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§ 20 Abs. 1 Kodex

AZ.: FS II 2/06/2005.12-106 (2. Instanz)

Leitsätze

1. Eine interne Fortbildungsveranstaltung, die sich in Form eines Workshops nicht allein auf den pharmakologischen Bereich eines Mitgliedsunternehmens beschränkt, sondern auch mit präventiven und begleitenden, nichtmedikamentösen, insbesondere sportlichen Maßnahmen bei der Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems befasst, verstößt nicht gegen den Kodex.

2. Werden im Rahmen einer internen Fortbildungsveranstaltung auch praktische Übungen angeboten, die eine aktive Beteiligung der Teilnehmer erfordern, so fällt die Auswertung der individuellen Leistungstests als integrierender Bestandteil der fachlichen Ärztefortbildung in den erlauben Rahmen des § 20 Abs. 1 FSA-Kodex.

3. Die Überlassung von Texten der gehaltenen Vorträge als Tagungsunterlagen fällt in den erlaubten Rahmen einer gem. § 20 Abs. 1 FSA-Kodex zulässigen Fortbildungsveranstaltung. Dies gilt auch für die schriftliche Überlassung der individuellen Leistungstests der Teilnehmer des Workshops.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen vertreibt im Herz-Kreislauf-Bereich, neben anderen Arzneimitteln, einen innovativen Beta-Blocker und führte einen ganztägigen Herz-Kreislauf-Workshop – „Sport als Therapie“ – durch. Gegenstand dieses Workshops waren aktuelle medizinisch-wissenschaftliche Fragen im Zusammenhang mit der Diagnose und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen unter besonderer Berücksichtigung von Möglichkeiten medikamentöser Therapie sowie nichtmedikamentöser Präventions- und Therapiealternativen und Begleitmaßnahmen. Für die Veranstaltung bezahlte das Unternehmen insgesamt EUR 1.500,00, davon für die Raummiete EUR 380,00.

Zu dem Workshop hatte das Unternehmen ca. 50 niedergelassene Ärzte aus der Region Meitingen eingeladen. Die Veranstaltung war von der Bayerischen Landesärztekammer mit 12 Punkten zertifiziert worden.

Die Veranstaltung dauerte von 8:00 Uhr bis 17:15 Uhr, unterbrochen von einem einstündigen Mittagessen. Zwei Referenten hielten Vorträge zur medikamentösen Behandlung. Weitere Vorträge befassten sich mit sportmedizinischen Fragen. Daneben gab es einen auf insgesamt 30 Minuten angelegten Ausdauertest auf einem Fahrrad; davon entfielen ca. 8 bis 10 Minuten auf die Testmessung – Pulsfrequenz, Herzfrequenz, Fettstoffwechsel –. Die Daten der teilnehmenden Ärzte wurden erfasst und ausgedruckt. Die Ergebnisse dieser Tests wurden diskutiert und dem jeweiligen Teilnehmer ausgehändigt; er durfte sie behalten. Er bekam einen Ergo-Fit Fitness-Level nebst individueller Zusammenfassung des Testergebnisses, einen Trainingsplan zur Verbesserung des Fettstoffwechsels und eine Übersicht über die Herzfrequenz-Messung. – Außerdem gab es als praktische Übung Nordic Walking.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die 1. Instanz bejahte einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex a.F (neu: 21 Abs. 1). Sie mahnte das Unternehmen ab. Da dieses einen Verstoß verneinte, setzte der FSA das Verfahren fort.

Der Spruchkörper 1. Instanz hat folgende Entscheidung getroffen:

1) Es wird festgestellt, dass das Unternehmen mit der unentgeltlichen Aushändigung von mehrseitigen Ergebnissen persönlicher Leistungschecks an die am Herz-Kreislauf-Workshop teilnehmenden Ärzte, der am 10.12.2005 stattfand, gegen den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex verstoßen hat. Der Beanstandung war daher stattzugeben.

2) Das Unternehmen wird verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit der Durchführung von Herz-Kreislauf-Workshops Ärztinnen und Ärzte kostenlos mehrseitige Ergebnisse eines mehrseitigen Leistungschecks, der unter fachkundiger Anleitung erfolgte und einen Marktwert von EUR 39,00 hat, zukommen zu lassen, wie anlässlich des Herz-Kreislauf-Workshops am Samstag, den 10.12.2005 in Meitingen geschehen.

