§§ 18 Abs. 1 Nr. 7, 19 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2, Nrn. 1, 2, 10, 11, 13 FSA-Kodex Fachkreise, § 22 Abs. 3 VerfO
AZ.: 2014.12-458
Leitsätze
- Werden mehrere Studienprojekte auf der Basis von Kooperationsverträgen mit niedergelassenen Ärzten in einer Weise durchgeführt, die den Vorgaben des Kodex nicht entsprechen, kann das Gesamtvolumen der gezahlten Honorare einen Anhaltspunkt für die zu verhängende Geldbuße darstellen. Die Tatsache, dass das Fehlverhalten bei mehreren, voneinander unabhängigen Projekten festzustellen ist, kann straferhöhend wirken.
- Leistet das betroffene Unternehmen in erheblichem Umfang Aufklärungshilfe, so kann dies zu einer Milderung der zu verhängenden Geldbuße führen. Auch die intensive Zusammenarbeit mit der Schiedsstelle und die zügige Einleitung von organisatorischen und disziplinarischen Gegenmaßnahmen kann strafmildernd berücksichtigt werden.
Sachverhalt
Dem FSA ging eine anonyme Beanstandung zu, mit der unter Hinweis auf eine beigefügte E-Mail der Leiterin des Bereichs Medizin des Mitgliedsunternehmens Allergopharma der Vorwurf erhoben wurde, die genannte Firma zahle „in den letzten Jahren regelmäßig“ Kodex-widrig Honorare an den nieder-gelassenen Arzt X im Zusammenhang mit der Durchführung von Studien. Die als „Tischvorlage“ bezeichnete E-Mail war an mehrere, z.T. leitende Mitarbeiter des Mitgliedsunternehmens gerichtet. Mit ihr sollte die Entscheidung über Art und Umfang der Durchführung einer weiteren Studie mit X zur Fragestellung der Dosisreduzierung der Allergieprophylaxe während des Pollenflugs vorbereitet werden; Art und Inhalt der „Tischvorlage“ legten den Schluss nahe, dass das wissenschaftliche Interesse an einer derartigen Studie deutlich hinter dem kommerziellen Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit X zurückstanden. In dieser „Tischvorlage“ wurde schließlich auf eine vergleich-bare Zusammenarbeit des Unternehmens mit dem Arzt Y Bezug genommen.
Der offene Verteiler des Beanstandungsschreibens führte neben dem FSA zwei Mitarbeiter der Compliance Funktion der Muttergesellschaft des Mitgliedsunternehmens auf. Der FSA hat daraufhin mit der Muttergesellschaft des Mitgliedsunternehmens Kontakt aufgenommen, um eine Koordination der Ermittlungen sicherzustellen.
Auf Initiative der Muttergesellschaft und in Abstimmung mit dem FSA wurde daraufhin sowohl durch eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als auch durch Mitarbeiter des Compliance Bereichs eine umfangreiche Sonderprüfung bei dem Mitgliedsunternehmen durchgeführt, bei welcher das Unternehmen umfangreich mitwirkte.
Die Prüfung der der Schiedsstelle vorgelegten Unterlagen ergab, dass der Arzt X an drei Studien-projekten beteiligt gewesen war, bei denen der wissenschaftliche Zweck und ein hinreichendes Interesse an den Studienergebnissen schriftlich nicht nachweisbar waren; auch waren weder die Fallzahlen und die Zeitabläufe noch die Ziele ausreichend geplant, begründet bzw. fixiert. Die Kontrolle des Erkenntnisgewinns fand teilweise ebenso wenig statt wie eine zeitnahe Auswertung und Publikation, nicht einmal ein aktueller Status der Patientenerhebung war z.T. vorhanden. Schriftlich fixierte Qualitätskriterien für die Leistungserbringung fehlten ebenso wie solche für die Leistungserfüllung. Die klare Zuordnung der Studien zum Verantwortungsbereich des Leiters der medizinischen Abteilung sowie innerbetriebliche Prozessabläufe für die Planung, Durchführung und Auswertung der Projekte einschließlich geeigneter Qualitätssicherungsmaßnahmen waren in schriftlicher Form nicht vorhanden; die an X gezahlten Honorare lagen in diesen drei Vorgängen bei 10.700, 17.200 bzw. 28.500 EUR.
Die Prüfung der Zusammenarbeit mit dem weiteren Arzt Y ergab, dass bei einem Projekt ebenfalls Zahlungen ohne schriftlichen Leistungsnachweis erbracht wurden. Das Manuskript der für Herbst 2013 avisierten Publikation der Studie wurde schließlich im Frühjahr 2015 im Entwurf vorgelegt, also zu einem Zeitpunkt, der den in § 19 Abs. 2 Nr. 11 FSA-Kodex Fachkreise vorgegebenen Rahmen deutlich überschreitet; die Kommunikation zu diesem Leistungsverzug war wiederum schriftlich nicht dokumentiert. Nach Auffassung der Schiedsstelle legten die Gesamtumstände den Schluss nahe, dass die jetzige Manuskripterstellung in erster Linie durch das laufende Verfahren angestoßen wurde. Diese Studie mit Y hatte einen Honorarumfang von 48.000 EUR.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der Spruchkörper stellte Verstöße gegen § 18 Abs. 1 Nr. 7, 19 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2, Nrn. 1, 2, 10, 11, 13 FSA-Kodex Fachkreise fest und mahnte das Mitgliedsunternehmen ab, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen. Gleichzeitig wurden gemäß § 20 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 22 Abs. 2 S. 2 der FSA-Verfahrensordnung Geldstrafen in Höhe von insgesamt 130.000 EUR zugunsten von fünf gemeinnützigen Vereinigungen festgesetzt. Hierbei wurde einerseits straferhöhend berücksichtigt, dass das Fehlverhalten des Unternehmens einen zentralen Bereich der Kodex-Regelungen betraf und dass bei vier Studien – im Wesentlichen gleichartige – Verstöße festgestellt wurden. Andererseits waren insbesondere die sehr umfangreiche Aufklärungshilfe, die intensive Zusammenarbeit mit der Schiedsstelle und die eingeleiteten organisatorischen und disziplinarischen Gegenmaßnahmen strafmildernd zu berücksichtigen, die erkennen ließen, dass das Unternehmen eine Kodex-gerechte Neuordnung der betreffenden Prozesse intensiv in Angriff genommen hat.
Ergebnis
Das Unternehmen gab die geforderte Unterlassungserklärung ab und erklärte sich mit der festgesetzten Geldstrafe einverstanden.
Berlin, im August 2015