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§ 20 Abs. 3, FSA Kodex Fachkreise: Fortbildungsveranstaltung in Tagungsstätten mit Unterhaltungwert, hier im Porsche Zentrum Leipzig

AZ.: 2016.8-504

Leitsätze

1. Wird den Teilnehmern zwangsläufig und unmittelbar während der gesamten Veranstaltung der besondere Unterhaltungswert der Tagungsstätte vermittelt, ist diese nicht mehr von untergeordneter Bedeutung, sie konkurriert vielmehr mit der Fortbildungsveranstaltung um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer.

2. Sind die Teilnehmer einer Fortbildungsveranstaltung zwangsläufig und ständig in die Erlebniswelt, die die Tagungsstätte vermittelt, integriert, kann der damit verbundene Unterhaltungswert dieser Tagungsstätte allgegenwärtig sein.

3. Die Auswertung des Internetauftritts einer Tagungsstätte kann ausreichend sein, um der Schiedsstelle einen Eindruck über die Veranstaltungsstätte und ihre Auslobung zu verschaffen. Eine eigenständige Begehung vor Ort kommt vor allem dann in Betracht, wenn sich die relevanten Informationen für die Bewertung der Tagungsstätte aus den verfügbaren Unterlagen (einschl. des Internetauftritts) nicht erschließen.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens war die Beanstandung, die Daiichi Sankyo Deutschland GmbH habe eine interne Fortbildungsveranstaltung für Ärzte angekündigt, die im Porsche Zentrum Leipzig im Oktober 2016 stattfand. In der Beanstandung wird die Veranstaltungsstätte als nicht Kodex-konform bewertet und zwar im Hinblick auf den Freizeit- und Unterhaltungswert, das besondere Ambiente und die Exklusivität des Porsche-Zentrums.

Die Anhörung der Schiedsstelle ergab folgende weitere Informationen:

Die Veranstaltung war für ca. 200 Ärzte und mit einer Bewirtung geplant gewesen, die Bewirtung sollte sich auf einen Snack und einen Imbiss beschränken. Das Unternehmen meinte, die Veranstaltungsstätte sei weder extravagant noch für ihren Unterhaltungswert bekannt. Der Veranstaltungsort sei im Hinblick auf die regionale Ausrichtung der Veranstaltung, die sich an Fachkreisangehörige im Großraum Leipzig richtete, die Teilnehmerzahl, die technische Ausstattung, die Erreichbarkeit und die guten Parkmöglichkeiten gewählt worden; eine andere Veranstaltungsstätte sei u.a. wegen der schwierigen Verkehrssituation und der leichten Erreichbarkeit der Einkaufszonen in der Innenstadt ausgeschieden worden.

Das Porsche-Zentrum Leipzig habe keinen Unterhaltungswert, zumindest soweit das der gewählte Ablauf der Veranstaltung zulasse. Das Unternehmen legte dazu eine Erklärung des Leiters Eventorganisation des Betreibers der Veranstaltungsstätte vor, die diese Auffassung bestätigte und Attribute wie Tradition, Innovation, Leistungsorientierung, soziale Verantwortung, Familienunternehmen nicht nur für das Unternehmen Porsche, sondern auch für die Veranstaltungsstätte in Anspruch nahm.

Zur Verfügbarkeit anderer, möglicherweise geeigneter Veranstaltungsstätten, wie sie sich aus der Trefferliste der Webseite tagungsplaner.de ergeben, führte das Unternehmen aus, von den dort genannten 24 relevanten Treffern seien etwa 10 Veranstaltungsstätten nicht geeignet.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Schiedsstelle sah die Voraussetzung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FSA-Kodex als erfüllt an: Die Fortbildungsveranstaltung an sich und die vorgesehene Bewirtung wahren den Rahmen des Kodex.

Allerdings muss die Auswahl des Tagungsortes und der Tagungsstätte für interne Fortbildungsveranstaltungen sowie die Einladung von Angehörigen der Fachkreise hierzu allein nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgen. Die Unternehmen sollen Tagungsstätten vermeiden, die für ihren Unterhaltungswert bekannt sind oder als extravagant gelten (§ 20 Abs. 3 FSA-Kodex).

