen hatte diesen Umstand vor Beginn der Veranstaltung offensichtlich auch erkannt, denn es hatte anfangs nicht nur Material für Fachkreisangehörige, sondern auch Unterlagen für Laien auf dem Stand bereit gelegt. Dass bei einem in dieser Hinsicht gemischten Publikum das Laienwerbeverbot besondere Beachtung zu erfahren hat, musste gerade einer langjährig tätigen Mitarbeiterin geläufig sein.

Die Schiedsstelle erkannte an, dass das Unternehmen dann, nach der ersten Pause, das für die Fachkreise bestimmte Material entfernte. Dieses Verhalten war zu diesem Zeitpunkt allerdings überfällig, denn spätestens beim ersten Laienbesucher musste die Problematik der Auslage überdeutlich geworden sein; gleichwohl wurde die Auslage jedoch erst nach der Pause gestoppt. Darüber hinaus blieb die Korrektur unvollständig, da das Poster hängen blieb. Größe und Positionierung des Posters legen es nicht nahe, dass insoweit von einem bloßen „Übersehen“ ausgegangen werden könnte.

Bei diesem Sachverhalt lag nach Auffassung der Schiedsstelle kein Ausnahmetatbestand vor, der eine Ermahnung nach § 20 Abs. 4 b VerfO in Betracht kommen ließ. Infolgedessen war das allgemeine Sanktionsregime der FSA-Verfahrensordnung anzuwenden.

Ergebnis

Auf die Abmahnung der Schiedsstelle gab die AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG eine Unterlassungserklärung ab und zahlte eine Geldbuße in Höhe von EUR 8.000 an die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. Bei der Höhe der Geldbuße hat die Schiedsstelle berücksichtigt, dass es sich um eine lokal begrenzte Veranstaltung handelte und die Mehrzahl der relevanten Abgabeartikel schließlich entfernt wurde.

Berlin, im März/November 2016