3) Strafbewehrung …

4) Verfahrenskostenregelung …

Gegen die Entscheidung hat das Unternehmen fristgerecht Einspruch eingelegt. Es führt dazu im Wesentlichen aus:

Die Fortbildungsveranstaltung sei nach § 6 Abs. 1 FSA-Kodex a.F. (neu 20 Abs. 1) zulässig gewesen. Als integraler Bestandteil habe dazu auch der Ausdruck des Ausdauertests gehört, obwohl individuelle Daten der teilnehmenden Ärzte erfasst worden seien. Diese Ausdrucke seien als Seminarunterlagen anzusehen und als sinnvoller Bestandteil der Veranstaltung mit erlaubt gewesen. Das gelte auch für die Überlassung und Mitnahme dieses Materials.

Demgemäss seien die Voraussetzungen des § 7 FSA-Kodex a.F. (neu 21 Abs. 1) nicht gegeben. Bei den Ausdrucken als Bestandteilen einer erlaubten Fortbildungsmaßnahme handele es sich nicht um eine Zuwendung im Sinne des 7 HWG, auf den § 7 Abs. 1 (neu 21) FSA-Kodex verweise. Außerdem scheide diese Bestimmung mangels Produktwerbung aus. Jedenfalls greife § 7 Abs. 2 HWG ein; ein vertretbarer Rahmen werde nicht überschritten. Auch § 7 Abs. 2 (neu 21 Abs. 2) FSA-Kodex sei nicht gegeben, denn die Seminarunterlagen seien keine „Geschenke“ im Sinne dieser Vorschrift.

Begründung der 2. Instanz:

Der Einspruch ist begründet. Die Entscheidung des Spruchkörpers 1. Instanz ist daher aufzuheben und das Beanstandungsverfahren einzustellen.

Nach Auffassung des Spruchkörpers 2. Instanz hat das Unternehmen nicht gegen den „FS Arzneimittelindustrie“-Kodex (FSA-Kodex) a.F. verstoßen, insbesondere nicht gegen § 7 Abs. 1 oder 2 (neu 21 Abs. 1 o. 2).

1) Da der beanstandete Workshop am 10. Dezember 2005 stattfand, ist nach der damals geltenden Fassung des FSA-Kodex zu entscheiden, ob das Unternehmen gegen den FSA-Kodex verstoßen hat. Wird allerdings ein Verstoß bejaht, so ist, soweit es um die Unterlassungs-Verpflichtung geht, zusätzlich zu prüfen, ob das zu unterlassende Verhalten gegen den FSA-Kodex in seiner Neufassung verstößt; denn insoweit geht es um das zukünftige Verhalten des Unternehmens, dessen Rechtmäßigkeit nach dem neu gefassten Kodex zu beurteilen ist. Darauf kommt es jedoch nicht mehr an, weil der Workshop nicht gegen den FSA-Kodex a.F. verstieß. Abgesehen davon, ist die Rechtslage nach dem neu gefassten Kodex (§§ 20 Abs. 1, 21) ebenso zu beurteilen wie nach dem bisherigen Kodex.

2) Der Workshop erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FSA-Kodex a.F (neu 20 Abs. 1). Das hat zu Recht auch der Spruchkörper 1. Instanz angenommen.

Nach § 6 Abs. 1 (neu 20 Abs. 1) FSA-Kodex dürfen Mitgliedsunternehmen Ärzte zu eigenen berufsbezogenen Fortbildungsveranstaltungen einladen, die sich insbesondere mit ihren Forschungsgebieten, Arzneimitteln und deren Indikationen befassen.

a) Um eine solche interne Fortbildungsveranstaltung des Unternehmens geht es hier. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Workshop nicht auf den pharmakologischen Bereich des Unternehmens beschränkte, nämlich auf die medikamentöse Behand-lung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch mit präventiven und begleitenden nichtmedikamentösen, insbesondere sportlichen Maßnahmen bei der Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems befasste. Beides steht in einem engen fachlichen Bezug zueinander und bildet in seiner Verknüpfung eine sinnvolle Fortbildungseinheit.

b) Auch die praktischen Übungen, wie sie hier stattgefunden haben – die aktive Beteiligung der Teilnehmer auf einem Fahrrad (und das Nordic Walking) – sowie die Auswertung der individuellen Leistungstests fallen als integrierende Bestandteile der fachlichen Ärztefortbildung in den erlaubten Rahmen des § 6 Abs. 1 FSA-Kodex a.F (neu 20 Abs. 1). Das gilt auf jeden Fall für folgende Elemente:

  • die praktischen Übungen als solche
  • die aktive Beteiligung der teilnehmenden Ärzte
  • die Erfassung der Ergebnisse
  • der Ausdruck der Ergebnisse
  • die Übergabe der Ausdrucke an die Teilnehmer
  • die Diskussion der Ergebnisse.

