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§ 20 Abs. 3 des Kodex Auswahl der Tagungsstätte/des Tagungsortes; notwendige Übernachtungskosten

AZ.: 2005.5-70 (1. Instanz)

Leitsatz

  1. Mit Rücknahme des unzulässigen Einspruchs ist das Einspruchsverfahren beendet, ohne dass es einer Entscheidung der Spruchkörper bedarf.

  2. Die Auswahl des Tagungsortes im Südosten Bayerns ist dann nicht nach allein sachlichen Gesichtspunkten erfolgt, wenn es sich hierbei um einen über die Region hinaus sehr bekannten und attraktiven Freizeit- und Urlaubsort handelt und die eingeladenen Ärzte aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen, wobei die Erreichbarkeit des Tagungsortes nur über eine aufwendige Verkehrsorganisation (z.B. Bustransfer) möglich ist.

  3. Bei einem Fünf-Sterne-Haus der gehobenen Klasse, das als Luxus- und Boutiquehotel auftritt, handelt es sich nicht um ein „übliches Businesshotel“, sofern bereits aus der Einladung zu einer Fortbildungsveranstaltung auf den besonderen Freizeitwert des Hotels hingewiesen wird und die Agenda entsprechende Freiräume zur Nutzung des besonders attraktiven Angebots des Hotels ermöglicht.

  4. Unterbringungskosten pro Tag und Person in Höhe von 163,00 EUR überschreiten den zulässigen vertretbaren Rahmen und sind in Bezug auf den berufsbezogenen wissenschaftlichen Zweck der internen Fortbildungsveranstaltung nicht mehr von untergeordneter Bedeutung.

Sachverhalt

Ein Mitgliedsunternehmen hatte Ärzte aus der gesamten Bundesrepublik zu einem Symposium an den Tegernsee eingeladen. Ausweislich des Internetauftritts handelt es sich bei dem ausgewählten Hotel um ein Fünf-Sterne-Haus der gehobenen Kategorie, das als Luxus- und Boutiquehotel (Exklusivressort an einem ausgesuchten Standort) ausgewiesen ist. Die Übernachtungskosten beliefen sich pro Person und pro Nacht auf EUR 185,00 inkl. EUR 22,00 für das Frühstück. Die Veranstaltung dauerte von Freitag bis Sonntag. Den eingeladenen Ärzten wurde offeriert, im Flugzeug anzureisen. Ein einstündiger Bustransfer brachte sie an den Tagungsort am Tegernsee.

Wesentliche Entscheidungsgründe

a) Lt. Dieners (S. 310 Rd.Nr. 233) kann zwar ein Einspruch, nachdem er „wirksam eingelegt worden ist“, nicht mehr wegen der späteren Verböserungsmöglichkeit zurückgenommen werden, dies gilt nach Auffassung des Spruchkörpers 2. Instanz aber nicht für einen unzulässigen Einspruch.

Die Einspruchsfrist gemäß § 24 Abs. 1 Verfahrensordnung beträgt 2 Wochen nach Zustellung der Entscheidung. Das Unternehmen hatte seinen Einspruch und die Begründung gegen die Entscheidung der 1. Instanz nach 2 Wochen und 1 Tag bei der Geschäftsstelle des FSA eingelegt. Damit war der Einspruch unzulässig. Durch Rücknahme des Einspruchs wird das Einspruchsverfahren beendet, ohne dass es einer Entscheidung der 2. Instanz bedarf, sodass auch die Verfahrensgebühren nicht nach § 30 der Verfahrensordnung zu ermitteln sind, da der Spruchkörper 2. Instanz keinen Kodexverstoß des Mitglieds festgestellt hat. Für das Verfahren wird daher nur die Verfahrensgebühr der 1. Instanz gemäß § 29 Verfahrensordnung fällig. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein Einspruch, nachdem er wirksam eingelegt worden ist, grundsätzlich nicht mehr zurückgenommen werden kann, da dies zu einer Umgehung der Verböserungsmöglichkeit durch die 2. Instanz führen würde, dies gilt aber nicht für die Rücknahme eines von vornherein unzulässigen Einspruchs.


b) Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 des Kodex hat die Auswahl des Tagungsortes für interne Fortbildungsveranstaltungen allein nach sachlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Ein solcher Grund ist beispielsweise nicht der Freizeitwert des Tagungsortes.

Es wurden Ärzte aus der ganzen Bundesrepublik eingeladen. Allein die Modalitäten der Anreise zeigen, dass es sich bei dem Freizeitort am Tegernsee nicht um einen in der Bundesrepublik zentral gele-genen Veranstaltungsort handelt. Die Tatsache, dass ein überwiegender Teil der Ärzte aus der näheren Umgebung kamen, steht einem Kodexverstoß nicht entgegen. § 20 Abs. 3 Satz 2 stellt ausdrücklich klar, dass die Auswahl des Tagungsortes nicht anhand seines Freizeit- oder Unterhaltungswertes erfolgen darf. Daher hat die Auswahl des Tagungsortes nicht unter touristischen, sondern ausschließlich unter sachlichen Gesichtspunkten – wie etwa die gute Erreichbarkeit für Teilnehmer und Referenten – zu erfolgen. Vorliegend stand der attraktive Freizeitwert des Ortes und seiner Umgebung im Vordergrund.


