§ 21. Abs. 1, Leitlinie 3.6 Satz 2 FSA Kodex Fachkreise: Fachbücher als Informations- und Schulungsmaterial
AZ.: 2016.7-503
Leitsätze
1. Allgemeine Ausführungen für die Therapie und Diagnostik in einem Indikationsgebiet machen aus einem Fachbuch kein Informations- und Schulungsmaterial, das für die Behandlung von Patienten mit einem konkreten Präparat eines Unternehmens bestimmt wäre.
2. Jedenfalls hinsichtlich der Wertgrenze geht die Leitlinie 3.6 Satz 2 der Leitlinie 3.3. vor.
Sachverhalt
Dem FSA ging ein Hinweis auf ein Werbegeschenk des Mitgliedsunternehmens Novartis Pharma GmbH zu, nämlich einen Planer für die – im Juni/Juli 2016 – aktuelle Fußball-EM, der bundesweit über den Außendienst gleichzeitig zur Europameisterschaft an Ärzte unentgeltlich abgegeben werde. Der Plan zeigt im Übrigen prominent ein Produkt- und das Unternehmensbranding des Mitgliedsunternehmens.
Die Anhörung ergab folgenden weiteren Sachverhalt:
Das Unternehmen räumte die unentgeltliche Abgabe ein. Insgesamt seien 30.000 Exemplare gedruckt worden. Der Beschaffungspreis für die Gesamtauflage habe bei ca. 4.500 EUR gelegen, der Preis pro Stück liege bei 0,15 EUR und sei eindeutig geringwertig.
Der Plan bilde die Rückseite einer Besprechungsunterlage, die auf eine aktuelle Studie mit einem Präparat zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen des Unternehmens Bezug nehme; diese Studie sei in der bekannten Fachzeitschrift X veröffentlicht worden. Das aktuelle Ereignis der Europameisterschaft werde als Gesprächsaufhänger genutzt, da das gleiche Journal im Jahre 2008 eine Studie veröffentlicht habe, der zufolge während der Fußball-WM 2006 das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verdoppelt habe. Dies habe das Unternehmen zum Anlass genommen, den Arzt darauf hinzuweißen, noch kritischer auf die Ziel-Blutdruckwerte und Risikofaktoren seiner Patienten zu schauen.
Der Abdruck eines Plans für die EM-Spiele sei wegen des vorgenannten medizinischen Kontexts mit aufgenommen worden, führe aber nicht dazu, dass sich die Natur der Besprechungsunterlage ändere. Insbesondere handele es sich bei dem EM-Planer nicht um ein Geschenk, da ein solcher EM-Plan per se ohne jeden Wert ist. Pläne dieser Art seien am gesamten Markt völlig kostenlos erhältlich, eine geldwerte Vergünstigung liege nicht vor.
Eine kursorische Recherche der Schiedsstelle ergab, dass EM-Planer auch zu Stückpreisen zwischen EUR 0,77 und EUR 9,94 angeboten werden.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Schiedsstelle sah die Unterlage, soweit auf einer der beiden Seiten ein Präparat des Unternehmens, eine klinische Studie und eine frühere Veröffentlichung der Zeitschrift X besprochen werden, als zulässig an.
Die gleichzeitige Abgabe des Planers für die EM-Spiele verstieß jedoch gegen § 21 Abs. 1 FSA Kodex Fachkreise. Eine der in § 21 Abs. 2 FSA-Kodex Fachkreise genannten Ausnahmetatbestände lag nicht vor.
Nach Auffassung der Schiedsstelle war der EM-Planer unabhängig von der präparatebezogenen Information zu bewerten und als Geschenk unzulässig. Das Geschenkeverbot in § 21 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise ist unabhängig davon, welchen Wert der abgegebene Gegenstand hat. Die Tatsache, dass der hier vorliegende EM-Plan mit zum Gegenstand der Unterlage gemacht wurde, belegte, dass das Unternehmen darin einen gewissen Mehrwert für den Empfänger sah, der über eine weitere – durchaus mögliche – produktbezogene Informationen zum Präparat des Unternehmens hinausging. Die Aufnahme weiterer produktbezogener Information wurde dagegen unterlassen und stattdessen ein EM-Planer aufgenommen worden. Dies legte nach Auffassung der Schiedsstelle den Schluss nahe, dass eine Unterlage, die Produktwerbung mit einem Planer der Fußball EM verbindet, vom Unternehmen und auch vom Adressaten gegenüber einer rein produktbezogenen Werbung als vorteilhafter bewertet wird.
Im Übrigen belegt auch die Tatsache, dass andere Anbieter vergleichbare Pläne teilweise kostenlos zur Verfügung stellen, dass derartige Unterlagen bei Fußball-Interessierten als hilfreich und nützlich empfunden werden.
Die körperliche Verbindung mit zulässiger Produktwerbung änderte an dieser Bewertung nichts. Dies folgt bereits aus § 21 Abs. 1 Satz 2 FSA-Kodex Fachkreise; andernfalls würde das Geschenkeverbot beliebig dadurch unterlaufen werden können, dass unzulässige Geschenke durch ihre Kombination mit grundsätzlich zulässigem Informationsmaterial legalisiert werden könnten.
Eine Privilegierung nach § 15a Abs. 1 Nr. FSA-Kodex Fachkreise, Ziffer 3.2 der Leitlinie zum FSA-Kodex Fachkreise schied aus, da ein direkter Bezug des EM-Planers zur beruflichen Praxis der Angehörigen der Fachkreise nicht erkennbar war.
Auf die Abmahnungen der Schiedsstelle gab das Unternehmen zunächst eine Unterlassungserklärung ab; dabei wurde die in der Abmahnung genannte Vertragsstrafe für den Fall einer künftigen Wiederholung und die Höhe der Geldbuße jeweils um mehr als 50% reduziert. Die Schiedsstelle hat die Annahme dieser Erklärung bereits in Anbetracht des großen Adressatenkreises des Werbemittels als unzureichend angesehen und ihre Annahme abgelehnt.
Ergebnis
Das Unternehmen hat daraufhin die Unterlassungserklärung durch eine zu zahlende Geldbuße in Höhe von 22.000 EUR zugunsten des APOPO e.V. und eine Vertragsstrafe für den Fall einer künftigen Wiederholung in Höhe von 40.000 EUR ergänzt. Diese Erklärung hat die Schiedsstelle angenommen.