§ 20 Abs. 3 Satz 2, 20 Abs. 2 Satz 1 und 20 Abs. 7 des Kodex – Auswahl des Tagungsortes (regionale Erreichbarkeit); Notwendige Anzahl von Übernachtungen; Zwischenzeitlich gefestigte Rechtsprechung zur Einladung von Begleitpersonen
Leitsätze
a) Timmendorf, am Timmendorfer Strand gelegen, ist kein nach regionalen Gesichtspunkten ausgewählter verkehrsgünstiger Tagungsort, sofern die Teilnehmer aus dem gesamten Nordteil der Republik zwischen Holland und der ehemaligen ostdeutschen Grenze sowie vom Ruhrgebiet bis an die Nord-/Ostseeküste eingeladen werden.
b) Die Übernahme von zwei Übernachtungen anlässlich einer eintägigen Fortbildungsveranstaltung ist dann nicht kodexkonform, wenn die Zeitdauer des Fortbildungsteils ohne Kaffeepausen und Lunch 5,45 Stunden beträgt und der Zeitanteil für gewährte Verpflegung und Pausen sowie zwischen Ende der Fortbildung und dem Abendessen rund 4,5 Stunden ausmacht.
c) Die Rückreise ist nach Ende der Fortbildungsveranstaltung bis zu einer Entfernung von rund 300 km dann noch zumutbar, wenn dabei die zumutbare Gesamtdauer des Tagesprogramms aus Fortbildung und Reisezeit zwischen 12 und 14 Stunden nicht überschritten wird.
d) Kennt ein Mitgliedsunternehmen die zwischenzeitlich gefestigte Rechtsprechung zur Einladung und Übernahme von Kosten für Begleitpersonen nicht, so führt dies zu einer Verschärfung des Sanktionierungsrahmens im Wiederholungsfall.
Sachverhalt
a) Durch die Auswahl des Tagungsortes und den zeitlichen Ablauf der Veranstaltung darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass nicht allein der Fortbildungscharakter der Veranstaltung maßgebend ist, sondern auch der Freizeitwert des Tagungsortes von Bedeutung ist. Hierbei kommt es insbesondere darauf an, ob das Programm derart straff ist, dass kaum oder nur wenig Freizeit verbleibt, ferner ob der Freizeitwert des Ortes so groß ist, dass die Teilnehmer geneigt sind, dessen Freizeitmöglichkeiten wahrzunehmen und dafür die Teilnahme an der Tagung zu vernachlässigen.
Schon allein aus Erreichbarkeitsgründen ist Timmendorf kein für den eingeladenen Teilnehmerkreis zentral gelegener Veranstaltungsort, zumal dieser auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht besonders gut zu erreichen ist. Die Auswahl des Tagungsortes erfolgte hier anhand des Freizeit- und Unterhaltungswertes, denn Timmendorf ist ein über die Region hinaus bekannter und attraktiver Freizeit- und Urlaubsort, der sich durch seine regionale Lage für diese Fortbildung nicht angeboten hat. Der attraktive Freizeitwert des Ortes und seiner Umgebung wird dadurch besonders hervorgehoben, dass Begleitpersonen und Kinder ebenfalls teilnehmen konnten. So haben neben 50 teilnehmenden Ärzten 24 Erwachsene und sogar 38 Kinder die Mitnahmemöglichkeit als Begleitpersonen genutzt. Der Freizeitwert des Tagungsortes stand somit eindeutig im Vordergrund. Die Teilnehmer und Begleitpersonen hatten ausreichend Zeit, die Freizeitmöglichkeiten des Tagungsortes zu nutzen, denn die Veranstaltung ging von 09.00 Uhr – 16.15 Uhr und es folgte erst später am Abend ein gemeinsames Abendessen, sodass hier den Freizeitmöglichkeiten, insbesondere in Form allgemein anerkannter gesundheitsfördernder Spaziergänge an der Ostsee, aber auch durch Bademöglichkeiten sowie Strandkorberholung, reichlich Zeit eingeräumt war.