Dazu hat das Unternehmen überzeugende sportmedizinische Stellungnahmen von Wissenschaftlern vorgelegt. Davon ist auch der Spruchkörper 1. Instanz ausgegangen.

Durch die durchgeführten praktischen Übungen haben die teilnehmenden Ärzte die Auswirkungen sportlicher Betätigung auf das Herz-Kreislauf-System an sich selbst erfahren und deren Ergebnisse diskutiert. Solche Eigenerfahrungen sind bei der Therapie, insbesondere der Verschreibung von Herz-Kreislauf-Arzneimitteln sinnvoll, weil die Ärzte aus eigener Erfahrung besser beurteilen können, ob und inwieweit begleitende und unterstützende sportliche Aktivitäten in Betracht kommen. Sie erhalten die Möglichkeit, den Patienten die nichtmedikamentöse Behandlung aus eigner Erfahrung zu empfehlen. So lernen sie am eigenen Leib die Möglichkeiten und Grenzen der Test- und Trainingsmethoden kennen und bekommen ein Gefühl für die Belastung der Patienten bei solchen Methoden. Der Lerneffekt durch persönliche Erfahrung ist größer und nachhaltiger als bei der bloßen Vermittlung theoretischer Kenntnisse.

Unter den genannten Umständen ist die Auswahl der Tagungsstätte – Sportstudio – allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt (§ 6 Abs. 3 Satz 2, 3 FSA-Kodex a.F. (neu 20 Abs. 3 Satz 2, 3)), der Veranstaltungsort daher nicht zu beanstanden.

3) Der Spruchkörper 1. Instanz hat einen Verstoß allein darin gesehen, dass die teilnehmenden Ärzte ihre eigenen, ausgedruckten Ergebnisse nach Beendigung der Veranstaltung behalten durften, und insoweit einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1(neu 21 Abs. 1), jedenfalls gegen § 7 Abs. 2 FSA-Kodex a.F. (neu 21 Abs. 2) angenommen. Dem vermag der Spruchkörper 2. Instanz nicht zuzustimmen.

a) § 7 Abs. 1 FSA-Kodex a.F. (neu 21 Abs. 1) setzt wegen der Bezugnahme auf § 7 HWG – ebenso wie nunmehr ausdrücklich § 21 Abs. 1 FSA-Kodex n.F. – wohl voraus, dass es um produktbezogene Werbung geht. Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

Der Spruchkörper 1. Instanz hat eine produktbezogene Werbung bejaht, weil das Unternehmen zunächst vorgetragen hatte, im Zentrum der Darstellung und Erörterung der medikamentösen Therapierung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen habe ihr Beta-Blocker gestanden. Inzwischen hat sie aber unter Beweisantritt dargelegt, dass das nicht zutreffe. Der Spruchkörper 1. Instanz hat das –zu Unrecht ohne Beweisaufnahme– als Schutzbehauptung angesehen. Der Spruchkörper 2. Instanz nimmt an, dass das korrigierte, einleuchtende Vorbringen des Unternehmens zutrifft.

b) Selbst wenn der Workshop von dem Unternehmen als produktbezogene Werbung anzusehen wäre, sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 FSA-Kodex a.F. (neu 21 Abs. 1) nicht gegeben.

Die genannte Vorschrift nimmt auf § 7 HWG Bezug. Maßgebend ist hier nicht Abs. 1, sondern Abs. 2 dieser Bestimmung. Danach gilt Abs. 1 nicht für Zuwendungen im Rahmen ausschließlich berufsbezogener wissenschaftlicher Veranstaltungen wie hier, wenn diese einen vertretbaren Rahmen nicht überschreiten.

aa) Bei den mitgenommenen Unterlagen handelt es sich schon nicht um „Zuwendungen“ – oder „sonstige Werbegaben“ – im Sinne des § 7 HWG.

