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§§ 3, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 21 Abs. 2 Kodex OLG München, Urteil vom 07.08.2008 – 29 U 2026/08 (Klagebefugnis gegen Nichtmitglieder; unentgeltliches Seminar über ärztliches Gebührenrecht als „Geschenk“)

AZ.: 2007.5-179

Leitsatz

  1. Der FS Arzneimittelindustrie ist befugt, ein Nichtmitglied (Generika-Anbieter) gemäß § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen, da er aufgrund der Marktbedeutung seiner Mitglieder und seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfüllt.

  2. Ein mehrstündiges Seminar über ärztliches Gebührenrecht, das von einem Unternehmen Fachkreisen unentgeltlich angeboten wird, ist ein geldwerter Vorteil und damit ein „Geschenk“ im Sinne des § 21 Abs. 2 FSA-Kodex, das außerhalb personenbezogener Anlässe auf Seiten des Beschenkten nicht gewährt werden darf.

  3. Das Anbieten einer unentgeltlichen Fortbildungsveranstaltung zum ärztlichen Gebührenrecht ist auch unlauter im Sinne des § 3 UWG, da dem festgestellten Verstoß gegen den FSA-Kodex (§ 21 Abs. 2) indizielle Bedeutung für die Frage zukommt, was in der gesamten pharmazeutischen Industrie als lauter oder unlauter angesehen wird.
    Sachverhalt

Sachverhalt

Der Kläger ist ein von den Mitgliedern des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller gegründeter eingetragener Verein. Zu seinen Aufgaben zählt insbesondere die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder sowie die Überwachung und Durchsetzung lauteren Geschäftsgebarens in Bezug auf die Kooperation der pharmazeutischen Industrie mit Angehörigen der Fachkreise.

Die Beklagte produziert und vertreibt generische Arzneimittel. Sie ist nicht Mitglied beim Kläger.

Unter dem Titel „Arzt-Seminare 2007“ hat die Beklagte in der Zeit vom 01.01.2007 bis 24.11.2007 jeweils „GOÄ-Seminare“ und „EBM-Seminare“ zu gebührenrechtIichen Fragen angeboten. Die Teilnahme an diesen jeweils etwa dreistündigen Veranstaltungen war kostenlos.

Dieses Vorgehen der Beklagten hält der Kläger für wettbewerbswidrig. Es stehe insbesondere in Widerspruch zum vom Kläger am 16.02.2004, geändert am 02.12.2005, beschlossenen „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex (nachfolgend: FSA-Kodex), dessen § 21 Abs. 2 unter der Überschrift „Geschenke“ vorsieht:

„Darüber hinaus dürfen im Rahmen einer nicht produktbezogenen Werbung Geschenke nur zu besonderen Anlässen (z.B. Praxis-Eröffnung, Jubiläen) gewährt werden, wenn sie sich in einem sozialadäquaten Rahmen halten und zur Verwendung in der beruflichen Praxis bestimmt sind.“

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, es [bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel] zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Ärzten und Ärztinnen die unentgeltliche Teilnahme an Seminaren zur GOÄ/IGeL sowie des EBM zu ermöglichen, wie anlässlich der als Anlage beigefügten Information zu den ,,Arzt-Seminaren 2007 geschehen.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.


