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Kodex § 20 Abs. 4; § 22; Satzung § 27 Abs. 1, S.2 – Einladung zu Fortbildungsveranstaltungen Dritter im Ausland

AZ.: 2004.10-35 (1. Instanz)

Leitsätze

  1. Durch Vorstandsbeschluss können auch anonyme Beanstandungen verfolgt werden, wenn der Sachverhaltsvortrag ausreichend konkrete Anhaltspunkte für einen Kodexverstoß erkennen lässt.
  2. Bei Fortbildungsveranstaltungen Dritter im Ausland dürfen für Ärzte die Kosten eines Hotels nicht in der oberen Hälfte des oberen Preissegments liegen, wenn der wissenschaftliche Charakter der Veranstaltung nicht eindeutig im Vordergrund steht.
  3. Nur in besonders begründeten Ausnahmefällen ist die Übernahme von Bewirtungskosten für Ärzte im Ausland über die ausgewiesenen Beträge der Musterberufsordnung der Ärzte mit 50,00 € kodex-konform.
  4. Bewirtungskosten dürfen von Mitgliedsunternehmen für Ärzte bei Fortbildungsveranstaltungen Dritter im Ausland nur übernommen werden, wenn es sich um Arbeitsessen im Sinne des § 22 des Kodex handelt.
    Sachverhalt

Sachverhalt

Ein Mitglied hatte zu einem 5-tägigen Auslandsaufenthalt nach Beijing zur Teilnahme an der „Asian Pacific Digestive Week“ eingeladen und die Anreisekosten sowie die Übernachtungs- und Bewirtungskosten für Frühstück und Abendessen für die teilnehmenden Ärzte übernommen.
Es wurde ein täglicher Shuttleservice eingerichtet, der die teilnehmenden Ärzte zwischen Hotel und Kongressstätte transportierte. Die Shuttlezeiten lagen morgens zwischen 08.00 h und im 2-Stunden-Rhythmus bis 14.00 h zum Kongress und für die Rückfahrt zwischen 11.00 h und 17.00 h ebenfalls im 2-Stunden-Rhythmus.

Für die teilnehmenden Ärzte wurden die Übernachtungskosten in einem Hotel übernommen, das zu der teuersten Hotelkategorie am Ort gehört. Die täglichen Frühstückskosten beliefen sich auf 22,00 € pro Person und die diversen Abendessen lagen im Durchschnitt bei 86,01 € pro Mahlzeit. Kosten für Mittagessen wurde nicht übernommen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

  1. Gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 der Satzung sowie § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung werden anonyme Beanstandungen grundsätzlich nicht verfolgt. Beide Regelungen dienen in erster Linie dem Schutz des Vereins und stellen sicher, dass keine unsubstantiiert vorgetragenen und unüberprüfbaren Beanstandungen seitens des Vereins verfolgt werden müssen. Vor anonymen, verleumderischen Beanstandungen soll auch das Unternehmen geschützt werden. Wird aber eine konkrete Beanstandung vorgetragen, die über E-Mail- Kontakte auch präzisiert wird und bleibt lediglich der Beanstander durch geänderten web account unbekannt, kann der Vorstand nach Abwägung aller Gesichtspunkte und Mehrheitsentscheidung von sich aus ein Beanstandungsverfahren einleiten. Es ist beabsichtigt, in der nächsten Mitgliederversammlung einen Vorschlag einzubringen, die Regelungen zur Anonymität zu präzisieren.

  2. Es liegt ein Verstoß gegen § 20 Abs. 4 des Kodex vor, wonach nur angemessene Reise- und notwendige Übernachtungskosten übernommen werden dürfen. Im vorliegenden Fall war bei der Auswahl des Hotels im obersten Segment der in Beijing befindlichen Hotels keine Kodexkonformität gegeben, da das Mitgliedsunternehmen nicht ausreichend der Tatsache Rechnung getragen hat, dass die Ärzte hier nicht nur den wissenschaftlich berufsbezogenen Fortbildungscharakter sahen und nutzten, sondern zugleich die sich bietende Gelegenheit aufgriffen, Land und Leute anlässlich einer Fernreise kennen zu lernen. Gerade unter diesem Aspekt kommt der Auswahl der Übernachtungsmöglichkeiten und der Gestaltung der Reisekosten eine besondere Bedeutung zu.