Diese Voraussetzungen waren nach Auffassung der Schiedsstelle nur zum Teil gewahrt. Für die Annahme einer Extravaganz der Veranstaltungsstätte liegen der Schiedsstelle keine ausreichenden Erkenntnisse vor. Die Auswahl der Tagungsstätte kann jedoch nicht allein aus sachlichen Gesichtspunkten hergeleitet werden, die Tagungsstätte ist insbesondere in Bezug auf den berufsbezogenen wissenschaftlichen Zweck der internen Veranstaltung auch nicht von untergeordneter Bedeutung; sie hat einen erheblichen Unterhaltungswert. Dies folgt aus den besonderen Gestaltungsmerkmalen der Tagungsstätte:

Auf der Webseite des Betreibers, https://www.porsche-leipzig.com/home/, wird die Tagungsstätte unter der Schaltfläche „Eventlocation“ und in der Download-Datei „Porsche Leipzig Location Check“ auszugsweise und beispielhaft wie folgt beschrieben:

  • Der erste Eindruck? Exklusiv, luxuriös und sehr freundlich.
  • … eine einzigartige Umgebung.
  • … für einen Ablauf voller faszinierender Erlebnisse.
  • Sie suchen für Ihre Gäste einen besonderen Ort? ….Wir bieten Ihnen einen exklusiven Rahmen.
  • exklusive Veranstaltungsräumlichkeiten.
  • Wir sind auf individuelle Wünsche eingestellt und …. tun alles dafür, dass der Aufenthalt bei Porsche Leipzig für Sie und Ihre Gäste zu einem einmaligen Erlebnis wird.
  • Ein Diamant (- gemeint ist hier auch das Gebäude der Tagungsstätte, das sog. Kundenzentrum -) ist zeitlos und exklusiv. …. etwas Einmaliges: ein Ambiente, das aus jedem Anlass ein Ereignis macht.
  • Außen werden Erwartungen geweckt. Innen setzen wir (= der Betreiber) alles daran, sie zu erfüllen.
  • Bei Porsche in Leipzig, wo neben Sportwagen vor allem auch eines produziert wird: Emotionen. ….. Eine Atmosphäre, in der Sie mit Ihren Gästen der Marke Porsche ganz nahekommen.
  • Erlebnisse und Emotionen.
  • Vom Spezialisten für Erlebnisse und Emotionen.
  • Von Anfang an trägt Porsche in Leipzig die gesamte Historie der Marke in sich. Seine architektonische Mitte, das Kundenzentrum, signalisiert Hightech, Fortschritt, Leistung und innovatives Design.
  • Das Kundenzentrum, der sogenannte Diamant, ist ein Ort, der zu vielem einlädt: zum Feiern, zum Meeting, zum Entdecken und nicht zuletzt zum Staunen. Vor allem, weil Sie hier die
    Faszination Porsche mit jedem Schritt begleitet. …. Das Thema Motorsport ist auf Ihrer Veranstaltung bei Porsche Leipzig allgegenwärtig.
  • Den Eingang …. können Sie Ihre Gäste mit einem Begrüßungsdrink willkommen heißen – und den Blick auf die Start-Ziel-Gerade der angrenzenden FIA-zertifizierten Rundstrecke genießen.

Für die Durchführung der Veranstaltung kommt bei einem Teilnehmerkreis von ca. 200 Personen das sog. „Große Auditorium“ in Betracht, das wie folgt beschrieben wird:

  • Die dritte Ebene mit dem Großen Auditorium. Hier lässt sich intensiv zuhören und diskutieren. Oder erleben und genießen. Das Große Auditorium bietet den Teilnehmern ein Raumgefühl der großzügigen Art: 1.360 m2, ungeteilt, rundum Panoramafenster (- d.h.: „… Blick auf die Start-Ziel-Gerade der angrenzenden FIA-zertifizierten Rundstrecke …“ -) …Direkt darüber befindet sich der Galeriering, den Sie bequem über die beiden Treppenaufgänge (im Auditorium) erreichen. … Der ungewöhnliche ….
  • …. eine besondere Atmosphäre. Begleitet von einem 360-Grad-Ausblick auf die 400-Hektar- Erlebniswelt von Porsche Leipzig. …Fazit: Die großzügigen Dimensionen ….
  • Auf der vierten Ebene, dem Galeriering, kommen Ihre Gäste der Porsche Historie ganz nah. Hier sehen sie eine Ausstellung mit vielen seltenen und wertvollen Originalexponaten. ….
  • …. für eine Tagung im Großen Auditorium … kann der Galeriering auch als Cateringbereich genutzt werden. So erleben Ihre Gäste die Porsche Geschichte direkt und hautnah. Und während sie das exklusive Buffet genießen oder einen Rundgang durch die Fahrzeugausstellung machen, gibt es viele Gelegenheiten, miteinander entspannt ins Gespräch zu kommen.

Der Internetauftritt macht im Übrigen deutlich, dass die Marke Porsche, sei es mit Fotos, dem Logo oder besonderen Ausstellungsstücken der Fahrzeuge selbst („…mit vielen seltenen und wertvollen Originalexponaten“ …) im gesamten Gebäude visuell allgegenwärtig ist: „… weil Sie hier die Faszination Porsche mit jedem Schritt begleitet.“ Die Schiedsstelle sah die Auswertung des Internetauftritts als ausreichend an, um sich einen Eindruck über das Veranstaltungsstätte und ihre Auslobung zu verschaffen.