Am 10.01.2008 verkündete das Landgericht folgendes Urteil:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Zur Begründung führte das Landgericht im Wesentlichen aus: Der Kläger sei aktivlegitimiert. Den vorgelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Kläger in der Lage sei, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Der Kläger verfüge auch über eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Die Klage habe allerdings in der Sache keinen Erfolg. Es könne im Streitfall dahinstehen, ob ein Verstoß gegen den FSA-Kodex indizielle Wirkung für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des angegriffenen Verhaltens der Beklagten entfalte. Die Beklagte habe nämlich nicht gegen § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex verstoßen. Die mit der Gesundheitsreform zusammenhängenden Fragen der Gebührenordnung für Ärzte seien als „besonderer Anlass“ im Sinne von § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex anzusehen mit der Folge, dass – nachdem sich die streitgegenständliche unentgeltliche Fortbildungsveranstaltung auch in einem sozialadäquaten Rahmen bewege – sich aus den vom Kläger entworfenen Verhaltensrichtlinien das beantragte Verbot nicht herleiten lasse. Letztlich folge dies auch der gegenüber § 21 vorrangigen Bestimmung des § 20 Abs. 1 des FSA-Kodex, der ausdrücklich freistelle, Angehörige der Fachkreise zu eigenen berufsbezogenen Fortbildungsveranstaltungen einzuladen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Seiner Auffassung nach liege dem angegriffenen Urteil eine fehlerhafte Anwendung von § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex auf den Streitfall zugrunde. Unter „besonderen Anlässen“ im Sinne dieser Bestimmung seien nämlich lediglich solche mit „personenbezogenem“ (wie Praxiseröffnungen und -Veränderungen, Jubiläen, runde Geburtstage, Ernennung zum Ober- oder Chefarzt, Emeritierung von Professoren) und nicht lediglich „anlassbezogenem“ Inhalt zu verstehen. Demgemäß seien „Geschenke“ im Rahmen einer – hier vorliegenden – bloßen Imagewerbung für ein Pharmaunternehmen nach dem FSA-Kodex des Klägers nicht zulässig. Als sozial adäquat sehe die Bundesärztekammer überdies die Gewährung von Vorteilen mit einer Höchstgrenze von 50,- € an. Diese Grenze werde im Streitfall überschritten; auch insoweit habe die Beklagte gegen den FSA-Kodex verstoßen.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts werde § 21 des FSA-Kodex nicht von dessen § 20 verdrängt. Zudem erfasse § 20 Abs. 1 des FSA-Kodex nicht „arzneimittelfremde“ Fortbildungsveranstaltungen, die keinen Bezug zum Pharmaunternehmen oder dessen Produkten aufwiesen.

Die streitgegenständliche Bewerbung kostenloser Seminare zur Abrechnungspraxis nach neuem Gebührenrecht durch die Beklagte sei unlauter im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Dies folge schon aus dem angegriffenen Verstoß gegen den FSA-Kodex. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass der FSA-Kodex die allgemein gültigen Standards zu lauterem Verhalten in der Pharmabranche zum Ausdruck bringe. Zudem führe auch die Prüfung im Einzelfall zum Ergebnis, dass der Beklagten das streitgegenständliche Verhalten zu untersagen sei. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass Ärzte sich aufgrund der unentgeltlichen Teilnahme an den Seminaren der Beklagten dazu veranlasst sehen könnten, als „Gegenleistung“ die Medikamente der Beklagten zu verschreiben. Dies wirke sich sowohl zum Nachteil der Patienten als auch zum Nachteil der Mitbewerber der Beklagten aus, da der Arzt sich ohne diese sachfremde Motivation möglicherweise für ein anderes Medikament entschieden hätte.

Die Wettbewerbswidrigkeit des streitgegenständlichen Verhaltens der Beklagten folge auch aus § 4 Nr. 1 UWG. Es stelle sich als unangemessene unsachliche Einflussnahme im Sinne dieser Vorschrift dar, durch unentgeltliche Zuwendungen die Verordnungspraxis eines Arztes zu beeinflussen. Ferner sei das verfahrensgegenständliche Verbot auch unmittelbar aus § 3 UWG abzuleiten.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte wie in erster Instanz beantragt zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend hierzu aus: Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass im Streitfall mit Blick auf die mit der Gesundheitsreform verbundene notwendige Umstellung der ärztlichen Abrechnungspraxis ein „besonderer Anlass“ für die unentgeltliche Durchführung der streitgegenständlichen Informationsveranstaltung im Sinne von § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex vorgelegen habe. Es fehle auch an einem substantiierten Vortrag des Klägers zur mangelnden Sozialadäquanz der von der Beklagten mit der streitgegenständlichen Vortragsveranstaltung verbundenen unentgeltlichen Leistung. Schließlich liege überhaupt kein „Geschenk“ im Sinne von § 21 Abs. 2 des Kodex des Klägers vor, da vergleichbare Seminare Ärzten von ihren Kassenärztlichen Vereinigungen ebenfalls kostenfrei angeboten würden. Außerdem seien die streitgegenständlichen Seminare als berufsbezogene Fortbildungsveranstaltung jedenfalls nach Maßgabe der gegenüber § 21 spezielleren Regelung in § 20 Abs. 1 des FSA-Kodex zulässig.