b) Teilnehmern dürfen notwendige Übernachtungskosten nur dann erstattet werden, wenn der berufsbezogene, wissenschaftliche Charakter der internen Fortbildungsveranstaltung eindeutig im Vordergrund steht. Die Übernahme von zwei Übernachtungen bei einem Fortbildungsanteil, der ohne Kaffeepausen und Lunch lediglich 5,45 Stunden umfasst, ist nicht kodexkonform, wenn sich zudem der Zeitanteil für gewährte Verpflegung und die Pause zwischen dem Ende der Fortbildung und dem Abendessen auf rund 4,5 Stunden belaufen. Bei straffer Organisation hätte die Veranstaltung an einem Tag durchgeführt werden können, und eine 2. Übernachtung wäre nicht notwendig gewesen, denn ein Großteil der Teilnehmer hätte ihren Heimatort bis zu einer Entfernung von rund 300 km durchaus noch am Fortbildungstag erreichen können, ohne die zumutbare Gesamtdauer des Tagesprogramms aus Fortbildung und Reisezeit zwischen 12 und 14 Stunden zu überschreiten (s. Berichterstattung Az.: 2006.3-117). Eine 2. Übernachtung wäre dann nur selektiv für einzelne Teilnehmer noch erforderlich gewesen.
c) Wenn ein Mitgliedsunternehmen die Mitorganisation einer Mitunterbringung im Hotel anbietet, liegt hierin ein Verstoß gegen die ständige Rechtsprechung der Spruchkörper des FS Arzneimittelindustrie, die regelmäßig seit November 2004 veröffentlicht wird. Diesen Entscheidungen unterwerfen sich die Mitgliedsunternehmen und haben sich im Wege der Selbstverpflichtung auferlegt, die Rechtsprechungsinhalte in ihren Unternehmen umzusetzen. Unternehmen, die nicht erkennen lassen, dass sie die Spruchpraxis kennen und umsetzen, werden zur Ausräumung der bestehenden Wiederholungsgefahr gemäß § 20 der „FS Arzneimittelindustrie“-Verfahrensordnung mit einem erhöhten Ordnungsgeld sanktioniert, da die Unkenntnis der Rechtsprechung eine eindringliche Mahnung an die Beachtung der Kodex-Vorschriften und entsprechende Spruchrichterpraxis erforderlich macht.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der Kodex verlangt, dass Übernachtungskosten nur dann übernommen werden dürfen, wenn sie not-wendig und angemessen sind. Während die Prüfung der Angemessenheit eine Frage des Preises pro Übernachtung und der Auswahl des Hotels betrifft, befasst sich die Frage der Notwendigkeit der Übernahme von Übernachtungskosten schwerpunktmäßig mit der Dauer der Veranstaltung und der zumutbaren Grenzen für Teilnehmer, noch am Veranstaltungstag an- oder abzureisen.
Unter Berücksichtigung einer anspruchvollen fachlich-wissenschaftlichen Fortbildung über einen Zeit-raum von über sieben Stunden, die nur durch kurze Kaffee- und Lunchpausen unterbrochen ist und im Hinblick auf die erwartbare Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer nach Abschluss der Veranstaltung, ist es Teilnehmern nach einem Abschlussabendessen zumutbar, noch rund zwei Stunden Heimweg anzutreten oder zur Veranstaltung morgens anzureisen, wenn dadurch der Gesamttagesablauf, wie hier 13 Stunden und maximal 14 Stunden nicht überschritten wird (siehe auch Berichterstattung zum Az.: 2006.3-117).
Entscheidung
Das Unternehmen hat eine geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unterzeichnet und sich im Wiederholungsfall zur Zahlung diverser Ordnungsgelder in Höhe von insgesamt EUR 50.000 verpflichtet. Das Verfahren ist damit abgeschlossen.
Berlin, im Juli 2006