Die Überlassung allein von Texten der gehaltenen Vorträge als Tagungsunterlage, die der Teilnehmer einer Veranstaltung bekommt und dann mitnimmt, fällt – anders als etwa die Überlassung eines Buches des Referenten – in den erlaubten Rahmen einer gemäß § 6 Abs. 1 (neu 20 Abs. 1) FSA-Kodex zulässigen Fortbildungsveranstaltung als deren integrierter Bestandteil. Das entspricht einer verbreiteten Übung. Solche Unterlagen ersetzen das sonst etwa erforderliche Mitschreiben und erleichtern gegebenenfalls das Verständnis von Tabellen und bildlichen Darstellungen. Sie dienen der fachlichen Diskussion und dem späteren Nachlesen. Bei entgeltlichen Fortbildungsveranstaltungen werden solche Unterlagen vom Tagungsentgelt erfasst, einerlei, ob sie unter das Gesamtentgelt für die Tagung fallen oder gesondert abgerechnet werden. Wird für die Tagung kein Entgelt verlangt, wie hier nach § 6 Abs. 1 FSA-Kodex a.F. (neu 20 Abs. 1), ändert das nichts daran, dass es sich bei den Unterlagen – ebenso wie etwa bei einem Schreibblock für Notizen – um einen Bestandteil der erlaubten Fortbildungsveranstaltung und daher, worauf es im Rahmen des § 7 FSA-Kodex a.F. (neu 21) ankommt, nicht um eine zusätzliche Leistung handelt.

Ebenso verhält es sich bei den schriftlichen Unterlagen, die den Teilnehmern des Workshops mit ihren individuellen Ergebnissen von dem Unternehmen ausgehändigt worden sind. Ihre Erstellung und Auswertung fällt, wie bereits zu 2) dargelegt, in den erlaubten Rahmen der Veranstaltung. Das gilt gemäß den vorstehenden Ausführungen auch für die Überlassung der Ausdrucke zur Mitnahme. Sie sind als erarbeitete Tagungsunterlagen anzusehen.

bb) Jedenfalls überschreiten die ausgehändigten Unterlagen nicht „einen vertretbaren Rahmen“ im Sinne des § 7 Abs. 2 HWG.

Maßgebend sind nicht die 39,00 EUR, die der Spruchkörper 1. Instanz zugrunde gelegt hat. Das ist das Entgelt für einen vollständigen Ergo-Test, nämlich dessen Durchführung und Auswertung, während es hier nur noch um die Mitnahme der ohnehin erstellten schriftlichen Ergebnisse geht. Hinzu kommt, dass der während des Workshops durchgeführte Ergo-Test nicht vollständig war. Unerheblich ist, dass der Test nicht zum Teil, sondern nur vollständig angeboten wird. Daraus folgt nicht, dass der Teiltest aus der Sicht der teilnehmenden Ärzte denselben Wert hat wie der vollständige Test.

Der Wert der Mitnahme beträgt allenfalls einige wenige Euro. Daher handelt es sich sogar um eine „geringwertige Kleinigkeit“ im Sinne von 7 Abs. 1 HWG. Jedenfalls hält sich der Wert in „einem vertretbaren Rahmen“ im Sinne von § 7 Abs. 2 HWG.

4) Die Überlassung der Unterlagen zur Mitnahme verstieß auch nicht gegen § 7 Abs. 2 FSA-Kodex a.F. (neu 21 Abs. 2)

Wie unter 3 b) ausgeführt, ist die Überlassung zur Mitnahme als Bestandteil der erlaubten Fortbildungsveranstaltung anzusehen. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein nach § 7 Abs. 2 (neu 21 Abs. 2) FSA-Kodex verbotenes Geschenk. Die Vorschrift ist im Lichte von § 7 Abs. 2 HWG auszulegen. Was danach im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung für eine produktbezogene Werbung erlaubt ist, kann nicht als Geschenk verboten sein, wenn sich die erlaubte Fortbildungsveranstaltung wie hier als Imagewerbung darstellt. Gründe für eine unterschiedliche Behandlung sind nicht erkennbar.

Ergebnis

Die Entscheidung des Spruchkörpers 2. Instanz ist im Sinne der „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahrensordnung unanfechtbar. Ein Rechtsbehelf ist insoweit nicht möglich. Berlin, im Oktober 2006