Unbeschadet dessen sei auch der Auffassung des Klägers, einem Verstoß gegen den FSA-Kodex sei eine indizielle Wirkung im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 11 UWG beizumessen, nicht zu folgen. Dem stehe bereits der Umstand entgegen, dass der FSA-Kodex nicht die Auffassung der gesamten Pharmabranche zu Verhaltensmaßregeln wiedergebe, sondern nur diejenige der forschenden Arzneimittelunternehmen, aus deren Mitgliedern sich der Kläger nahezu ausschließlich zusammensetze. Auch sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte nicht dem FSA-Kodex unterworfen habe, nachdem sie nicht Mitglied beim Kläger sei. Schließlich greife ein sich auf § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex stützendes Verbot der Imagewerbung in unzulässiger Weise in die Berufsausübungsfreiheit der Beklagten ein.

Soweit sich der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals auf § 4 Abs. 1 UWG berufen habe, sei sein diesbezügliches Vorbringen als verspätet zurückzuweisen. Überdies fehle es im Streitfall am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 1 UWG. Gleiches gelte, soweit der Kläger das beantragte Verbot aufgrund seines Vorbringens in zweiter Instanz unmittelbar aus § 3 UWG herleite.

Letztlich wäre die Klage bereits als unzulässig abzuweisen gewesen, da der Kläger nicht klagebefugt sei. Der Kläger verfüge nicht über eine erhebliche Mitgliederzahl im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, nachdem ihm derzeit nunmehr etwa 7% der auf dem deutschen Arzneimittelmarkt tätigen 1.100 Pharmaunternehmen angehörten. Zudem sei die Mitgliederstruktur des Klägers einseitig und nicht repräsentativ, da ihm nahezu ausschließlich sogenannte „forschende“ Arzneimittelhersteller angehörten, wohingegen Unternehmen, die – wie die Beklagte – generische Produkte vertreiben, nicht zu den Mitgliedern des Klägers zählten. Auch lägen die weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG mangels ausreichender sachlicher und personeller Ausstattung des Klägers und aufgrund des Umstands, dass der Kläger nach seiner Satzung nur befugt sei, gegen Nichtmitglieder im Falle des Vorliegens von Gesetzesverstößen – und nicht nur bei Zuwiderhandlung gegen den FSA-Kodex – vorzugehen nicht vor.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet: Dies führt zur Aufhebung des Ersturteils und zur Verurteilung der Beklagten im vom Kläger beantragten Umfang.

2. Dem landgerichtlichen Urteil ist entgegen der Auffassung der Beklagten darin zu folgen, dass der Kläger berechtigt ist, die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche der Beklagten gegenüber geltend zu machen. Die Klagebefugnis (und Aktivlegitimation) des Klägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände sind unbegründet.

