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§ 21 FSA-Kodex: Abgabe von Pflegeprodukten und Nahrungsmitteln in einem sog. Therapiemanagementset

Az. 2019.4-588

Pflegeprodukte und Nahrungsmittel, die in einem Therapiemanagementset enthalten sind, das Ärzten zur Weitergabe an Patienten zur Verfügung gestellt wird, stellen in der Regel einen Verstoß gegen das Geschenkeverbot des Kodex dar.

Leitsätze

1. Aus dem Vorwort und der Einleitung des Kodex lassen sich zwar keine unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten, sie haben aber für die Auslegung der Kodexnormen eine nicht unerhebliche Bedeutung und können dadurch deren rechtliche Wirkungen wesentlich beeinflussen. Nach den Auslegungsgrundsätzen sind auch sie bei der Anwendung der Kodex-Regelungen zu beachten (§ 4 Abs. 1 Kodex).

2. Die Spruchpraxis zur Beigabe von Abgabeartikeln in sog. Patientenboxen (Az. 2016.12-507f.) gilt grundsätzlich auch dann, wenn einer Patientenbox freiverkäufliche Pflegeprodukte oder Nahrungsmittel beigeben werden, die dazu dienen sollen, mögliche Nebenwirkungen einer Arzneimitteltherapie zu mildern.

3. In besonders gelagerten Fällen kann ausnahmsweise eine sehr eingeschränkte Anwendung des Geschenkeverbots in Frage kommen, insbesondere dann, wenn andernfalls eine sachgerechte Therapie nicht in angemessener Art und Weise sicherzustellen ist und die Abweichung von den Kodexbestimmungen sich in einem geringstmöglichen Rahmen bewegt.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens ist die Beanstandung eines anderen Unternehmens, Mitarbeiter des Mitgliedsunternehmens Pfizer Pharma GmbH hätten an Ärzte eine Patientenbox (- im Folgenden: das „Set“ -), die u.a. eine Zusammenstellung von Pflegeprodukten und Nahrungsmitteln enthielt, abgegeben. Hierbei habe es sich um Salbei-Teebeutel, eine Anti HornhautFußcreme, eine weiche Zahnbürste, eine milde Zahncreme sowie Lutschpastillen, jeweils Kleinpackungen, gehandelt, die freiverkäuflich seien. Die Packungen trugen einen Aufkleber mit der Aufschrift „Bestandteil des Pfizer … Therapiemanagementsets“.

Die Beanstandende trug weiter vor:

„ … eine Alltagsverwendung für den Arzt (liege) nahe, um kosmetische Ziele, Hygiene oder Wohlbefinden zu erreichen. Insbesondere Zahn- und Hautpflegeprodukte werden regelmäßig und täglich durch alle Teile der Bevölkerung eingesetzt. … Es handelt sich … nicht um kodexkonforme Hilfestellungen zum spezifischen Nebenwirkungsmanagement … Es ist auch nicht sichergestellt, dass nur solche Patienten die Geschenke erhalten, die spezifische Nebenwirkungen durch ein oder mehrere Arzneimittel erleiden. Dem Arzt wird … ein gewichtiger Zweitnutzen gewährt, der in der Werbewirkung gegenüber allen seinen Patienten besteht, denn allein der Arzt entscheidet, ob und an wen er die Produkte weiterverschenkt. Die Tatsache, dass die Produkte eine klar erkennbare Herstellerkennzeichnung tragen, steht dieser Bewertung nicht entgegen, da der Patient das Sacheigentum seinem Arzt zuordnet, wenn er sie von ihm überreicht erhält, und nicht dem Hersteller …“

Die Beanstandende sah in der Abgabe auch ein Sicherheitsrisiko, weil die Nebenwirkungen eine spezifische patientenindividuelle Diagnose und Therapie durch den Arzt erforderten, die nicht durch die unspezifisch angewandten o.g. Produkte ersetzt werden könne. Die Behandlung der Nebenwirkungen sei allein Aufgabe des Arztes.

Die Beanstandende stellte ausdrücklich klar, dass sich ihre Beanstandung nur gegen die Beigabe der o.g. Produkte richtete, nicht gegen andere – vorwiegend schriftliche – Materialien, die in dem Set enthalten waren.

