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§ 20 Abs. 5 i.V.m. § 20 Abs. 3 FSA-Kodex: Zum Wegfall der Anreizwirkung einer Veranstaltungsstätte

Az. 2018.12-562-572

Ist der Kontakt der Teilnehmer mit der Erlebniswelt der „Autostadt“ äußerst gering, kann die Anreizwirkung der Veranstaltungsstätte im Einzelfall ausnahmsweise außer Betracht bleiben.

Leitsätze

1. Sind die Teilnehmer einer gesponserten Veranstaltung gezwungen, auf dem Weg zu den Veranstaltungsräumen einen Teil der Erlebniswelt wahrzunehmen, der mit der Veranstaltungsstätte verbunden ist, so kann dies dazu führen, dass damit ein sachfremder Anreiz zur Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung vermittelt wird

2. Ist der Kontakt der Teilnehmer mit dieser Erlebniswelt weitestgehend minimiert, kann der Anreizcharakter im Einzelfall als geringfügig und damit als irrelevanter anzusehen sein.

3. Allein die bildliche Darstellung der Erlebniswelt einer Veranstaltungsstätte auf dem Einladungs-Flyer genügt nicht, um den Erlebnischarakter der Veranstaltungsstätte in den Vordergrund zu rücken.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens war die Beanstandung, eine Reihe von Mitgliedsunternehmen hätten ein Wolfsburger (…) Symposium, das im Jahr 2018 in der sog. „Autostadt“ veranstaltet wurde, gesponsert. Insoweit wurde von der Beanstandenden ausgeführt:

„Die Autostadt Wolfsburg ist ein bundesweit bekanntes Einzelziel, welches als „Auto-Erlebnis-Welt“ wahrgenommen wird. (…) vor dem Hintergrund der FSA-Entscheidung zum Porsche Zentrum Leipzig (2016.8-504) erachten wir das Sponsoring (und die Durchführung) von Veranstaltungen in der Autostadt Wolfsburg als problematisch. Auch wenn der konkrete Veranstaltungsraum in der sog. Autolounge (Lounge 2) keinen Ausblick auf die Autostadt bietet, sondern zum Mittellandkanal hin orientiert ist, ist der Veranstaltungsort gem. den allg. Angaben in dem beigefügten Werbematerial für die Autolounges doch derart in die Erlebniswelt der Autostadt Wolfsburg integriert, dass dieser als Veranstaltungsort mit erheblichem Unterhaltungswert einzustufen ist. Es ist auch nicht erkennbar, dass es in Wolfsburg keine alternativen Veranstaltungsorte gibt.“

Die Beanstandende sah im Sponsoring dieser Veranstaltung einen Verstoß gegen § 20 Abs. 5 i.V.m. § 20 Abs. 3 FSA-Kodex Fachkreise (- im Folgenden: Kodex -).

Die Unternehmen bestätigten, die Veranstaltung gesponsert zu haben. Im Gegenzug hätten sie u.a. die Möglichkeit erhalten, mit dem Logo ihrer Unternehmen zu werben und einen Stand auf der Industrieausstellung zu betreiben. Sie hielten die Unterstützung für Kodex-konform. Die Tagungsstätte sei vom Veranstalter allein nach sachlichen Kriterien ausgewählt worden.

Die Schiedsstelle mahnte die Unternehmen ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass jeder Besucher der Veranstaltung gezwungen gewesen sei, im Eingangsgebäude die sog. Piazza der Autostadt zu betreten, um von dort aus zu den Veranstaltungsräumen zu gelangen. In dieser Piazza befänden sich das „Welcome Desk“, an dem sowohl Tickets für die Autostadt verkauft würden, aber auch Fahrattraktionen und Veranstaltungen gebucht und Führungen vereinbart werden könnten; darüber hinaus sei dort – so die Webseite der „Autostadt“ – „auch beeindruckende Kunst“, das begehbare „World Processor – Globenfeld“ mit etwa 80 sich drehenden Globen unter einer gläsernen Bodenplatte, die „Exosphäre“ mit 12 Metern Durchmesser, das Werk „Rot Blau Gelb“ mit Wandflächen von 4000 m2, zwei Kinos u.ä.m. zu erleben (https://www.autostadt.de/autostadt-erkunden/konzernforum/piazza ). In der Piazza sei, so die Abmahnung, bereits ein erster Teil der Erlebniswelt der Autostadt zu erleben.

Die Schiedsstelle führte weiter aus, dass die Teilnehmer nur von dort aus zu den Veranstaltungsräumen im Obergeschoss hätten gelangen können. Der zwangsläufige Besuch der Piazza habe dazu geführt, dass die Teilnehmer einen ersten Teil dieser Eventmöglichkeiten erleben konnten und damit ein zusätzlicher, sachfremder Anreiz zur Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung vermittelt worden sei, der mit § 20 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 Kodex nicht vereinbar sei.