a) Der Kläger verfügt über eine erhebliche Zahl von Mitgliedern, die Waren gleicher oder verwandter Art auf dem Markt anbieten. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf das als Anlage zur Klageerwiderung in erster Instanz vorgelegte Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11.12.2002 – 6 U 42/02 die gegenteilige Auffassung vertritt, weil dem Kläger aktuell nurmehr 79 Mitglieder der etwa 1.100 auf dem deutschen Markt tätigen Pharmaunternehmen angehörten, ist dem nicht zu folgen. Das vorgenannte Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, in dem im dort zu entscheidenden Fall eine Mitgliederzahl von 10% des klagenden Verbands als für dessen Aktivlegitimation nicht ausreichend angesehen wurde, bezog sich auf den – mit dem Streitfall nicht vergleichbaren – Markt der Gebrauchtwagenhändler und kann daher, nachdem für die Beurteilung des Vorliegens einer erheblichen Mitgliederzahl im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG eine Einzelfallbetrachtung anzustellen ist, ohne dass eine Mindestanzahl erforderlich wäre (vgl. BGH GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag lII; auch in prozentualer Hinsicht, vgl.Gröning WRP 1994, 775, 777 ff.; DerlederlZänker GRUR 2002, 490), zur Beurteilung des hier zu entscheidenden Falles nicht herangezogen werden. Entscheidend ist, ob beim Kläger Unternehmen aus dem Kreis der Mitbewerber auf dem relevanten Markt nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH WRP 1996, 1102, 1103 – Großimporteur; BGH GRUR 1996, 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III;BGH GRUR 1997, 145, 146 – Preisrätselgewinnauslobung IV; BGH GRUR 1998, 489, 490 -Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH GRUR 2004, 251, 252 – Hamburger Auktionatoren; BGH WRP 2007, 1088 Tz. 15 – Krankenhauswerbung). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger durch den Hinweis auf die erhebliche Marktbedeutung seiner Mitgliedsunternehmen (vgl. die Umsatzzahlen ….) dargetan; dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Ohne Erfolg beanstandet die Beklagte ferner, dass die dem Kläger angehörenden Mitgliedsunternehmen für die Pharmabranche nicht repräsentativ seien, weil es sich hierbei nahezu ausschließlich um forschende Unternehmen handle, wohingegen Pharmakonzerne, die wie die Beklagte lediglich Generika vertrieben, im Verband des Klägers nicht vertreten seien, somit der Kläger deren Interessen nicht wahrnehme. Zum einen bieten die Mitgliedsunternehmen des Klägers ebenso wie die Beklagte ihre Pharmaprodukte auf dem Markt an und haben demzufolge ein eigenes Interesse an der erfolgreichen Platzierung von Arzneimitteln auf dem Markt. Daher sind die Mitglieder des Klägers grundsätzlich ebenso als repräsentativ für die Pharmabranche anzusehen wie Unternehmen, die sich nicht (neben ihrer Vertriebstätigkeit auch) auf dem Gebiet der Forschung betätigen. Zum anderen verfolgt das Erfordernis der „Erheblichkeit“ der Mitgliederzahl im Rahmen von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG den bereits eingangs erwähnten Zweck, ein missbräuchliches Vorgehen gegen Marktteilnehmer, das vornehmlich das Gebühreninteresse an der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zum Ziel hat, zu unterbinden. Anhaltspunkte für ein solches missbräuchliches Vorgehen auf Klägerseite hat die Beklagte nicht dargetan; solche sind im Streitfall auch nicht ersichtlich.

b) Der Klagebefugnis des Klägers kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dieser sei aufgrund seiner mangelnden Ausstattung in personeller, sachlicher bzw. finanzieller Hinsicht nicht im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der Lage, seine satzungsgemäßen Aufgaben zu erfüllen. Der Kläger hat hierzu in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, ein von seinen Mitgliedern aufgebrachtes Beitragsaufkornrnen im Jahr 2005 in Höhe von 632.000,- € erzielt zu haben. Ferner verfüge der Kläger über eigenes Personal in seinen Büroräumen in Berlin, Friedrichstraße 50. Diesem Vortrag des Klägers im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2007 in erster Instanz ist die Beklagte in der Folgezeit nicht mehr substantiiert entgegengetreten.

c) Schließlich steht auch § 2 Abs. 3 Satz 3 der Satzung des Klägers seiner Klagebefugnis nicht entgegen. Hiernach zählt zum Aufgabenbereich des Klägers (auch), bei Gesetzesverstößen gegen Nichtmitglieder vorzugehen. Dem Einwand der Beklagten, der Kläger mache keinen Gesetzesverstoß geltend, sondern stütze sich letztlich nur auf den Kodexverstoß, ist nicht zu folgen. Der Kläger leitet den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch nämlich ausdrücklich aus den gesetzlichen Vorschriften des § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 1 und 4 Nr. 11 UWG her.