Das Unternehmen bestätigte die Abgabe. Das Set sei Ärzten zur Weitergabe an Patienten, die auf die Präparate A. und B. eingestellt wurden, zur Verfügung gestellt worden. Es sei aus einer Zusammenarbeit mit Patienten und der Patientenorganisation L. entstanden und diene dazu, einen bestmöglichen Therapieerfolg zu erreichen und Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen zu vermeiden.

Die Anti-Hornhaut-Fußcreme diene zur Behandlung des sog. Fuß-Hand-Syndroms, mit der weichen Zahnbürste und der milden Zahncreme sollen Reizungen und Wundsein im Mund gemildert werden, ebenso mit den Teebeuteln, die zusätzlich bei Mundtrockenheit und Entzündungen helfen könnten. Die Tabletten seien lediglich in dem Set zu B. enthalten und zum Ausprobieren gegen die Nebenwirkungen Heiserkeit und Mundtrockenheit gedacht. Das Unternehmen überreichte dazu auch Kopien aus der einschlägigen Fachliteratur.

Es führte weiter aus, dass von dem Fuß-Hand-Syndrom und den Reizungen und dem Wundsein im Mund jeweils 1/10 aller mit den Präparaten behandelten Patienten betroffen seien.

In allen Materialien, die in dem Set enthalten sind, würden die Patienten direkt angesprochen, so dass sie als ausschließliche Adressaten direkt identifizierbar seien. Eine Zuordnung zum abgebenden Arzt sei verfehlt, ein Zweitnutzen des Arztes sei auszuschließen.

Die beanstandeten Produkte hätten einen Einkaufswert von insgesamt 5,08 EUR (A.-Set) bzw. 5,73 EUR (B.-Set).

Alle Produkte seien als „Bestandteil des Pfizer … Therapiemanagementsets“ gekennzeichnet. Auf die dadurch evtl. verbundene Wertminderung der o.g. Produkte wies das Unternehmen hin.

Das Set wurde vom Unternehmen seit mehreren Jahren abgegeben, in den Jahren 2017-2019 seien mehr als 10.000 Sets produziert worden. Im Jahr 2019 seien Sets an mehr als 3.800 Fachkreisangehörige abgegeben worden.

Jährlich würde bei ca. 7.000 Patienten die spezifische Erkrankung diagnostiziert. Insgesamt mehr als 6.000 Patienten würden medikamentös behandelt, davon ca. 2.800 Patienten mit dem Präparat A. Das Präparat B. würde nur in der zweiten oder späteren Behandlungslinien eingesetzt, insgesamt bei rund 500 Patienten.

Zur Beurteilung der Abgabe derartiger Artikel in einer Patientenbox befragte die Schiedsstelle mittels eines kurzen Fragebogens insgesamt 9 im Therapiegebiet erfahrene Fachkreisangehörige, davon fünf auf Vorschlag des Mitgliedsunternehmens und des beanstandenden Unternehmens sowie die Patientenorganisation L.

Drei Ärzte und die Patientenorganisation retournierten den ausgefüllten Fragebogen; einer dieser Ärzte äußerte sich darüber hinaus handschriftlich zur Sinnhaftigkeit des Sets, reagierte aber auf eine Rückfrage der Schiedsstelle nicht mehr. Die verbleibenden Fachkreisangehörige haben die Teilnahme entweder ausdrücklich abgelehnt oder reagierten überhaupt nicht. Ein Arzt, Chefarzt einer Klinik für Urologie und Leiter eines uro-onkologischen Zentrums, lehnte die Teilnahme mit der Begründung ab, er habe „keine persönliche Kenntnis zum abgefragten Sachverhalt“.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Schiedsstelle konnte die Bewertung des Unternehmens nicht teilen.

Gem. § 21 Abs. 1 FSA-Kodex Fachkreise (- im Folgenden: Kodex -) ist es grundsätzlich unzulässig, den Angehörigen der Fachkreise Geschenke zu versprechen, anzubieten oder zu gewähren. Die Schiedsstelle hat dazu in ihrer bisherigen Spruchpraxis bereits klargestellt, dass dieses Verbot auch bestimmte Artikel betrifft, die z.T. in Patientenboxen enthalten sind, namentlich Gymnastikbänder und Schrittzähler (vgl. Az. 2016.12-507f.). Der Spruchkörper II. Instanz hat darüber hinaus entschieden, dass Werbemaßnahmen, bei denen zwar die Werbung gegenüber den Patienten im Mittelpunkt steht, die aber dem Arzt einen gewichtigen Zweitnutzen gewähren, auch als Geschenk an den Arzt zu betrachten sind. Eine derartige Werbemaßnahme könne ohne Weiteres eine Kundenbindung zwischen dem Arzt und dem Patienten begründen oder fördern. Demgemäß hat der Arzt einen eigenen Werbevorteil (vgl. AZ.: FS II 1/17/ 2016.12-508). Diese Spruchpraxis gilt grundsätzlich fort und ist auch für den vorliegenden Sachverhalt zu beachten.

