Verstoß gegen § 21 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise hier: Klinik Entlassungsbrief VHF
AZ.: 2018.4-542
Template mit Produktempfehlung auf USB-Stick als unzulässiges Geschenk
Die Schiedsstelle des FSA hat die Bayer Vital GmbH (Bayer) wegen der unzulässigen Vorformulierung von Klink-Entlassungsbriefen mit Produktempfehlungen zu einer Strafzahlung in Höhe von 15.000 Euro verurteilt. Das Unternehmen hatte entsprechende Templates auf einem USB-Stick an Ärztinnen und Ärzte verteilt. Die Beanstandung gegen Bayer wurde von einem anderen Mitglied des FSA veranlasst.
- Die Templates enthielten Therapieempfehlungen für Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt. Unter den Punkten „Therapieempfehlungen bei Entlassung“ und „Weitere möglichen Begründungen für den Einsatz von (…)“ wurde vorformuliert, wie eine Verordnung des Präparats anstelle eines „preisgünstigeren Therapievorschlags“ zu formulieren sei.
- Die entsprechende Stelle ließ sich dann leicht in Entlassungsbriefe kopieren. Dies erleichterte so die Verschreibung des Bayer-Präparats.
- Die Abgabe des USB-Sticks mit dem Template eines Entlassbriefs wurde von der Schiedsstelle als Verstoß gegen das Geschenkeverbot des § 21 Abs. 1 FSA-Kodex bewertet.
- Bayer hat nach Abmahnung durch die Schiedsstelle eine Unterlassungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtet, Klinikärzten in Zukunft keine vorformulierten Entlassungsbriefe mit Produktempfehlungen als WORD-Datei zur Verfügung zu stellen.
- Bayer hat darüber hinaus eine Geldstrafe in Höhe von 15.000 EUR an den Verein „Griechenland Hilfe, die ankommt e.V.“ gezahlt.
- Bei der Höhe der Geldstrafe wurden der Umfang der Verteilung des Sticks und die wirtschaftliche Bedeutung des Präparats berücksichtigt.
Leitsätze
1. Wird die Beanstandung ausdrücklich auf einen inhaltlich abtrennbaren Teil eines Werbemittels beschränkt, so besteht für die Schiedsstelle in der Regel kein Raum, die weiteren Inhalte des Werbemittels im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Kodex zu prüfen.
2. Werden Fachkreisangehörigen WORD-Vorlagen mit Textbausteinen unentgeltlich zur Verfügung gestellt, deren Inhalte überwiegend und zwangsläufig Bestandteil üblicher Textbausteine und den Fachkreisen bekannt sind, so sind diese Vorlagen mit üblichem Praxisbedarf vergleichbar, den der Arzt ohnehin ständig vorhalten muss. Sie unterfallen in der Regel nicht den Ausnahmetatbeständen des § 15a (vgl. Q&A zu § 15a und § 21, Frage 2).
3. Werden Fachkreisangehörigen in dem o.g. Rahmen weitere Bestandteile mit Informations- oder Schulungscharakter zur Verfügung gestellt, mit denen dem Arzt „mundgerecht“ vorformuliert wird, was er sonst notwendigerweise selbst anzuführen und zu formulieren hätte, so können die ihm dadurch ersparte Zeit und Aufwand eine unentgeltliche Sachleistung darstellen, die mit dem Geschenkeverbot des § 21 Abs. 1 Kodex nicht mehr vereinbar ist.
Sachverhalt
Ein Mitgliedsunternehmen beanstandete bei der Schiedsstelle, ein anderes Mitgliedsunternehmen, die Firma Bayer Vital GmbH (- im Folgenden: Bayer -), gebe an Klinikärzte unentgeltlich einen USB-Stick ab. Der Stick enthalte im WORD-Format eine vorformulierte Vorlage (- im Folgenden: Template -) für einen Brief, der im Rahmen des sog. „Krankenhaus-Entlassmanagements“ von Klinikärzten an niedergelassene Ärzte und/oder Patienten verfasst werden muss. Die Beanstandende sah darin einen Verstoß gegen § 21 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise (- im Folgenden: Kodex -).