3. Die Beklagte hat gegen § 21 des FSA-Kodex des Klägers verstoßen. Einer der Ausnahmefälle des § 21 Abs. 2, in denen unentgeltliche Zuwendungen der Pharmaindustrie im Rahmen ihrer Imagewerbung gegenüber den Fachkreisen nach dem FSA-Kodex als zulässig anzusehen sind, liegt entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht vor.

a) Der Charakter eines „Geschenks“ im Sinne von § 21 des FSA-Kodex kann nicht mit dem von der Beklagten vorgebrachten Argument in Abrede gestellt werden, die Kassenärztlichen Vereinigungen böten Seminare zum nach der Gesundheitsreform geltenden neuen Gebührenrecht gleichfalls kostenlos an. Die Durchführung eines mehrstündigen Seminars enthält eine Dienstleistung des Veranstalters, die für ihn mit Eigenkosten verbunden ist und die üblicherweise nur gegen ein der Höhe nach festzusetzendes Entgelt erbracht wird. Mit der unentgeltlichen Zurverfügungstellung dieser Dienstleistung ist demgemäß ein geldwerter Vorteil, somit ein Geschenk im Sinne von § 21 des FSA-Kodex verbunden. Letztlich sind auch die Seminare der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht kostenlos, weil sie über die von den Fachkreisen zu entrichtenden Kassenbeiträge finanziert werden.

b) Nach § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex dürfen Geschenke im Rahmen einer nicht produktbezogenen (Image-) Werbung nur zu besonderen Anlässen gewährt werden. Als solche sind in § 21 Abs. 2 beispielhaft die Praxis-Eröffnung und Jubiläen genannt. Einen solchen „besonderen Anlass“ stellen die mit der Gesundheitsreform verbundenen Fragen der Gebührenordnung für Ärzte allerdings nicht dar. Dem Kläger ist darin zu folgen, dass die Fälle, in denen § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex unentgeltliche Zuwendungen an die Fachkreise im Rahmen ihrer nicht produktbezogenen Werbung als zulässig erachtet, sich ausschließlich auf individuelle, in der Person des Beschenkten begründete besondere Umstände oder Ereignisse beziehen und allgemeine, die Ärzteschaft als solche betreffende Anlässe wie etwa Seminare zur Praxisorganisation aufgrund einer Gesetzesänderung hiervon nicht umfasst sind. Wenn Pharmaunternehmen – neben den Kassenärztlichen Vereinigungen -die Aufgabe übernehmen, in diesem Bereich (ohne konkreten Produktbezug) Fortbildungsveranstaltungen für die Fachkreise durchzuführen, so darf dies nach dem FSA-Kodex grundsätzlich nicht unentgeltlich erfolgen.

Ob sich die den Fachkreisen mit den unentgeltlichen Seminaren zugeflossenen geldwerten Vorteile in einem „sozialadäquaten Rahmen“ im Sinne von § 21 Abs. 2 Hs. 2 des FSA-Kodex hielten, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Belang, nachdem bereits kein Geschenk „zu besonderen Anlässen“ (§ 21 Abs. 2 Hs. 1 FSA-Kodex) gewährt wurde. Abgesehen davon hat der Teilnehmer einer mehrstündigen Fortbildungsveranstaltung im streitgegenständlichen Themenbereich üblicherweise ein über einer unter Umständen als sozialadäquat anzusehenden Bagatellgrenze liegendes Entgelt zu entrichten.

c) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, aus § 20 Abs. 1 des FSA-Kodex folge die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Bewerbung der Fortbildungsseminare. Nach § 20 Abs. 1 des FSA-Kodex dürfen die Mitgliedsunternehmen Angehörige der Fachkreise zu eigenen berufsbezogenen Fortbildungsveranstaltungen einladen, die sich insbesondere mit ihren Forschungsgebieten, Arzneien und deren Indikationen befassen. Unabhängig von der Frage, ob sich die Beklagte, die nicht Mitglied beim Kläger ist, auf diesen Passus berufen kann, liegen dessen Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Die Anwendbarkeit von § 20 Abs. 1 des FSA-Kodex setzt einen pharmakologischen Bezug der Fortbildungsveranstaltung voraus. Dem wird ein Seminar, das sich mit der Organisation der ärztlichen Praxis im Rahmen des Gebührenwesens befasst und keinen unmittelbaren Bezug zu Pharmaprodukten des Seminarveranstalters aufweist, nicht gerecht.

