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§ 19 des Kodex

AZ.: 2005.9-92

Leitsatz

  1. Eine Wettbewerbshandlung ist unlauter, wenn ein Nichtmitglied mit der Honorierung der Teilnahme an einer Anwendungsbeobachtung dem teilnehmenden Arzt Sachleistungen oder völlig im Ermessen des Arztes stehende sonstige Leistungen zusagt.

  2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine bestimmte Wettbewerbshandlung unlauter i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG ist, kommt dem Kodex insoweit Bedeutung zu, als er ein Indiz dafür darstellt, welches Wettbewerbsverhalten nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise als unlauter anzusehen ist.

Sachverhalt

Ein Nichtmitglied hatte eine Anwendungsbeobachtung zu einem Medikament durchgeführt. Zu diesem Zweck schloss das Pharmaunternehmen mit den an der Anwendungsbeobachtung teilnehmenden Ärzten eine Vereinbarung, die beinhaltete, dass der Arzt für jeden vollständig ausgefüllten Dokumentationsbogen eine Aufwandsentschädigung erhielt. Diese Aufwandsentschädigung konnte nach Wahl des Arztes unterschiedlich ausgestaltet sein. Grundsätzlich erhielt der Arzt für jeden Dokumentationsbogen eine Aufwandsentschädigung i.H.v. 40,00 EUR. Alternativ konnte der Arzt seine Aufwandsentschädigung selbst wählen. Für 7 ausgefüllte Patienten-Dokumentationsbögen konnte er einen Flachbildschirm 17 Zoll, einen DVD-Recorder oder einen Pocket-PC, für 14 Patienten-Dokumentationsbögen einen Laptop oder einen Pocket-PC mit Navigationssystem und für 20 Patienten-Dokumentationsbögen einen Beamer erhalten.

Das Landgericht Aachen hat einen Wettbewerbsverstoß durch das Nichtmitglied festgestellt. Die vom Nichtmitglied vor dem OLG Köln eingelegte Berufung wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Hinweis auf die mangelnden Erfolgsaussichten zurückgenommen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Aachen hat folgende Feststellungen getroffen:

Mit der im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung getroffenen Vereinbarung einer Aufwandsentschädigung, die entweder frei wählbar war oder in Form von bestimmten Elektronikgeräten für jeweils 7, 14 oder 20 Patienten erfolgte, hat das Nichtmitglied eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

Mit der Honorierung der Teilnahme an der Anwendungsbeobachtung durch Sachleistungen oder völlig im Ermessen des Arztes stehende sonstige Leistungen verstößt das Nichtmitglied gegen § 18 Abs. 3 und § 19 Abs. 3 und 5 des Kodex des FS Arzneimittelindustrie e.V. sowie gegen die Ziff. 5.3, 5.5 und 4.3 der Verhaltensempfehlungen für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten. Diese Regelungen schreiben ausdrücklich vor, dass die Vergütung nur in Geld bestehen darf und die Geldleistung angemessen, möglichst orientiert an der Gebührenordnung für Ärzte sein soll. Allerdings folgt aus diesem Verstoß nicht zugleich die Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung. Es handelt sich bei den genannten Regelwerken nicht um gesetzliche Vorschriften i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Ungeachtet dessen kommt den Verhaltensempfehlungen ebenso wie dem Kodex insoweit Bedeutung zu, als sie ein Indiz dafür darstellen, welches Wettbewerbsverhalten nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise als unlauter anzusehen ist.

Vorliegend erfolgte die Honorierung für die Teilnahme an der Anwendungsbeobachtung nicht bloß durch eine Sachleistung, die jeweils den Aufwand für das Ausfüllen eines Dokumentationsbogens entschädigte. Vielmehr wurde ein Anreiz gesetzt, gewisse Zielvorgaben zu erreichen, nämlich 7, 14 oder 20 Patientendokumentationen auszufüllen. Es ist naheliegend, dass ein nicht unwesentlicher Teil der angesprochenen Ärzte , der beispielsweise die Honorierung durch einen Laptop anstrebt, durch dieses Ziel in der Weise motiviert wird, dass er, wenn er bislang lediglich 11 Dokumentationsbögen ausgefüllt hat, drei sich bietende Gelegenheiten, das von dem Nichtmitglied produzierte Arzneimittel verschreiben zu können, nutzt oder sogar sucht, um dadurch einen weiteren Anwendungsfall dokumentieren zu können. Die Zielvorgaben, die jeweils in Verbindung mit einer bestimmten Sachleistung stehen, bergen die Gefahr in sich, dass der Arzt nicht die Anwendung so häufig dokumentiert, wie er sie ohnehin verschreibt, sondern dass er bei knapper Unterschreitung einer solchen Zielvorgabe motiviert wird, noch ein oder zwei weitere Patienten das Arzneimittel zu verschreiben. Dies wirkt sich sowohl zum Nachteil der Patienten, also der Verbraucher, als auch zum Nachteil der Mitbewerber aus. Ohne diese sachfremde Motivation hätte sich nach den Feststellungen des Urteils des LG Aachen der Arzt möglicherweise für ein anderes Medikament entschieden. Jedenfalls liegt für den 7., 14. oder 20. Patienten der Verdacht nahe, dass der Arzt sich nicht allein von medizinischen Erwägungen und der Qualität der auf dem Markt zur Behandlung zur Verfügung stehenden Arzneimitteln hat leiten lassen.

Nicht zu entscheiden hatte das Gericht die Frage, ob der Verstoß gegen das pauschale Verbot, Aufwandsentschädigungen für Anwendungsbeobachtungen in Form von Sachleistungen zu erfüllen, zur Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung führt. Nach Auffassung des Gerichts spricht für die Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung bei Sachleistungen allerdings die fehlende Kontrollmöglichkeit des Wertes der Sachzuwendung.

Ergebnis

Das Nichtmitglied wurde verurteilt, es zu unterlassen, Anwendungsbeobachtungen in der berichteten Form durchzuführen und für den Fall der Zuwiderhandlung mit einem Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000 oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten belegt. Das Verfahren ist mit Rücknahme der Berufung durch das Nichtmitglied rechtskräftig abgeschlossen.


Berlin, im Februar 2007