Bayer bestätigte die Abgabe des Sticks und erwiderte, wesentliche Bestandteile des Briefs seien präparate- bzw. indikationsbezogene Informationen, insbesondere über die Leitlinienempfehlungen. Damit würden Themen adressiert, die für die nach einem Krankenhausaufenthalt folgende weitere Behandlung wesentlich seien und Unsicherheiten über die richtige Dosierung behandeln. Die Einbettung dieser Informationen in das Template sei erfolgt, um sicherzustellen, dass die für den Patienten wichtigen Inhalte durch den niedergelassenen Arzt bestmöglich berücksichtigt würden. Standardbriefe mit Textbausteinen für die Erstellung derartiger Entlassbriefe existierten in jeder Klinik, allerdings ohne diese spezifischen Informationen.
Demgegenüber vertrat die Beanstandende die Auffassung, es sei unzulässig den Arzt dadurch zu unterstützen, dass er hinsichtlich seiner Aufklärungs- und Dokumentationspflichten gegenüber seinen Patienten durch Hilfsmittel unterstützt würde, die auf allgemeinen, bereits anderweitig verfügbaren Textbausteinen und Formularen beruhen, auch dann wenn dabei indikations- und/oder produktbezogene medizinisch wissenschaftliche Informationen untergebracht würden. Die Tatsache, dass die Vorlage des Entlassungsbrief im Stile eines WORD-Templates abgegeben wird, welches über den USB-Stick schnell und praktisch an jedem Klinik- bzw. Arzt-PC verarbeitet und genutzt werden könne, spreche dafür, dass es Bayer auch um eine Arbeitsentlastung der Fachkreisangehörigen gehe, die aber unter das Geschenkeverbot falle.
Das beanstandende Unternehmen stellte der Schiedsstelle einen Originalstick zur Verfügung, dessen Durchsicht ergab, dass der Stick neben dem beanstandeten Template eine Reihe von Animationen zur Pathologie und Wirkweise einer Substanz sowie zwei Patientenfilme enthielt, die die Einnahme eines Bayer-Präparats ausdrücklich ansprechen und auch Originalpackungen zeigten.
Soweit auf dem Stick, der eine Kapazität von 2 GB hatte, neben dem Template weitere Informationen enthalten waren, hat die Beanstandende diese ausdrücklich nicht zum Gegenstand der Beanstandung gemacht.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Nach § 21 Abs. 1 Kodex ist es grundsätzlich unzulässig, Angehörigen der Fachkreise Geschenke zu versprechen, anzubieten oder zu gewähren. Auch ein USB-Stick kann ein derartiges Geschenk darstellen.
Durch § 15a Abs. 1 Nr. 1 Kodex und die Q&A zu § 15a und § 21 in der Fassung vom 30. Mai 2014 ist allerdings klargestellt, dass Angehörigen der Fachkreise Informations- und Schulungsmaterialien überlassen werden dürfen, wenn sie geringwertig sind, einen direkten Bezug zu der beruflichen Praxis des Angehörigen der Fachkreise haben und ein enger Zusammenhang mit der Patientenversorgung besteht. In der Leitlinie 3.4 des FSA-Vorstands wird weiter erläutert, dass die Abgabe von derartigen Informations- und Schulungsmaterialien auch auf Medienträgern (z.B. einem USB-Stick) erfolgen kann.
Nachdem die Beanstandende den Streitgegenstand ausdrücklich auf das Template des „Klinik Entlassungsbriefs“ beschränkt hatte, bestand für die Schiedsstelle kein Raum, die weiteren Inhalte des Sticks im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Kodex zu prüfen.
Das Template „Klinik Entlassungsbrief“ als Bestandteil des Sticks war somit eigenständig am Rahmen des § 21 Abs. 1 Kodex zu prüfen. Dabei wies die Schiedsstelle vorab auf die ständige Spruchpraxis hin, dass die Ausnahmetatbestände des § 15a Kodex eng auszulegen sind (vgl. Az. 2017.4-521).
a) Das Template enthielt u.a. eine Reihe von Patientenspezifischen Informationen, die die Erfordernisse aus § 9 Abs. 3 des Rahmenvertrags über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V widerspiegeln. Diese Inhalte des Templates entsprechen den in § 9 Abs. 3 des Rahmenvertrags genannten Pflichtinhalten. Sie sind überwiegend und zwangsläufig Bestandteil üblicher Templates mit Textbausteinen für die Erstellung derartiger Entlassbriefe und den Fachkreisen bekannt.
