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§ 20 Abs. 3 Satz 2 des Kodex – Auswahl des Tagungsortes Sylt

AZ.: 2007.11-211 (1. Instanz)

Leitsatz

  1. Die Durchführung einer Fortbildungsveranstaltung auf der Insel Sylt verstößt gegen § 20 Abs. 3 S. 2 des Kodex, da Sylt eine Ferieninsel mit einem besonderen touristischen Charakter ist und auf Grund ihrer besonderen geographischen Situation (Anreise nur mit Schiff, Bahn oder Flugzeug) nicht in „vernünftiger Weise“ erreichbar ist.

  2. Der Freizeitwert der Insel Sylt ist so groß, dass die Teilnehmer geneigt sein können, deren Freizeitmöglichkeit wahrzunehmen und dafür die Teilnahme an der Tagung zu vernachlässigen.

  3. Ein sachlicher Grund für die Auswahl eines Tagungsortes liegt auch dann nicht vor, wenn unter Kostenaspekten die Veranstaltung auf einer Ferieninsel für das Mitgliedsunternehmen finanziell günstiger ist als die Durchführung einer derartigen Veranstaltung in einer Stadt ohne besonderen touristischen Charakter, da bei einer Veranstaltung auf einer Ferieninsel regelmäßig der Eindruck entsteht, der Freizeit- und Erholungscharakter der Veranstaltung stehe im Vordergrund.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen hatte zu einer 1 ½-tägigen Fortbildungsveranstaltung „5. Sylter Gespräche“ in ein Hotel im Ort Wennigstedt auf der Insel Sylt 16 Ärzte aus der gesamten Bundesrepublik eingeladen; der überwiegende Teil der Teilnehmer erreichte die Insel per Flugzeug als Gruppenflug aus Düsseldorf. Die Fortbildungsveranstaltung fand am Samstag ganztägig und am Sonntag bis mittags statt. Die Beanstandung bezog sich ausschließlich auf die Auswahl des Tagungsortes Sylt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Auswahl des Tagungsortes für interne Fortbildungsveranstaltungen hat allein nach sachlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Ein solcher Grund ist beispielsweise nicht der Freizeitwert des Tagungsortes. Durch die Wahl des Tagungsortes darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Freizeit- und Erholungscharakter der Veranstaltung im Vordergrund steht.

Die Auswahl des Tagungsortes darf daher nicht unter touristischen, sondern ausschließlich unter sachlichen Gesichtspunkten (etwa gute Erreichbarkeit der Teilnehmer und Referenten, geeignete Tagungsräume, ausreichende Kapazitäten etc.) erfolgen. Bei der Abwägung der Umstände des Einzelfalles ist zu berücksichtigen, wie sich der Teilnehmerkreis regional zusammensetzt und ob der Tagungsort von den Teilnehmern in vernünftiger Weise zu erreichen ist. Von Bedeutung ist nach der grundlegenden Entscheidung des Spruchkörpers 2. Instanz auch, ob der Freizeitwert des Ortes so groß ist, dass die Teilnehmer geneigt sind, dessen Freizeitmöglichkeiten wahrzunehmen und dafür die Teilnahme an der Tagung zu vernachlässigen (FS II 5/05/2005.5-65).

Eine regionale Veranstaltung liegt dann nicht vor, wenn die Teilnehmer aus mehreren Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hessen, Bayern) anreisen.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Tagungsort Sylt für eine 1 ½-tägige Veranstaltungsdauer in angemessener Weise nur mit dem Flugzeug erreicht werden kann. Der Zeitaufwand für eine Anreise mit Bahn, PKW steht außer Verhältnis zur Dauer der 1 ½-tägigen Fortbildungsveranstaltung. Der Tagungsort Wenningstedt konnte daher in der vom Spruchkörper 2. Instanz geforderten „vernünftigen Weise“ nicht erreicht werden.

Sylt ist eine Ferieninsel mit einem besonders touristischen Charakter, die allein aufgrund ihrer Lage im äußersten Norden Deutschlands und ihrer besonderen geographischen Situation (Anreise nur mit Schiff, Bahn oder Flugzeug) für die eingeladenen Teilnehmer keineswegs gut erreichbar war und deren Freizeitwert so groß ist, dass die Teilnehmer geneigt sein können, die Freizeitmöglichkeiten wahrzunehmen und dafür die Teilnahme an der Tagung zu vernachlässigen.

Das Mitgliedsunternehmen konnte auch nicht mit dem Einwand gehört werden, der Tagungsort Wenningstedt auf Sylt sei zufällig gewählt worden, weil sich dort das von der Agentur vorgeschlagene Tagungshotel befände, das den vorgegebenen Tagungserfordernissen und Kostenaspekten entsprochen habe.

Für 16 eingeladene Teilnehmer, Referenten und Mitarbeiter ist nahezu jedes Hotel in Deutschland geeignet, eine Fortbildungsveranstaltung, die allen Ansprüchen genügt, durchzuführen. Kostenaspekte stellen keinen sachlichen Grund i. S. d. § 20 Abs. 3 S. 2 des Kodex dar. Ein sachlicher Grund für die Auswahl des Tagungsortes ist auch dann nicht gegeben, wenn unter Kostenaspekten die Veranstaltung auf einer Ferieninsel für das Mitgliedsunternehmen finanziell günstiger ist als die Durchführung einer derartigen Veranstaltung in einer Stadt ohne einen besonderen touristischen Charakter, da hierdurch regelmäßig der Eindruck entsteht, der Freizeit- und Erholungscharakter der Veranstaltung stehe im Vordergrund, was unbedingt vermieden werden sollte.

Das Mitgliedsunternehmen konnte ferner nicht mit dem Einwand gehört werden, es habe sich um eine traditionelle Veranstaltung, die zum 5. Mal in Folge auf der Insel Sylt stattfindet, gehandelt. Bei einer Veranstaltung, die zum Zeitpunkt der Einladung erst vier Mal auf einer Insel an offensichtlich verschiedenen Veranstaltungsorten stattgefunden hat, kann nicht von einer Tradition gesprochen werden.

Ergebnis

Das Unternehmen hat eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben, die im Wiederholungsfall mit einer Strafbewehrung in Höhe von EUR 20.000 belegt ist.

Das Verfahren ist damit abgeschlossen.


Berlin, im Januar 2008