Dass für alle Beteiligten – Ärzte und Patienten – eindeutig klar ist, dass nur Patienten angesprochen werden sollen, ist unerheblich und beseitigt den Werbevorteil des Arztes nicht (vgl. FS II 1/17/ 2016.12-508). Daher ist die Kennzeichnung der hier im Streit stehenden Artikel mit der Formulierung „Bestandteil des Pfizer … Therapiemanagementsets“ unerheblich.

Die genannte Spruchpraxis ist zu Gegenständen ergangen, die dem Patienten einen Anreiz für mehr körperliche Bewegung verschaffen sollten. Diese Artikel standen insoweit in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der jeweiligen Arzneimitteltherapie. Das Unternehmen betont im vorliegenden Verfahren, dass dieser Sachverhalt bei den hier zur Verfügung gestellten Artikeln wesentlich unterschiedlich sei: Die Artikel sollten gerade dazu dienen,
beim Patienten Therapie-spezifische Nebenwirkungen der verordneten Präparate zu lindern. Angesichts der geringen Packungsgrößen bzw. -mengen dienten die Artikel dazu, dem Patienten zu ermöglichen, erste Erfahrungen in der Behandlung der ggf. auftretenden Nebenwirkungen zu sammeln, um ihn dann bei Bedarf weitere Packungen in anderen Packungsgrößen eigenständig nachkaufen zu lassen.

Diese Intention begründet auch nach Auffassung der Schiedsstelle durchaus einen Unterschied zu den bisher in der Spruchpraxis behandelten Fällen. Damit wird das grundsätzliche Verbot aus § 21 Abs. 1 Kodex jedoch nicht beseitigt.

§ 21 Abs. 2 Kodex gewährt allerdings eine Reihe von Freistellungen vom Verbot des Abs. 1. Allerdings lässt sich aus den Regelungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2-5 HWG keine Ausnahme herleiten, die die Zulässigkeit der Abgabe im vorliegenden Fall begründen ließe. Insbesondere sieht die Schiedsstelle keine Grundlage für die Annahme, in den Artikeln sei handelsübliches Zubehör oder eine handelsübliche Nebenleistung zu sehen. Nach den Rückmeldungen von Fachkreisangehörigen (- soweit erfolgt -) kann nicht davon ausgegangen werden, dass derartige Geschenke üblicherweise oder zumindest zunehmend abgegeben würden; damit ist aber die Handelsüblichkeit zu verneinen.

Im Ergebnis führt diese Bewertung allerdings dazu, dass in Patientenboxen bzw. -sets enthaltene Artikel, die – wie vom abgebenden Unternehmen hier vorgetragen – zwar einen erheblichen Nutzen für die Therapie des Patienten haben mögen, trotzdem aufgrund der bestehenden Kodex-Regelung als unzulässig betrachtet werden müssen. Dieses Ergebnis stimmt mit der Gesamtintention des Kodex nur bedingt überein. Dort wird bereits im Vorwort (Kodexfassung der Neuauflage 2018) darauf hingewiesen wird, dass „Der Patient … stets an erster Stelle“ stehe und eine „bestmögliche Patientenversorgung“ essenZiell sei. Nach der „Einleitung“ zum Kodex steht „der Patient (…) im Mittelpunkt der Bemühungen“ und es sind die „gesundheitlichen Bedürfnisse der Patienten“, die Orientierungsmaßstab sein sollen.

Diese Feststellungen scheinen der Schiedsstelle schon deshalb nicht unbeachtlich zu sein, als der Kodex in § 4 Abs. 1 vorgibt, dass bei der Anwendung der Kodexregelungen nicht nur deren Wortlaut, sondern auch deren Geist und Intention beachtet werden müssen. Die Ausführungen in Vorwort und Einleitung kommen insoweit den Erwägungsgründen nahe, die im internationalen Recht häufig zu finden sind. Aus ihnen lassen sich zwar keine unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten, sie haben aber für die Auslegung der Kodexnormen eine nicht unerhebliche Bedeutung und können dadurch deren rechtliche Wirkungen wesentlich beeinflussen.