Bei dieser Sachlage kann die zwischen den Parteien diskutierte Frage, in welchem Verhältnis die §§ 20 und 21 des FSA-Kodex zueinander stehen, offen bleiben.

4. Die streitgegenständliche Bewerbung unentgeltlicher Fortbildungsveranstaltungen zum neuen Gebührenrecht ist auch unlauter im Sinne von § 3 UWG.

Im Rahmen der Würdigung des angegriffenen Verhaltens der Beklagten ist dem festgestellten Kodexverstoß eine indizielle Bedeutung für die Frage beizumessen, was in der betreffenden Branche bzw. von den einschlägigen Verkehrskreisen als lauter oder unlauter angesehen wird (BGH GRUR 1977, 619, 621 – Eintrittsgeld; BGH GRUR 1991, 462, 463 – Wettbewerbsrichtlinie der Privatwirtschaft; BGH GRUR 2002, 548, 550 – Mietwagenkostenersatz; BGH GRUR 2006, 773 Tz. 19, 20 -Probeabonnement; Schaffert in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht 2006, § 4 Nr. 11 UWG Rn. 49 mwN.; Hefermehl/KöhlerlBornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG, 26. Aufl. 2008, § 4 UWG Rn. 11.30 mwN.).

Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Kodex werde lediglich vom VFA als einem der vier wesentlichen Verbände der Arzneimittelindustrie gebilligt, wohingegen sich die anderen drei Verbände (BPI, BAH und Pro Generika e.V.) an den FSA-Kodex nicht gebunden fühlten, weshalb dieser gerade nicht die Auffassung der Branche über die Lauterkeit bzw. Unlauterkeit des vom Kläger gerügten streitgegenständlichen Verhaltens der Beklagten wiedergebe. Zu Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass – was von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wurde – die in § 21 des FSA-Kodex enthaltene Regelung inhaltsgleich mit den Bestimmungen der Verhaltensempfehlungen für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten sei und Artikel 10 des EFPIA-KODEX der European Federation of Pharmaceutial Industries and Associations umsetze. Es kann also gerade nicht die Rede davon sein, dass der FSA-Kodex lediglich die partikulären Interessen eines einzigen Verbands innerhalb der Pharmaindustrie wiedergebe und jenem keine Aussagekraft für innerhalb der gesamten Branche anerkannte und allgemein geltende Verhaltensregeln beizumessen sei. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Pharmaindustrie mit ihren – mit dem FSA-Kodex übereinstimmenden – Verhaltensempfehlungen eine Selbstbindung dahingehend auferlegt hat, zur Vermeidung des Vorwurfs unlauteren Verhaltens unentgeltliche Zuwendungen den streitgegenständlichen Fachkreisen nicht zu gewähren. Hiergegen hat die Beklagte verstoßen; deshalb war die Bewerbung unentgeltlicher Fortbildungsveranstaltungen unlauter im Sinne von § 3 UWG und löst nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch des Klägers aus.

Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) stützt, handelt es sich bei den im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorgesehenen Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit um eine zulässige Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.

5. Auf die Frage, ob das angegriffene Verhalten der Beklagten sich darüber hinaus als unangemessene unsachliche Einflussnahme im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG darstellt (vgl. Landgericht München I, PharmR 2008, 330, 333 ff.) und auch aus diesem Grunde als unlauter im Sinne von § 3 UWG zu beurteilen ist, kam es somit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

Ergebnis

Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil des Landgerichts München II vom 10.01.2008 aufgehoben.

Die Beklagte wurde verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung (unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Ärzten und Ärztinnen die unentgeltliche Teilnahme an Seminaren zur GOÄ/IGeL sowie des EBM zu ermöglichen, wie in nachfolgend wiedergegebener Information zu den „Arzt – Seminaren 2007“ geschehen.

Anm: Die Revision wurde nicht zugelassen, Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten läuft.

Berlin, im Oktober 2008