c) Die Auswahl der Tagungsstätte hat allein nach sachlichen Gesichtspunkten zu erfolgen (§ 20 Abs. 3 Satz 2 der Kodex). Die Auswahl eines Hotels der Fünf-Sterne-Kategorie, das als Luxus- und Boutiquehotel ausgewiesen ist, erfüllt diese Kriterien für eine sachliche Auswahl der Tagungsstätte nicht. Bereits aus der Einladung war erkennbar, dass die Auswahl der Tagungsstätte in Orientierung an den Freizeitwert erfolgte, da sowohl bei den Vorschlägen für die Anreise- als auch bei den Vorschlägen für die Rückreisedaten genügend Zeit in der Agenda eingeräumt wurde, um den Teilnehmern ausreichend Gelegenheit zu geben, die Angebote des Hotels zu nutzen. Dabei spielt die Jahreszeit für die Einladung an den Tegernsee keine Rolle, sofern das Hotel selbst alle Annehmlichkeiten bietet, die es den Teilnehmern ermöglichen, das Haus während der Fortbildungsveranstaltung nicht verlassen zu müssen. Die Einlassung, das Hotel werde seit Jahren für den selben Teilnehmerkreis als Tagungshotel ausgesucht und habe damit an Attraktivität für die Teilnehmer verloren, kann für die Beurteilung der Kodexkonformität keine Rolle spielen, denn eine routinemäßige Nutzung des Hotels schließt nicht aus, dass man gerade deshalb wieder dorthin zurückkehrt, um das Wellness- und sonstige Freizeitangebot zu nutzen.

d) Übernachtungskosten in Höhe von EUR 185,00 (Frühstücksanteil EUR 22,00) sind nicht vertretbar im Sinne von § 20 Abs. 3 Satz 1 des Kodex und sind in Bezug auf den berufsbezogenen wissenschaftlichen Zweck der Veranstaltung nicht von untergeordneter Bedeutung. Bereits in seiner Entscheidung vom November 2004 (Az.: II 1/04/2004.4-5) hat der Spruchkörper 2. Instanz entschieden, dass Halbpensionskosten pro Tag und Person mit EUR 93,00 angemessen sind. Die vorliegend angefallenen reinen Übernachtungskosten in Höhe von EUR 163,00 überstiegen daher in jedem Fall die durch den Kodex gedeckten notwendigen Übernachtungskosten. Mit Dieners (Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten, S. 210 Rd. Nr. 83) stimmt der Spruchkörper 1. Instanz darin überein, dass die Kosten für die Übernachtung in üblichen Business- und Konferenzhotels, nicht aber die Kosten für Luxushotels, bei denen ein besonderer Erlebnis- und Erholungswert im Vordergrund steht, übernommen werden dürfen. Allein die Tatsache, dass es sich bei den ausgewählten Hotels um Mitglieder von Hotelketten handelt (Dorint, Hilton u.a.), die durchaus die Kriterien von Businesshotels erfüllen können, führt nicht zu einer Kodexkonformität, da bekannt ist, dass auch innerhalb der Hotelketten Abstufungen in den Kategorien gegeben sind, sodass nicht generell die Auswahl eines Kettenhotels den Anforderungen des Kodex gerecht wird. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Kriterien der Notwendigkeit und Vertretbarkeit, insbesondere im Verhältnis zum Fortbildungszweck und -charakter, gegeben sind. Dies ist immer dann nicht der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Arzt an der Fortbildung nicht nur aus berufsbezogenen wissenschaftlichen Beweggründen teilgenommen hat, sondern gerade auch im Hinblick auf die besondere Lage und Ausstattung des Hotels teilnahm.

Auch das Argument, der Teilnehmer wisse letztlich nicht, welche Konditionen das Mitgliedsunternehmen für die Übernachtung ausgehandelt hat, vermag nicht die Anlockwirkung für den Arzt zu verneinen, da er allein über das Internet die übliche Preisgestaltung erfahren kann und den damit hervorgehobenen Luxus erkennt. Günstige Preise bei der Auswahl des Übernachtungshotels schließen einen Kodexverstoß grundsätzlich nicht aus. Ebenso wenig, wie es bei der Auswahl des Tagungsortes einen sachlichen Grund darstellt, wenn unter Kostenaspekten die Veranstaltung in einem Ferien- und Freizeitgebiet für das pharmazeutische Unternehmen günstiger ist als die Durchführung einer derartigen Veranstaltung in einer Stadt ohne besonderen touristischen Charakter, spielt das Argument keine Rolle, die Übernachtungskosten seien günstiger als in einem vergleichbaren Hotel einer deutschen Großstadt.

Ergebnis

Das Unternehmen wurde durch Entscheidung der 1. Instanz verpflichtet, im Wiederholungsfall ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 20.000,00 wegen der Aus-wahl des Tagungsortes und der Tagungsstätte und in Höhe von EUR 15.000,- wegen der Höhe der Übernachtungskosten zu bezahlen.

Das Verfahren ist damit abgeschlossen.


Berlin, im November 2005