Ob die Vorgaben aus Vorwort und Einleitung in Verbindung mit den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen dazu führen können, das in besonders gelagerten Fällen eine sehr eingeschränkte Anwendung des Geschenkeverbots in Frage kommen kann, will die Schiedsstelle daher nicht gänzlich ausschließen, insbesondere dann, wenn andernfalls eine sachgerechte Therapie nicht in angemessener Art und Weise sicherzustellen wäre und die Abweichung von den Kodexbestimmungen sich in einem geringstmöglichen Rahmen bewegt.

Dass derartige Umstände beim vorliegenden Sachverhalt gegeben sind, kann die Schiedsstelle – zumindest auf der Basis der ihr vorliegenden Unterlagen und der durchgeführten Ermittlungen – aber nicht bejahen.

Zunächst fällt auf, dass aus der Fülle der in der vorgelegten Literatur genannten Nebenwirkungen vor allem das Hand-Fuß-Syndrom und die sog. „oral disorders“ mit den streitgegenständlichen Artikeln angegangen werden sollen. Dies sind aber keinesfalls die einzigen unerwünschten Nebenwirkungen. Die überreichten Veröffentlichungen, aber auch die in dem Set enthaltene Broschüre „Behandlungschancen bestmöglich nutzen“ nennen insoweit noch weitere, z.T. gravierende Nebenwirkungen [wird ausgeführt].

Wenn das Nebenwirkungsmanagement so essenziell ist, wie dies vom Unternehmen vorgetragen wurde, wäre zu erwarten gewesen, dass alle häufigen oder zumindest die wesentlichen Nebenwirkungen, die zu Therapieabbrüchen führen können, durch den Inhalt des Setsin jeweils entsprechender Weise adressiert würden, – also auch … [es folgen spezifische Nebenwirkungen]. Dies ist aber nur bei den beiden o.g. Nebenwirkungen der Fall.

Das Hand-Fuß-Syndrom ist im Übrigen auch keine Nebenwirkung, die die Mehrzahl der auf die Präparate eingestellten Patienten betrifft. Das Unternehmen selbst führte aus, dass lediglich 10% der mit A. behandelten Patienten von dieser Nebenwirkung betroffen sind. Andererseits belegen aber die vorgetragenen Patienten- und die Abgabezahlen des Sets, dass das Unternehmen offensichtlich sicherstellte, dass das Set mindestens flächendeckend an alle mit den Präparaten A und B therapierten Patienten verteilt wurde: Allein im Jahr 2019 wurden Sets an über 3.800 Fachkreisangehörige, die ca. 3.300 Patienten behandelten, verteilt, obwohl bei nicht mehr als 10% dieser Patienten diese Nebenwirkungen zu erwarten gewesen waren. Mithin erhielten ca. 90% der Patienten, d.h. rund 3.000 Personen die streitgegenständlichen Artikel, obwohl sie die Nebenwirkung erwartungsgemäß gar nicht erlitten haben werden.

Die Schiedsstelle räumt ein, dass es für das Unternehmen und die behandelnden Ärzte schwierig sein mag, die potenziell betroffenen Patienten vorab zu selektieren. Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, dass an Tausende von Patienten Abgabeartikel verteilt werden können, die sie für die verordnete Therapie überhaupt nicht brauchen, erscheint der Schiedsstelle schwer nachvollziehbar.

Dass Ärzte die Abgabeartikel für den eigenen Bedarf verwenden könnten, wie die Beanstandende befürchtet, ist zwar nicht auszuschließen, aber in Anbetracht der Natur dieser Artikel (Teebeutel, Hand-/Fußsalbe, Zahnbürste, Zahncreme usw.) aus Sicht der Schiedsstelle eher fernliegend.

In ähnlicher Weise tragen die Rückmeldungen der Fachkreisangehörigen auf die Umfrage der Schiedsstelle nicht dazu bei, die wesentliche Bedeutung der Abgabeartikel für die Behandlung der Nebenwirkungen zu untermauern. Wenn fünf der angesprochenen Ärzte die Beantwortung ablehnen, legt dies zumindest den Schluss nahe, dass diese Ärzte nicht der Auffassung sind, dass dieses Abgabemodell als essentiell anzusehen ist und dass sie es unterstützen wollen. Eine Ärztin formuliert insofern ganz deutlich: „… dafür möchte ich keine Zeit aufwenden“.