Derartige Unterlagen sind üblichem Praxisbedarf vergleichbar, den der Arzt ohnehin ständig vorhalten muss. Sie unterfallen den Ausnahmetatbeständen des § 15a Kodex in der Regel nicht (vgl. Q&A zu § 15a und § 21, Frage 2) und verstoßen daher gegen das Geschenkeverbot des § 21Abs. 1 Kodex.
b) Allerdings ging der auf dem Stick vorgegebene Text über die im Rahmenvertrag vorgegebenen und üblichen Angaben insoweit hinaus, als er im Abschnitt „Therapieempfehlungen bei Entlassung“ dem Klinikarzt einen Formulierungsvorschlag für die Empfehlung einer weitergehenden Verordnung des Präparats unterbreitet. Diese weiteren Inhalte könnten als produktbezogene und sicherheitsrelevante Informationen zum Präparat aufgefasst werden und insoweit unter die Privilegierung des § 15a Abs. 1 Nr. 1 Kodex fallen. Mit diesem Formulierungsvorschlag dürfte (zumindest auch) das Ziel verfolgen werden, die fortdauernde Verordnung des Präparats zu gewährleisten, denn gem. § 115c SGB V wäre der Klinikarzt in erster Linie gehalten, dem niedergelassenen Arzt einen anderen, preisgünstigeren Therapievorschlag zu machen. Diese „Hilfestellung“ wird weiter ergänzt durch den Block „Weitere mögliche Begründungen für den Einsatz von (…)“ auf Seite 2 des Templates, der andere denkbare Fallgruppen aufzeigt, die medizinisch begründete Ausnahmefälle im Sinne von § 115c SGB V darstellen dürften.
Soweit diese Bestandteile bloßen Informations- oder Schulungscharakter haben, könnten sie durch § 15a Abs. 1 Nr. 1 Kodex privilegiert sein. Das spezifische Format der Darstellung geht jedoch über den engen, durch § 15a Abs. 1 Nr.1 Kodex privilegierten Rahmen hinaus.
Mit den „Therapieempfehlungen bei Entlassung“ und den „Weitere möglichen Begründungen für den Einsatz von (…)“ wird dem Arzt „mundgerecht“ vorformuliert, was er für eine andauernde Verordnung des Präparats anstelle eines „preisgünstigeren Therapievorschlags“ anzuführen und selbst zu formulieren hätte. Dies wäre für ihn allerdings mit einem gewissen Aufwand verbunden. Der durch das Template dem Arzt angebotene Wege ist weitaus „ökonomischer“, weil ihm Zeit und Aufwand erspart werden, und er gibt dem Unternehmen die Zuversicht, dass die weitere Verordnung seines Präparats auch durch den niedergelassenen Arzt erfolgt.
Diese Erleichterung wird schließlich dadurch optimiert, dass diese Bestandteile im Rahmen einer vorformulierten Vorlage als Datei transportiert werden, die leicht von einem in ein anderes WORD-Dokument kopiert werden kann. Dieses Format legt nahe, dass gerade die oben beschriebene Arbeitserleichterung für den Klinikarzt im Vordergrund steht.
Damit stellt dieser Teils des Templates im Ergebnis eine unentgeltliche Sachleistung für den Klinikarzt dar, die über die gem. § 15a Abs. 1 Nr. 1 Kodex privilegierten Materialen hinausgeht und deshalb – ebenso wie die unter a) genannten Inhalte – mit dem Geschenkeverbot des § 21 Abs. 1 Kodex nicht mehr vereinbar ist.
Nur ergänzend wurde von der Schiedsstelle angemerkt, dass die „Therapieempfehlungen bei Entlassung“ auch zu einer Beeinflussung der individuellen Verordnungsempfehlung des Arztes führen könnte, die mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Kodex nicht ohne weiteres vereinbar sein dürfte.
Ergebnis
Die Abgabe des USB-Sticks mit dem Template eines Entlassbriefs wurde von der Schiedsstelle als Verstoß gegen das Geschenkeverbot des § 21 Abs. 1 FSA-Kodex beurteilt
Die Bayer Vital GmbH hat nach Abmahnung der Schiedsstelle eine Unterlassungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtet, es künftig zu unterlassen, Klinikärzten einen vorformulierten Entlassbrief für niedergelassene Ärzte als WORD-Datei zur Verfügung zu stellen, so wie es beim hier verfahrensgegenständlichen USB-Stick der Fall gewesen ist.
Die Bayer Vital GmbH hat darüber hinaus eine Geldstrafe in Höhe von 15.000 EUR an den Verein Griechenland Hilfe die ankommt e.V. gezahlt. Bei der Höhe der Geldstrafe wurden der Umfang der Verteilung des Sticks und die wirtschaftliche Bedeutung des Präparats mit berücksichtigt.
Berlin, im August 2018