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§§ 3 Abs.1, 4 Nr. 1, 4 Nr.11 UWG i.V.m. § 7 HWG – Versprechen von unentgeltlichen Zuwendungen an Arzt gegen Zusage, eine bestimmte Anzahl von Patienten auf Arzneimittel des Unternehmens neu einzustellen

AZ.: Az.: 2012.10-329 (1. Instanz)

Leitsatz

Bietet ein Unternehmen einem Arzt Preisnachlässe für ein von ihm vertriebenes Allergie-Testsystem, unentgeltliche Überlassung eines Laborgeräts und kostenlose Durchführung von Allergietestauswertungen in dessen Labor an und verlangt im Gegenzug vom Arzt die Neueinstellung von jährlich bis zu 100 Patienten auf Therapieallergene des Unternehmens im Rahmen einer Hyposensibilisierungs-Behandlung, liegt darin eine unlautere geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG, wird dadurch die Entscheidungsfreiheit des Arztes in unangemessener unsachlicher Weise beeinflusst (Verstoß gegen § 4 Nr.1 UWG) und werden dem Arzt gesetzlich unzulässige Zuwendungen angeboten (Verstoß gegen § 4 Nr.11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 HWG).

Sachverhalt

Das Unternehmen (kein Mitglied des FSA) stellt Präparate für die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) und Allergiediagnostik (Testallergene) her und vertreibt ein Testsystem zur Bestimmung von Antikörpern im Serum gegen Allergene. Ein Außendienst-Mitarbeiter des Unternehmens unterbreitete einem Arzt folgendes schriftliche Angebot:

  • Gewährung eines Preisnachlasses bei künftiger Verwendung des vom Unternehmen vertriebenen Testsystems im Labor der Arztpraxis,
  • kostenlose Vornahme von Antikörperbestimmungen alle zwei Wochen für ein halbes Jahr im Praxislabor mit dem Testsystem des Unternehmens,
  • kostenlose Bereitstellung eines zusätzlichen Laborgeräts („Schüttler“) zur Verwendung bei der Antikörperbestimmung.

Als „Gegenleistung“ verlangte der Außendienstmitarbeiter, dass der Arzt bis zu 100 Patienten im Jahr neu auf Präparate des Unternehmens zur Hyposensibilisierung einstellte.

Rechtliche Begründung

Das Angebot des Unternehmens, einen Preisnachlass auf den Bezug des Testsystems zu gewähren, unentgeltliche Leistungen bei der Auswertung der Allergentests anzubieten sowie kostenlos ein Laborgerät („Schüttler“) für das Praxislabor zur Verfügung zu stellen, sofern der Arzt im Gegenzug eine bestimmte Anzahl von Patienten auf Therapieallergene des Unternehmens einstellt, ist eine unlautere geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG. Es liegt der Fall eines versuchten „Verordnungskaufs“ vor, der geeignet ist, die Interessen der übrigen Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen. Die Verordnungsentscheidung des Arztes erfolgt nicht mehr aufgrund medizinischer und ggf. sozialversicherungs-rechtlicher Überlegungen, sondern ist durch das Ziel persönlicher Bereicherung bestimmt. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass die Hyposensibilierungs-Behandlung über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren erfolgt. Das Kalkül des Unternehmens wird dadurch bestimmt, dass ein auf seine Therapieallergene eingestellter Patient i.d.R. nicht mehr umgestellt wird, womit sich das Unternehmen mit seinen „Angeboten“ gleichsam einen Patientenstamm für die nächsten Jahre erkaufen will.

Das Verhalten des Unternehmens verstößt weiter gegen § 4 Nr. 1 UWG, denn die vom Außendienst-Mitarbeiter unterbreiteten Angebote sind ohne Weiteres geeignet, das Verhalten des Arztes in Bezug auf den Einsatz der Therapieallergene und deren Bezug unangemessen unsachlich zu beeinflussen. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gebietet es, dass sich der Arzt bei einer Verordnung von Arzneimitteln allein vom Interesse des Patienten leiten lässt und nicht davon, ob dem Arzt hierbei persönliche Vorteile zugeflossen sind oder zufließen sollen. Mit der Annahme des vorliegenden Angebotes würde der Arzt zudem gegen berufsrechtliche Bestimmungen (hier einschlägig: § 34 Abs. 1 Berufsordnung – Ärzte/Baden-Württemberg) verstoßen. Danach ist es Ärzten nicht gestattet, für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln von Herstellern oder Händlern Vergütungen oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigungen zu fordern oder anzunehmen.

Schließlich verstößt insbesondere das Angebot einer unentgeltlichen Auswertung von Allergentests sowie einer kostenlosen Überlassung eines „Schüttlers“ gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 HWG. Der Preis eines „Schüttlers“, der auf dem Markt nicht unter 200 EUR angeboten wird, liegt jenseits der Geringwertigkeitsgrenze nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG. Das Ausmaß der unentgeltlich angebotenen Testauswertungen übersteigt eindeutig die noch im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG ggf. zulässige handelsübliche Nebenleistung in Form einer kostenlosen Bedienungseinweisung bei Aufstellung eines neuen Geräts.

Ergebnis

Auf die Abmahnung durch den FSA hat das Unternehmen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und sich verpflichtet, es zu unterlassen

  • Ärzten Preisnachlässe auf das Allergie-Testsystem anzubieten und/oder zu gewähren, und/oder
  • Ärzten eine unentgeltliche Durchführung von Allergietestauswertungen in ihrer Praxis durch seine Mitarbeiter anzubieten und/oder diese durchzuführen, und/oder
  • Ärzten unentgeltlich als Laborgeräte Schüttler anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen,

sofern von den Ärzten hierfür jeweils im Gegenzug verlangt wird, von ihnen behandelte Patienten auf vom Unternehmen vertriebene Therapieallergene einzustellen.

Berlin, im Dezember 2012