In ähnlicher Weise überrascht auch die Rückmeldung der Patientenorganisation, die in die Erarbeitung des Sets maßgeblich vom Unternehmen mit einbezogen gewesen war, die aber offenbar heute die Sinnhaftigkeit von einem nachgewiesenen Nutzen für den Patienten abhängig machen will. Ein solcher „Nachweis“ ist nach Auffassung der Schiedsstelle nicht erkennbar.

Dem stehen die Rückmeldungen von drei Ärzten gegenüber, die das Set in der vorliegenden Form befürworten. Diese Fachkreisangehörigen stammen alle aus der Liste der vom Unternehmen bzw. der Beanstandenden vorgeschlagenen Fachkreisangehörigen. Sie belegen sicherlich, dass ein Teil der Therapeuten das Abgabekonzept des Sets begrüßen, sie begründen aus Sicht der Schiedsstelle jedoch nicht die Annahme, dass eine sachgerechte Therapie ohne eine relevante Zahl von Therapieabbrüchen gerade durch die Artikel in dem vorliegenden Set in einer angemessenen Art und Weise sichergestellt werden sollte.

Unstreitig ist die Therapie, auch bezüglich eventueller Nebenwirkungen, in erster Linie allein Sache des Arztes. Dies erscheint auch hier schon deshalb wesentlich zu sein, als schwere unerwünschte Nebenwirkungen „bei einem signifikanten Teil der Patienten eine Dosisanpassung, eine Therapiepause oder einen Therapieabbruch notwendig“ machen [Fundstelle ausder überreichten Fachliteratur] und diese Nebenwirkungen “at any time during treatment“ [Fundstelle aus der überreichten Fachliteratur] auftreten können. Speziell zum Hand-FußSyndrom wird ausgeführt, dass „…patients … better inform the doctor quickly, so that early interventions are possible“. Selbstmedikation als Alternative oder Ergänzung wird gerade nicht erwähnt.

Somit verbleibt es auch beim vorliegenden Sachverhalt bei der eingangs genannten Spruchpraxis der Schiedsstelle. Die Abgabe ist gem. § 21 Abs. 1 Kodex unzulässig. Die Ausnahmetatbestände der in Abs. 2 genannten Art liegen nicht vor. Ob der Wert der Abgabeartikel noch als zulässig angesehen werden könnte, konnte daher dahinstehen.

Wie immer beurteilte die Schiedsstelle den vorgetragenen Sachverhalt nach den Regelungen im Kodex. Eine weitergehende Prüfung, die das Heilmittelwerbegesetz und weitere Normen mit einschließt, ist in aller Regel nicht Gegenstand des Kodexverfahrens. Allerdings weist die Schiedsstelle daraufhin, dass die direkte Abgabe der Artikel vom Hersteller an Patienten auf deren Anforderung zumindest unter den Regelungen des Kodex als möglich erscheint und darüber hinaus den Vorteil böte, dass nur jene Patienten adressiert würden, bei
denen die Nebenwirkung tatsächlich auftritt.

Entscheidung

Nach alledem war die Beanstandung begründet. Das Mitgliedsunternehmen Pfizer Pharma GmbH wurde gemäß § 20 Abs. 4 der FSA-Verfahrensordnung abgemahnt und hat daraufhin eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben, künftig Angehörigen der Fachkreise keine Salbei-Teebeutel, Anti-Hornhaut-Fußcremes, Zahnbürsten, Zahncremes sowie Lutschpastillen, die sich jeweils an Patienten richten, anzubieten oder unentgeltlich abzugeben, so wie es im Rahmen des sog. „Pfizer … Therapiemanagementsets“ geschehen ist.

Die Geldstrafe wurde auf 20.000 EUR festgesetzt, zahlbar zu gleichen Teilen zugunsten der Organisationen den 1st Class Session – Artist Support- e.V., die NGO Apopo, die Stiftung Hänsel und Gretel und die Stiftung Sabab Lou. Maßgeblicher Zeitraum für die Bemessung der Geldstrafe war gem. § 4 Abs. 2 VerfO lediglich die Zeit ab Mai 2018.

Berlin, März 2021