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§ 19 Abs. 2 Nr. 7, § 18 Abs. 1 Nr. 6 FSA-Kodex Fachkreise – Angemessene Vergütung bei Anwendungsbeobachtung (AWB) / Verordnungsanreiz

AZ.: 2009.8-268 (1. Instanz)

Leitsatz

Steht die Vergütung für die Dokumentation von erhobenen Daten im Rahmen einer monatlichen Patientenvisite im angemessenen Verhältnis zum jeweiligen zusätzlichen Aufwand des Arztes, kann allein daraus, dass die Vergütung über einen Beobachtungszeitraum der AWB von 2 Jahren jeweils monatlich gewährt wird, nicht geschlossen werden, es entstehe ein Anreiz zur – kontinuierlichen – Verordnung des Arzneimittels.

Sachverhalt

Ein Unternehmen (kein FSA-Mitglied) bietet Ärzten in Deutschland die Teilnahme an einer AWB mit einem Arzneimittel zur Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms an. Eingeschlossen werden sollen Patienten, bei denen zur Einleitung einer hormonalen Kastration eine Androgensuppression erforderlich ist. Das Präparat wird den Patienten anfänglich 3 x in 2-wöchigem Abstand, danach alle 4 Wochen injiziert. Der für die AWB festgelegte Beobachtungszeitraum beträgt max. 24 Monate. Nach der Eingangsuntersuchung und den 14-täglichen anfänglichen Injektionen werden die Patienten demnach monatlich 1 x zur Visite einbestellt. Ziel der AWB ist, den Einfluss der Behandlung auf die Lebensqualität und das allgemeine Wohlbefinden der Prostatakarzinom-Patienten zu untersuchen und dabei Erkenntnisse über die Verträglichkeit des Präparates in der praktischen Anwendung zu vertiefen und zu gewinnen. Bei der Eingangsuntersuchung und den monatlichen Folgevisiten werden verschiedene Parameter gemessen, u.a. der PSA-Wert und der Hormonspiegel, und dokumentiert. Zusätzlich sollen die Patienten ein Tagebuch führen, in das sie nach systematischer Vorgabe Daten eintragen und Fragen beantworten sollen, die ihr allgemeines Wohlbefinden und krankheitsspezifische Aspekte betreffen. Diese Daten werde bei den jeweiligen monatlichen Visiten in die vom Arzt zu erstellende AWB-Dokumentation übertragen.

Als Vergütung für den Dokumentationsaufwand des Arztes werden vom Unternehmen 60,00 € für die Eingangsvisite, jeweils 12,00 € für die Visiten 1 – 13 (1. Behandlungsjahr) und jeweils 20,00 € für die Visiten 14 – 25 (2. Behandlungsjahr) zugesagt. Bei Behandlung eines Patienten über 24 Monate und Durchführung und Dokumentation aller Visiten ergibt sich somit eine max. Gesamtvergütung von 456,00 € pro Patient.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Nach § 19 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 FSA-Kodex Fachkreise kann die Höhe der Vergütung bei einer AWB in Anlehnung an anwendbare Abrechnungsziffern der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bemessen werden. Nach ständiger Rechtsprechung der Spruchkörper des FSA kommen hierfür Ziffer 80 / Anlage zur GOÄ für einen unterstellten Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten und, bei einem dieses Maß übersteigenden Aufwand, Ziffer 85 / Anlage zur GOÄ in Betracht, wobei i.d.R. ein Multiplikator von 2,3 anzuwenden ist (s. zuletzt FS II 5/08/2007.12-217). Bei einer AWB ist dabei nur der über die Praxisroutine hinausgehende durch die erforderliche Dokumentation entstehende Mehraufwand des Arztes vergütungsfähig.

Nach den Feststellungen des Spruchkörpers 1. Instanz waren die im Rahmen der AWB zugesagten Vergütungen sowohl für die Eingangsvisite (60,00 €) als auch die monatlichen Folgevisiten (jeweils 12,00 bzw. 20,00 €) angemessen. Dabei konnte für die Eingangsvisite (Dokumentation der Patientendaten, der Anamnese, Einarbeiten in die AWB-Unterlagen, Vertraut machen des Patienten mit Tagebuch und Fragebogen) von einem Aufwand von mehr als 20 Minuten ausgegangen werden. Somit bewegte sich die Vergütung von 60,00 € in dem hierfür nach Ziffer 85 GOÄ zu berechnenden Rahmen (29,14 x 2,3 = 67,02 € je angefangene Stunde). Für die Folgevisiten wurde der zeitliche Zusatzaufwand mit ca. 15 Minuten festgestellt. Die zugesagten Vergütungen unterschritten den hierfür in Anlehnung an Ziffer 80 GOÄ errechneten Rahmen (17,49 x 2,3 x 0,75 = 30,15 €).

Nach § 19 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 FSA-Kodex Fachkreise ist die Vergütung bei einer AWB so zu bemessen, dass dadurch kein Anreiz zur Verordnung des Arzneimittels entsteht. I.d.R. ist ein dahingehendes Bedenken bereits durch die Feststellung ausgeschlossen, die Vergütung für den Zusatzaufwand der jeweiligen Einzelleistung (hier: Dokumentation der jeweiligen Visite) sei angemessen. Im Einzelfall müssten ansonsten besondere Umstände hinzutreten, die trotz angemessener Vergütung einen Verordnungsanreiz begründen. Das ist hier nicht der Fall. Angesichts der Tatsache, dass der zulässige Vergütungsrahmen bei den Folgevisiten nicht einmal ausgeschöpft wurde, kann nicht angenommen werden, der in die AWB einbezogene Arzt werde durch die Aussicht auf einen „monatlichen Zusatzverdienst“ veranlasst, die Verordnung des Arzneimittels über die Zeitdauer von 24 Monaten, etwa entgegen der Forderung, die Therapie bei Nichtansprechen abzusetzen, aufrecht zu erhalten.

Ergebnis

Das aufgrund einer anonymen Beanstandung eröffnete Verfahren wurde eingestellt.

Berlin, im März 2010