Ein Teil der Unternehmen gab daraufhin die geforderte Unterlassungserklärung ab, andere Unternehmen lehnten jedoch die Abgabe ab und ergänzten ihr Vorbringen, insbesondere in der mündlichen Verhandlung.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Schiedsstelle hält an der in der Abmahnung angeführten Bewertung nicht weiter fest.

Nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung muss die Schiedsstellte davon ausgehen, dass der Kontakt mit der Erlebniswelt der Piazza, wenn überhaupt, als nicht erheblich anzusehen ist. Durch den Zeugen B., der die Veranstaltung selbst besucht hatte, wurde anschaulich dargelegt, dass die Teilnehmer, die die Piazza durch die Eingangstür betraten, eine Strecke von weniger als 5 Metern zurückzulegen hatten, bis sie den Aufgang zu den Veranstaltungsräume betraten. Dieser Aufgang war für die Teilnehmer der Veranstaltung ausgeschildert, Personal des Veranstalters empfing die Teilnehmer bereits an dieser Stelle und geleitete sie zum Lift in das Obergeschoss, in dem die Veranstaltungsräume lagen. Von einem längeren Aufenthalt in der Piazza, der zum Besuch der dortigen Ausstellungsgegenstände erforderlich gewesen wäre, kann daher nicht mehr ausgegangen werden.

Ein weiterer Zeuge führte aus, dass jene Teilnehmer, die mit dem Auto anreisten und, von den Parkplätzen der Autostadt kommend, die Veranstaltungsräume aufsuchten, unmittelbar zu dem an diesem Tag – und immer bei derartigen Veranstaltungen – geöffneten Seiteneingang an der Außenfront des Konzernforum gingen. Der Weg durch diesen Seiteneingang sei der kürzeste Weg zu den Veranstaltungsräumen gewesen. Auch dort befand sich Empfangspersonal, das die Teilnehmer „abfing“ und von dort aus direkt zu den Aufzügen geleitete, die zu den Veranstaltungsräumen führten. Für diese Teilnehmer hätte der Weg durch die Piazza einen Umweg dargestellt. Von einem Aufenthalt in und einer Inaugenscheinnahme der Piazza kann auch bei diesen Teilnehmern somit nicht ausgegangen werden.

Nach diesem Vortrag geht die Schiedsstelle davon aus, dass der Kontakt der Teilnehmer mit der „Erlebniswelt“ der Autostadt, soweit sie in der Piazza geboten wird, nicht stattfand oder bestenfalls als geringfügig anzusehen ist. Dass dadurch ein relevanter Anreizfaktor für die Teilnehmer hätte entstehen könnte, hält die Schiedsstelle für fernliegend.

Infolgedessen ist die Veranstaltungsstätte mit den konkret hier verwendeten Zugängen nicht zu beanstanden. Dass einzelne Teilnehmer nach Ende der Veranstaltung auf eigenen Wunsch und eigene Kosten einen Besuch der Autostadt vorgenommen haben mögen, ist allein deren Sache und nach der Spruchpraxis der Schiedsstelle in der Regel unbeachtlich (vgl. Az. 2017.11-529 und FS II 2/19/ 2018.12-573/4). Auch die bildliche Darstellung der gesamten Autostadt auf dem Einladungs-Flyer genügt nicht, um unter den gegebenen Umständen den Erlebnischarakter der Autostadt in den Vordergrund zu rücken (vgl. FS II 2/19/ 2018.12-573/4).

Entscheidung

Nach alledem war die Beanstandung unbegründet. Die Verfahren wurden eingestellt.

Die Beanstandende hat gegen die Einstellungen keinen Einspruch eingelegt.

Soweit einzelne Unternehmen bereits Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen abgegeben hatten, nahm die Schiedsstelle die Rücktrittserklärung der Unternehmen von diesen Erklärungen an. Soweit bereits Geldbußen gezahlt worden waren, kam eine Erstattung nicht in Betracht. Die Zahlung verblieb bei der jeweils begünstigten gemeinnützigen Organisation.

Die mit Beschluss der Mitgliederversammlung vom 9. Dezember 2020 verabschiedeten Ergänzungen der Verfahrensordnung zu §§ 20 Abs. 4, § 22 Abs. 2, § 28 Abs. 4 (neu) waren zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht in Kraft und deshalb nicht anzuwenden. Auch die in den Ziffern 12 und 12a ergänzten Leitlinien zum Kodex Fachkreise, die u.a. ausführen, dass bei der Beurteilung die Sichtweise Dritter (also der breiten Öffentlichkeit) und nicht die der eingeladenen Fachkreise maßgeblich ist, war ebenfalls noch nicht anzuwenden.

Berlin, Juli 2019/Januar 2021