In der bisherigen Spruchpraxis hat die Schiedsstelle in den Verfahren zu Az. 2005.9-91, 2005.11-102 und FS II 2-04-2004.7-13 (2. Instanz) die Wahl von Tagungsstätten dann beanstandet, wenn Anreize nicht-fachlicher Art bei der jeweiligen Veranstaltungsstätte allgegenwärtig waren oder gar im Vordergrund standen. Der Betreiber des Porsche Zentrums Leipzig preist diese Merkmale gerade und mit gutem Grund als besondere Qualität an und unterstellt, dass dieses Nebeneinander von (- unterstellter -) Attraktivität des Veranstaltungsprogramms und des besonderen Ambientes einen besonderen Anreiz für die Buchung und für die Teilnehmer darstellt. Dies führt zwangsläufig dazu, dass beide Faktoren, Veranstaltungsprogramm und Ambiente, miteinander in Konkurrenz treten.

Die Schiedsstelle hat aber bereits bisher Veranstaltungen in Stätten mit besonderer Ausstattung (z.B. einem Museum) oder Fortbildungsveranstaltungen, die durch Freizeit-Aktivitäten ergänzt werden (z.B. einem Kino-Besuch) beanstandet. Diese Voraussetzungen sind auch hier gegeben: „…. die Faszination Porsche mit jedem Schritt begleitet. …. Das Thema Motorsport ist auf Ihrer Veranstaltung bei Porsche Leipzig allgegenwärtig.“ Damit wird den Teilnehmern zwangsläufig und während der gesamten Veranstaltung der besondere Unterhaltungswert der Erlebniswelt Porsche vermittelt. Die Tagungsstätte ist deshalb nicht mehr von untergeordneter Bedeutung, sie konkurriert mit der Fortbildungsveranstaltung um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer. Im Umkreis von Leipzig, von wo die Teilnehmer in erster Linie kommen, kann die Bekanntheit ihres Freizeit- und Unterhaltungswerts im Übrigen unterstellt werden. Die Erklärung des Leiters Eventorganisation des Betreibers der Veranstaltungsstätte konnte demgegenüber nicht überzeugen.

Aus Sicht der Schiedsstelle war nicht relevant, ob der vom Unternehmen geplante Ablauf der Veranstaltung einen Besuch der sonstigen Unterhaltungs-Angebote des Betreibers einschloss oder nicht. Die Teilnehmer waren bei der geplanten Veranstaltung zwangsläufig und ständig in die Porsche-Welt integriert. Die Marke und ihre Emotionswelt und damit auch der damit verbundene Unterhaltungswert waren allgegenwärtig. Ob die Teilnehmer im Einzelfall und auf eigene Initiative weitere Angebote des Betreibers vor oder nach der Veranstaltung nutzen (z. B. Fahrtraining, Besichtigung der Rennstrecke usw.) war daher nicht entscheidend.

Die Eignung der Infrastruktur der Veranstaltungsstätte, auf die in der Entscheidung zu Az. 2005.9-91 noch Bezug genommen wurde, scheint dem Spruchkörper heute kein relevantes Abgrenzungskriterium mehr zu sein. Veranstaltungsstätten ohne ausreichende Infrastruktur kommen ohnehin nicht mehr in Betracht. Auch die leichte Erreichbarkeit und die Verfügbarkeit von Parkplätzen sind keine Faktoren, die die Wahl dieser Tagungsstätte nahelegen, wenn, wie hier, eine ganze Reihe anderer möglicher Tagungsstätten vorhanden sind. Die Auswahl lässt sich daher nicht allein mit sachlichen Gesichtspunkten begründen.

In gleicher Weise stellt die Absicht, den Teilnehmern eine möglicherweise schwierige Verkehrssituation zu ersparen und eine leichte Erreichbarkeit der Einkaufszonen in der Innenstadt zu verhindern, kein Motiv dar, das den oben beschriebenen Anreiz-Charakter der Tagungsstätte ausgleichen könnte. Die Schiedsstelle betrachtet die leichte Erreichbarkeit von Einkaufszonen in der Innenstadt allein nicht als ausschlaggebend, um Tagungsstätten in der Innenstadt von Großstädten als unzulässig anzusehen.

Die Beanstandung war somit begründet. Die Daiichi Sankyo Deutschland GmbH wurde verpflichtet, es künftig zu unterlassen, Angehörige der Fachkreise zu internen Fortbildungsveranstaltungen in das Porsche-Zentrum Leipzig einzuladen. Das Unternehmen gab die Unterlassungserklärung ab und verpflichtete sich zur Zahlung der Geldstrafe zugunsten einer gemeinnützigen Vereinigung in Höhe von EUR 15.000

Berlin, im Oktober 2016