  3. Im vorliegenden Fall waren die Reisekosten angemessen, da sämtliche Teilnehmer Economy buchten und bezahlt bekamen, allerdings waren die Übernachtungskosten nicht notwendig im Sinne des Kodex, sie beliefen sich nämlich auf mehr als 200,00 € pro Person und Nacht, obwohl es in Beijing in ausreichender Anzahl auch gut renommierte, weltweit tätige Hotels im Preissegment deutlich unter 200,00 € gibt. Durch die Auswahl des Hotels wurde den Ärzten ohne große Nachforschung bewusst, dass sie in einem Hotel der obersten Preiskategorie unterkamen und es nicht auszuschließen war, dass allein diese Tatsache die Ärzte zur Teilnahme an dem Kongress motiviert hat. Der Spruchkörper hat einen Kodexverstoß auch deswegen angenommen, weil im Grundsatz die bei der Auswahl der Unterkunft für Fortbildungsveranstaltungen in Deutschland gültigen Preise ausreichend sind und höhere Preise nicht allein deshalb als angemessen zu akzeptieren sind, weil die Veranstaltung im Ausland stattfindet. Zu berücksichtigen war weiter, dass es den Teilnehmern durch die Tagesgestaltung ermöglicht wurde, durch Nutzung des Busshuttleverkehrs zum Kongress bereits nach 3 Stunden Teilnahme wieder zum Hotel zurückzukehren, um den restlichen Tag frei gestalten zu können, denn eine weitergehende Dokumentation über die Teilnahme der Ärzte wurde weder vorgelegt und geführt.

    Aber auch ein Verstoß gegen § 20 Abs. 4 war unter dem Gesichtspunkt der Übernahme von Bewirtungskosten zu bejahen. Zwar sind Bewirtungskosten in der Vorschrift nicht ausdrücklich aufgeführt, aus dem Gesamtzusammenhang des § 20 Abs. 4, insbesondere im Anschluss an § 20 Abs. 1 – 3, der sich mit internen Fortbildungsveranstaltungen befasst, ist erkennbar, dass, nachdem dort die Bewirtung ausdrücklich geregelt ist, für § 20 Abs. 4 dies eben gerade nicht möglich sein soll. Dies gilt sowohl für Mahlzeiten wie auch für die Übernahme des Hotelfrühstücks, sofern nicht eine Ausnahme nach § 22 des Kodex, nämlich für die Bewirtung anlässlich von Geschäftsessen, gegeben ist. Hierfür wurde im vorliegenden Sachverhalt nichts dargetan.

  4. Der Spruchkörper 1. Instanz bejaht aber auch im Hinblick auf die Höhe der durchschnittlich gewährten täglichen Abendessen einen Kodexverstoß, denn selbst wenn man die Richtlinie für Ärzte, in der MBO-Ä festgelegt auf 50,00 €, zugrunde legt, ist es nicht automatisch kodexkonform, wenn vor dem Hintergrund des Auslandsaufenthalts die dort genannte Höhe der Bewirtungskosten pro Mahlzeit überschritten wird. Höhere Ausgaben der Bewirtung als 50,00 € können insbesondere nicht allein durch die Tatsache des Auslandsaufenthalts und der fremdländischen Küche gerechtfertigt werden.

Ergebnis

Das Unternehmen hat eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unterzeichnet und sich im Wiederholungsfall zur Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von EUR 15.000 verpflichtet. Das Verfahren ist damit abgeschlossen.


Berlin, im März 2005